Frage an Heinz-Joachim Barchmann bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Heinz-Joachim Barchmann
SPD
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Frage von Birgit S. •

Frage an Heinz-Joachim Barchmann von Birgit S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Barchmann,

mich würde persönlich interessieren, warum die SPD sich fast vollständig bei der Abstimmung zur Verhinderung der Wasserprivatisierung enthalten hat, obwohl sie sich als Volkspartei versteht und anhand der großen Empörung im Bezug auf die Vorhaben der EU absehbar ist, dass das Volk Wasser als Menschenrecht erhalten und damit die Privatisierung verhindern will. Wenn die Abgeordneten nach ihrer eigenen Meinung gestimmt hätten, wäre das ja noch verständlich, aber sich zu enthalten wirkt eher wie ein Verrat am Volk. Gibt es dafür bestimmte Gründe oder ist der SPD egal, ob sie ihre Wähler enttäuscht und die Bürger im Stich lässt?

Mit freundlichen Grüßen und vielem Dank im Voraus für jede mögliche Erklärung
Birgit Schwäbe

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Schwäbe,

vielen Dank für Ihre Frage zum Vorhaben der Europäischen Kommission unter gewissen Voraussetzungen die Konzessionen für kommunale Wasserversorger europaweit auszuschreiben und damit einer Privatisierung Vorschub zu leisten.
Um es gleich zu Beginn klar zu machen: Wasser ist ein lebensnotwendiges Gut; eine qualitativ hochwertige und bezahlbare Wasserversorgung muss daher Ziel guter Politik bleiben. Deswegen fordert die SPD-Bundestagsfraktion, öffentliche Träger der Wasserversorgung – wie Stadtwerke oder kommunale Zweckverbände – aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie herauszunehmen. Es gibt keinen Grund, gute und bezahlbare öffentliche Wasserversorgung dem Wettbewerb zu unterwerfen.
Weil die Konzessionsrichtlinie nicht mit den Grundsätzen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit vereinbar ist, lehnt die SPD-Bundestagsfraktion diese ab. Unser Antrag (Drs 17/8761) mit den Kritikpunkten und einer Aufforderung zur Erteilung einer Stellungnahme gemäß den Grundsätzen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit wurde letztes Jahr im Bundestag mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP abgelehnt. Besonders betroffen von dieser Ausschreibungspflicht wären unter anderem Unternehmen der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung. Derzeit unterliegen solche Dienstleistungen nur den aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union abgeleiteten allgemeinen Grundsätzen. Die SPD hat mit der Subsidiaritätsrüge das Recht der Kommunen auf Selbstverwaltung im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge verteidigt.

Behandlung im Europäischen Parlament
Auch die deutschen SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament setzen sich bei den Verhandlungen dafür ein, dass der Wasserbereich aus dem Anwendungsbereich der Konzessionsrichtlinie herausgenommen wird. In einem aktuellen Positionspapier vom 30. Januar 2013 heißt es zur Konzessionsrichtlinie nach der Abstimmung im Binnenmarktausschuss:

1. Wir SPD-Abgeordnete im Europäischen Parlament haben uns dafür eingesetzt, öffentliche Träger der Wasserversorgung – wie Stadtwerke oder kommunale Zweckverbände – aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie herauszunehmen. Es besteht keine Notwendigkeit, bewährte Formen guter und bezahlbarer öffentlicher Wasserversorgung denselben Marktregeln zu unterwerfen wie es bei privaten Anbietern erforderlich ist!
2. Zwar sieht die Konzessionsrichtlinie keine Privatisierung und keine Liberalisierung der Wasserversorgung vor. Die Kommunen können auch künftig nach wie vor selbst entscheiden, ob die öffentliche Daseinsvorsorge und damit auch die Wasserversorgung privaten oder öffentlichen Anbietern anvertraut wird.
3. Die Konzessionsrichtlinie setzt sich zum Ziel, allgemeine Regeln für die Qualität und Bezahlbarkeit des Wassers sicherzustellen, um Transparenz zu wahren und Korruption zu verhindern, wenn Private zum Zuge kommen. In ihrer jetzigen Form geht jedoch Liberalisierungsdruck auf die Kommunen aus, z.B. indem bewährte Beteiligungsstrukturen in Frage gestellt werden.
4. Bei der Abstimmung im Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlamentes ist entgegen unserer Position nun ein fauler Kompromiss beschlossen worden, der vorsieht, die Wasserversorgung lediglich zeitlich begrenzt bis 2020 aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie zu nehmen und auch nur dann, wenn sie zu 100% in öffentlicher Hand ist. Das reicht uns nicht. Wir wollen, dass die Kommunen eine gute Wasserversorgung dauerhaft sicherstellen können!
5. Die schwarz-gelbe Bundesregierung unter Führung von Frau Merkel hat sich in keiner Weise im Interesse der Bürgerinnen und Bürger für die Wasserversorgung in öffentlicher Hand eingesetzt. Vielmehr hat sie im Rat dem Vorschlag der Kommission zugestimmt und nimmt somit billigend in Kauf, dass hochwertige und bezahlbare Wasserversorgung in Deutschland gefährdet wird.
6. Wir SPD-Abgeordnete werden auch weiterhin dafür kämpfen, dass öffentliche Wasserversorgung dauerhaft aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie her-ausgenommen wird. Sollte dies gegen die konservativ angeführte Mehrheit im Europäischen Parlament nicht gelingen, werden wir auch bei der Plenarabstimmung gegen die gesamte Richtlinie stimmen!

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie des Deutschen Bundestages hatte schon im Dezember 2010 u.a. auf Initiative der SPD einen gemeinsamen Brief an den zuständigen EU-Kommissar Barnier gerichtet. In diesem Schreiben wurden die Bedenken aller Fraktionen gegenüber der Konzessionsrichtlinie geäußert. Wörtlich heißt es in dem Schreiben: „Anlässlich der Aussprache im Ausschuss über die Rechtsetzungsinitiative zur Vergabe von Dienstleistungskonzessionen (KOM(2010)608) hat sich der Ausschuss einmütig dafür ausgesprochen, dass diese Rechtsetzungsinitiative kein Regelungstatbestand der Europäischen Union sein sollte. Es wird aus Gründen der Subsidiarität nicht als angemessen angesehen, dass auch im Bereich der Daseinsvorsorge eine Dienstleistungskonzessionspflicht bestehen solle. Im Namen des Ausschusses möchte ich Sie deshalb bitten, von diesem Regelungsvorschlag Abstand zu nehmen.“

Auch der Bundesrat hat mehrfach gegen eine Konzessionsrichtlinie votiert und eine Subsidiaritätsrüge gegen den Vorschlag erhoben – zuletzt in seinem Beschluss vom 2. März 2012. Die Konzessionsrichtlinie ist nicht vereinbar mit dem Recht der Selbstverwaltung der Kommunen. Der Entscheidungsfreiheit von Kommunen bei der Erfüllung der Daseinsvorsorge bei kommunalen Unternehmen misst die SPD eine große Bedeutung zu. Die Gewährleistung des Gemeinwohls ist durch den Staat zu sichern. Der erst durch den Vertrag von Lissabon garantierte Ermessensspielraum für die Kommunen würde durch diesen Rechtsetzungsakt ausgehebelt.
Bei den Beratungen im Februar und März 2012 teilten weite Teile des Wirtschaftsausschusses diese Sorgen. Union und FDP formulierten in einem Entschließungsantrag, der Teil der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (Drs 17/9069) war, folgende Passage: "Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ersucht die Bundesregierung, bei ihren Verhandlungen im Europäischen Rat darauf hinzuwirken, dass in dem Richtlinien-Vorschlag zur Vergabe von Dienstleistungskonzessionen den besonderen Belangen insbesondere der Wasserversorgung angemessen Rechnung getragen wird".

Bei den Ratsverhandlungen in Brüssel hat die Bundesregierung diese Position nicht in der Neufassung des Richtlinienentwurfs verankert. Die Wasserwirtschaft wurde nicht vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeklammert. Das ist umso erstaunlicher, als dass die Rettungsdienste und die kommunale Kreditbeschaffung inzwischen ausgenommen wurden. Die Bundesregierung blieb in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses am 30. Januar 2013 eine Begründung schuldig, weshalb sie die kommunalen Wasserversorger nicht vor der Konzessionsvergabe-Richtlinie schützen will.
Wir Sozialdemokraten bleiben allerdings dabei. Wir lehnen die Konzessionsrichtlinie aus oben genannten Gründen ab.
Wie ich Ihrer Frage entnehmen kann, sind Sie auch gegen die Konzessionsrichtlinie. Deshalb würde es mich sehr freuen, wenn Sie die Europäische Bürgerinitiative www.right2water.eu unterstützen würden. Dort haben schon 1,2 Millionen Bürgerinnen und Bürger unterzeichnet und fordern die Kommission auf, ihren Vorschlag zu verändern. Nur durch öffentlichen Druck auf Europäische Kommission und Bundesregierung, kann der Vorschlag noch verhindert werden. Bitte zeichnen Sie mit und werben Sie unter Bekannten, Freunden und in der Familie für die Initiative.

Mit freundlichen Grüßen
Achim Barchmann