Frage an Hubertus Heil bezüglich Soziale Sicherung

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Hubertus Heil
SPD
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Frage von Gertrud S. •

Frage an Hubertus Heil von Gertrud S. bezüglich Soziale Sicherung

Ich bin schockiert über Ihr Vorhaben, geringverdienenden langjährigen Beschäftigten einen zusätzlichen Rentenbetrag gutzuschreiben, ohne Überprüfung des Familieneinkommens, so quasi nach dem Gießkannenprinzip.
Haben Sie dabei berücksichtigt, dass viele Selbständige ihre Ehepartner oder Lebensgefährten geringfügig beschäftigen, um sie wenigstens im sozialen Netz unterzubringen (manchmal arbeiten sie gar nicht im Betrieb, sind nur angemeldet). Die würden alle profitieren, obwohl sie gar nicht bedürftig sind. Wir haben das Prinzip der Grundsicherung, da wird das Familieneinkommen geprüft, das sollte man bei allen Bedürftigen anwenden.
Dieses geplante Gesetz verstößt auch gegen das Gleichheitsprinzip in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Hier soll wieder mal (wie so oft) der Rententopf für Menschen geplündert werden, die nicht in dem Maße Ihrer Beitragszahlung im Alter versorgt werden.
Ich sehe auch das Problem der Altersarmut bei weiten Bevölkerungskreisen, aber das kann nicht mit einem
zusätzlichen Rentenanspruch aus dem Beitragstopf ausgeglichen werden. Das kann nur im Rahmen der
Grundsicherung aus dem Sozialtopf, aus dem Steueraufkommen aller Bundesbürger, geleistet werde und dann auch nur nach Überprüfung der Bedürftigkeit.
Sollte ein Gesetz verabschiedet werden, das die Bedürftigkeit nicht prüft, werde ich mich nach nunmehr 71 Lebensjahren aus den gesellschaftlichen Bürgerrechten verabschieden und nicht mehr zur Wahl gehen. Eine Bundesregierung, die eine solche Ungerechtigkeit wissentlich in unser Rechtssystem einbaut, ist es nicht wert gewählt zu werden. Und gerade Sie als SPD-Minister müßten doch auf solche Ungerechtigkeiten besonders achten und diese vermeiden. Oder zählen Sie nur auf "dumme" Bürger, die diese Ungerechtigkeit nicht sehen und dann meinen sie müßten SPD wählen, weil sie sich um die "armen Rentner" kümmert. Ich sehe das Problem der Altersarmut, aber so ist das Problem nicht zu lösen.
In Erwartung Ihrer Stellungnahme verbleibe ich
G. S.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau S.,
vielen Dank für Ihre Nachricht bezüglich der Bedürftigkeitsprüfung bei der Grundrente. Wie Sie sicherlich durch die Medien mitbekommen haben, wurde die Grundrente am 19. Februar 2020 vom Kabinett ohne Bedürftigkeitsprüfung auf den Weg gebracht.
Ich freue mich, dass wir uns mit dem Koalitionspartner CDU/CSU darauf einigen konnten, Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung einzuführen. Ich halte dies für unbedingt notwendig, da es bei der Grundrente um die Anerkennung und die Wertschätzung für die erbrachte Leistung eines langen Arbeitslebens geht.
Die Grundrente ist eine Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung und die kennt keine Bedürftigkeitsprüfung, anders als beispielsweise die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Wer sich die Grundrente erarbeitet hat, soll sie auch bekommen.
Wichtig ist dabei ebenfalls, dass wir verhindern, dass Menschen, die die Grundrente beziehen, nicht ihre gesamten Einkommens- und Vermögensverhältnisse und die ihres Lebenspartners oder ihrer Lebenspartnerin bürokratisch aufwändig offenlegen müssen. Es gibt zudem eine gewisse Anzahl von Menschen, die trotz möglichen Anspruchs aus den verschiedensten Gründen keine Fürsorgeleistungen des Staates beantragen. Dies haben zuletzt am 6. Mai 2019 auch mehrere Sachverständige in der Sachverständigenanhörung zum Thema „Bekämpfung von Altersarmut bei Rentnern“ im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages bestätigt.
Insgesamt geht es darum, neben der erheblichen Einsparung an bürokratischem Aufwand, dass diese Menschen ihre Ansprüche durch Arbeit und Leistung erworben haben, nicht, weil sie bedürftig sind.
Deshalb funktioniert die Grundrente auch nicht nach einem wahllosen Gießkannenprinzip. Die Grundrente soll diejenigen besserstellen, die mindestens 33 Jahre gearbeitet und Beiträge geleistet haben. Um ihre Leistung geht es, sie verdient Anerkennung und das gilt dann auch für alle, die mindestens 33 Jahre gearbeitet, Kinder erzogen und Angehörige gepflegt haben. Entscheidend ist, wie viel Beiträge gezahlt wurden − egal, ob in Vollzeit oder Teilzeit. Wer arbeitet, hat für die eigene Leistung Anerkennung verdient. Es gibt Mindestanforderungen, was Zeiten und die Höhe des Verdienstes angeht, damit nicht Minijobber und Vollzeit-Beschäftigte am Ende die gleiche Rente haben – das wäre ungerecht.
Aber es ist so, dass in der Vergangenheit insbesondere Frauen auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt waren, vor allem dann, wenn sie Kindererziehungspflichten übernommen haben. So stehen sie oft rentenrechtlich schlechter da, als es bei einer tatsächlichen Gleichbehandlung der Fall wäre. Das darf nicht dazu führen, dass wir ihnen die Anerkennung für das Geleistete heute verweigern.
Frau Sauer, ich kann Ihre Fragen verstehen und hoffe ich konnte mit meiner Antwort etwas Klarheit verschaffen. Die Grundrente ist ein wichtiger sozialpolitischer Schritt hin zu einem besseren und zukunftsfähigen Rentensystem, das sozial und solidarisch gestaltet ist. Mit der Grundrente leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Altersarmut und lösen ein Kernversprechen unseres Sozialstaates ein: Wer jahrzehntelang in die Rentenversicherung einzahlt, soll sich darauf verlassen können, auch im Alter gut dazustehen.
Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Heil

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