Frage an Ingo Schmitt bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Ingo Schmitt
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Frage von Roberto G. •

Frage an Ingo Schmitt von Roberto G. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

1. Wie ist es zu erklären das Deutschland laut den Vereinten Nationen zwar immernoch als Feindstaat vertraglich deklariert wird und dennoch der drittgrößte Beitragszahler dessen ist? Ich als einfacher Bürger empfinde es als Zumutung einen Verein zu bezahlen, der ein heute noch als Feind bezeichnet.
Warum drängt Deutschland nicht auf Beseitigung dieses Widerspruches?

2. Wann erhält Deutschland endlich einen Friedensvertrag, wann also endet der Waffenstillstand zwischen Deutschland und den Alliierten?

Auch wenn beide Fragen auf dem Papier stehen und derzeit kaum Anwendung finden, sollte man die Verträge korrigieren, wenn wir schon zu den größen Beitragszahlern der Weltorganisationen gehören.

Wie sehen Sie das Herr Schmitt?

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CDU

Sehr geehrter Herr Gatelli,

vielen Dank für Ihre E-Mail vom 26. September 2007. Gerne möchte ich Ihrer Anfrage mit einer Stellungnahme nachkommen:

zu Frage 1.)
Als die Vereinten Nationen 1945 gegründet wurden, gehörte Deutschland noch nicht dazu. Im Gegenteil: Das Land, das den Zweiten Weltkrieg ausgelöst und zu verantworten hatte, galt als Feindstaat – und war als solcher der wohl wichtigste Auslöser für die Gründung der UNO. Denn aus dem Leid des Krieges wollte man eine Lehre ziehen. Der Staat, "der während des Zweiten Weltkrieges Feind eines Unterzeichners der Charta war", solle kein Mitglied werden können, besagt die "Feindschaftsklausel" in der Charta der Vereinten Nationen. Obwohl es diese Klausel heute immer noch gibt, hat sich Deutschland inzwischen vom einstigen Feindstaat zum geachteten Mitglied entwickelt. Fast drei Jahrzehnte lang blieb den Deutschen der Zutritt verwehrt. 1973 wurden dann beide deutsche Staaten im "Minderstatus" in die UNO aufgenommen, nachdem sie sich schon lange in diversen Sonderorganisationen der Vereinten Nationen engagiert hatten. "Minderstatus" bedeutete, dass sich die Bundesrepublik Deutschland und die DDR nicht auf die in der Charta verankerte "souveräne Gleichheit aller ihrer Mitglieder" berufen konnten. Seit dem 3. Oktober 1990 ist Deutschland Vollmitglied.

Wenn es ums Geld geht, dann gehört Deutschland in der Tat schon heute zu den wichtigsten Mitwirkenden bei den Vereinten Nationen. Nur die USA und Japan zahlen noch mehr Beiträge an die UNO. Die Bundesrepublik hat seit der Wiedervereinigung stark an politischem Einfluss gewonnen, sie beteiligt sich zum Beispiel an zahlreichen UNO-Friedensmissionen. Zudem ist Deutschland "Sitzstaat", das bedeutet, dass in Deutschland zahlreiche Institutionen der Vereinten Nationen angesiedelt sind.

Seit es die UNO gibt, versucht sie sich immer wieder an Veränderungen anzupassen, um handlungsfähig zu bleiben. So wurde in den 70er Jahren das VN-System zum Beispiel verstärkt ausgebaut, eine Budgetreform erfolgte in den 80er Jahren. Generalsekretär Boutros-Ghali startete eine Modernisierung der Management- und Arbeitsstrukturen, durch die rund 2000 Posten gestrichen wurden. Kofi Annan hat in seiner Amtszeit an einer Reform des Sekretariats gearbeitet. Das Ziel: mehr Transparenz in den einzelnen Organisationen und Tätigkeitsbereichen. Ebenso müssen die Friedenseinsätze ständig der Realität angepasst werden, insbesondere seit dem weltpolitischen Umbruch 1990 und der Veränderung von Kriegen: Sie werden in der Regel nicht mehr international, sondern vielmehr innerhalb von Staaten geführt. Auch der derzeitige Generalsekretär Ban Ki Moon will sich wie sein Vorgänger Annan für eine Reform der Vereinten Nationen einsetzen.

Seit längerem wird auch die Reform des Sicherheitsrates diskutiert: Die veraltete Struktur, die noch die Machtverteilung nach dem Zweiten Weltkrieg widerspiegelt, soll einer ausgewogenen und umfassenden Vertretung aller Kontinente weichen. Dadurch sollen der Sicherheitsrat und die UNO insgesamt repräsentativer werden und international auf größere Akzeptanz stoßen.

Seit Anfang der 90er Jahre bemüht sich die Bundesrepublik um einen permanenten Sitz im Sicherheitsrat. Die Kanzlerin hat bei ihrem ersten Auftritt vor der UNO-Generalversammlung erklärt, dass Deutschland bereit sei, "auch mit der Übernahme eines ständigen Sicherheitsratssitzes mehr Verantwortung zu übernehmen". Sollte sich die Staatengemeinschaft irgendwann auf eine Reform des Sicherheitsrates einigen, dann dürfte die Aussicht auf einen ständigen Sitz im Gremium für Deutschland vielversprechend sein.

zu Frage 2.)
Aus militärischer Sicht war mit der Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 der Zweite Weltkrieg für das Deutsche Reich beendet. Rechtlich gesehen bestand der Kriegszustand jedoch auch nach der Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde fort.

Daher wurde im Sommer 1945 auf der Konferenz der drei Hauptsiegermächte des Zweiten Weltkrieges in Potsdam die Einrichtung eines Rates der Außenminister beschlossen, welcher Friedensverträge für Italien, Rumänien, Bulgarien, Ungarn und Finnland ausarbeiten sowie eine „friedliche Regelung für Deutschland“ vorbereiten sollte. Die sechs regulären Sitzungen dieses Gremiums (September 1945 bis Juni 1949) führten in der Frage des Friedensvertrages allerdings zu keiner Einigung. Denn sowohl die Anfänge der Westintegration der westlichen Besatzungszonen wie auch die forcierte Reparationspolitik und die Durchsetzung stalinistischer Herrschaftsstrukturen in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands schlossen eine Einigung ebenso aus, wie die wachsende politische Entfremdung zwischen den USA und den UdSSR. Die Wiederaufnahme von Gesprächen über einen Friedensvertrag auf Initiative der Sowjetunion in den 50er Jahren blieb wegen unvereinbarer Ziele der Siegermächte und der beiden deutschen Staaten ebenfalls ergebnislos.

Angesichts dieser Sachlage kann der „Zwei-Plus-Vier-Vertrag“ vom 12. September 1990 als Ersatz für einen Friedensvertrag gelten, dessen eigentlicher Titel „Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland“ deutlich macht, dass der Abschluss eines formellen Friedensvertrages nicht als notwendig angesehen wurde und politisch nicht gewollt war. So erklärte der damalige Außenminister Genscher, dass am Abschluss der Zwei-Plus-Vier-Verhandlungen etwas stehen müsse, „das nicht das ist, was man im klassischen Sinne einen Friedensvertrag nennt.“

Die vier Siegermächte des Zweiten Weltkrieges stimmten der Einheit Deutschlands im Zwei-Plus-Vier-Vertrag zu und gaben dem wiedervereinigten Staat seine volle Souveränität zurück. Die üblichen Regelungen eines Friedensvertrages wie die Beendigung des Kriegszustandes, die Rückführung von Kriegsgefangenen, die Zahlung von Reparationen und die Behandlung von weiteren, durch den Krieg aufgeworfenen Rechtsfragen waren nicht Bestandteil des Zwei-Plus-Vier-Vertrages.

Der Kriegszustand zwischen Deutschland und seinen Gegnern wurde - völkerrechtlich betrachtet - durch schlüssiges Verhalten der beteiligten Parteien beendet. Das Völkerrecht erachtet es nämlich für ausreichend, dass zur Einstellung der Feindseligkeiten der stillschweigende Wille der bisherigen Gegner hinzutritt, den Krieg endgültig zu beenden und friedliche Beziehungen wieder aufzunehmen. Da es Unsicherheiten gab, zu welchem Zeitpunkt der Wille zur Beendigung des Zweiten Weltkrieges bei anderen Staaten vorlag, ist die Beendigung des Kriegszustandes spätestens Mitte der 50er Jahre eingetreten. Somit war die Hauptfunktion eines Friedensvertrages vor Abschluss des Zwei-Plus-Vier-Vertrages bereits erfüllt. Daher wäre ein Friedensvertrag nur notwendig gewesen, um die übrigen Modalitäten zu klären.

Tatsächlich wurden die durch den Krieg bedingten Rechtsfragen aber durch mehrere völkerrechtliche Verträge geklärt. So war es der Bundesrepublik Deutschland mit der Revision des Besatzungsstatutes am 6. März 1951 schon möglich, selbständig diplomatische Beziehungen aufzunehmen. Mit der Aufhebung des Besatzungsstatutes am 5. Mai 1955 erhielt die Bundesrepublik ohne Einschränkungen die Souveränität zurück. Ebenso hatte Deutschland auch ohne Friedensvertrag zahlreiche Reparationen geleistet.

Folglich hätte sich eine Argumentation für die Notwendigkeit des Abschlusses eines Friedensvertrages nur auf nicht geleistete Reparationen und sicherheitspolitische Inhalte stützen können. Nicht alleine der Zwei-Plus-Vier-Vertrag ersetzte einen Friedensvertrag, vielmehr wurde die Notwendigkeit eines ausdrücklichen Friedensvertrages für Deutschland durch die Wiederaufnahme von friedlichen Beziehungen und durch eine Vielzahl von völkerrechtlichen Einzelverträgen erfüllt. Ich hoffe, dass ich Ihrem Anliegen mit den obigen Ausführungen hinreichend gerecht werden konnte und verbleibe

mit freundlichen Grüßen
Ingo Schmitt