Frage an Jan Philipp Albrecht bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

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Jan Philipp Albrecht
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Frage von Jakobine E. •

Frage an Jan Philipp Albrecht von Jakobine E. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Guten Tag, was tun Sie gegen die Agrar-Subventionen und die Massentierhaltung um dadurch u.a. den Welthunger zu beenden?
Die Industriestaaten, mit hohen Bevölkerungsdichten, bringen ihre Lebensmittel in weniger besiedelte Gebiete, dadurch wird die regionale ökologische Landwirtschaft weltweit zerstört.
Folgen der Agrar-Subventionen: Milchseen, Butterberge, Fleischlager, Überdüngung, Fleischskandale, verseuchtes Tierfutter, Tierquälerei, Seuchen, hungernde Bauern, usw.
Der Aufkauf und die Lagerhaltung der EU von Lebensmitteln ist ein Instrument des Überschuss- und Exportmanagements von Massenprodukten.
Der Irrglaube die Massentierhaltung sei notwendig wird von denjenigen, die davon profitieren erfolgreich propagiert.
Die Umkehr in der Agrarpolitik ist notwendig für eine umwelt- und tierschutzgerechte Landwirtschaft, dies ist wissenschaftlich seit Jahren bewiesen. Regionale Lebensmittelversorgung ist weltweit möglich und sichert vielen eine Existenzgrundlage.
Dauerhafte Proteste der Bevölkerung werden von den Regierungen ignoriert, aus egoistischen und profitsüchtigen Interessen.
Die Massentierhaltung,
1. bereitet den Tieren ein Leben voller Schmerz und Leiden, das ist gesetzeswidrig.
2. ist ein Brutkasten für Krankheitserreger,
3. bringt Antibiotika in unsere Lebensmittel,
4. verschwendet Steuergelder unter anderem durch Flächen- Betriebsprämien, Export- und Überschussmanagement,
5. zerstört die Existenzgrundlage von ökologisch wirtschaftenden Bauer,
6. tötet viele Tiere in den Mastställen und beim Transport der teils tausende Kilometer beinhaltet.
7. Durch die hohen Subventionen für den Export, durch Tier- und Sonderprämien, ist es den Betreiber der Massentierhaltung egal ob die Tiere lebendig ankommen oder in welchem Zustand sie sich befinden, denn für ihn lohnt sich das Geschäft vor dem Verkauf der Tiere.
8. Die Gesetze der EU und OECD begünstigen die Agrarfabriken, dadurch hat sich der Welthunger in den letzten Jahren verdreifacht, die Weltbevölkerung nicht.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Jakobine Engel,

Vielen Dank für Ihre Anfrage zu den Themen Agrarreform, Welternährung und Massentierhaltung. Ich freue mich sehr, dass Sie sich für diese wichtigen Themen interessieren. Ich möchte ihnen nach Rücksprache mit meinem Kollegen Martin Häusling, Agrar-Experte der Grünen Europafraktion, eine möglichst zufriedenstellende Antwort geben. Da es nicht ganz einfach ist, alle Themen in einen kurzen Text zu packen, habe ich unten einige Dokumente verlinkt, in denen Sie unsere Position und konkreten Initiativen vertieft nachlesen können.

Ein zentraler von Ihnen genannter Punkt ist die derzeitige Debatte um die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2015. Diese Reform ist dringend notwendig. Die bisherige Verteilung der Subventionen hat dazu geführt, dass sich ein Strukturwandel in der Landwirtschaft vollzieht. Immer mehr Betriebe geben auf, die verbleibenden werden größer. Dies zeigt sich vor allem auch in der Tierhaltung. Land auf, Land ab nehmen die Tierfabriken zu.

Die Intensivierung wird immer weiter vorangetrieben, mit sich wiederholenden Argumenten. Es wird argumentiert, dass die Landwirtschaft nur durch eine Intensivierung wirtschaftlich überlebensfähig bleibt. Zum anderen wird der Hunger in den Entwicklungsländern vorgeschoben, der eine Produktionssteigerung bei uns nötig mache. Beide Argumente sind aus unserer Sicht absurd. Der derzeitige Strukturwandel zeigt, dass Betriebe trotz (oder wegen) der stetigen Industrialisierung der Landwirtschaft eben nicht überleben können. Zudem sind bisher die entstehenden Umweltkosten (Verschmutzung von Luft, Wasser, Boden, Verlust von Biodiversität, etc.) nicht Teil der Rechnung.

Außerdem stellt sich die Frage, wie lange diese Betriebe am Weltmarkt durchhalten. Bereits jetzt zeigt z.B. der Putenmarkt erste Sättigungserscheinungen. Geflügelbetriebe müssen sich fragen, ob sie ernsthaft und dauerhaft mit der Geflügelproduktion in Brasilien mithalten können. Und wir als Gesellschaft müssen uns überlegen, ob wir diese Form der Produktion - die Umwelt, Natur und Tiere stark belastet - durch finanzielle Unterstützung mittragen wollen.

Das andere Argument, "wir ernähren die Welt", ist nicht weniger bedenklich. Zum einen importieren wir große Mengen an Eiweißfuttermitteln insbesondere aus Südamerika für unsere Tierfabriken. Sollte diese Quelle einmal wegfallen, werden Schweinemäster in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern große Probleme bekommen. In den Herkunftsländern werden -entgegen anderer Behauptungen- immer noch Regenwälder gerodet und Menschen von ihren Flächen vertrieben. Mit unseren Dumpingexporten an Hühnchenteilen oder Milchpulver zerstören wir die Märkte der Entwicklungsländer oder verhindern deren Entwicklung.

Dies alles zeigt: eine Agrarreform ist dringend notwendig. Wir setzen uns dafür ein, dass nur noch jene Betriebe Subventionen erhalten, die natur- und umweltgerecht wirtschaften und besondere Leistungen für Biodiversität und Tierschutz erbringen. Derzeit ringt das Europäische Parlament um seine Position. Der von Albert Deß, einem CSU-Abgeordneten, erstellte Bericht reicht hierzu aus unserer Sicht nicht aus. Wir haben daher eine Vielzahl von Änderungsanträgen eingebracht. Einen ersten kleinen Erfolg gibt es schon: Der Landwirtschaftsausschuss hat sich für eine Deckelung der Zahlungen ausgesprochen. Betriebe, die durch ihre arbeitsintensiveren ökologische und tiergerechte Wirtschaftsweise besonders viele Arbeitskräfte benötigen, sollen den Betrag aufstocken können. Näheres dazu können Sie in unserer Pressemitteilung http://www.gruene-europa.de/cms/default/dok/381/381822.reform_der_gemeinsamen_agrarpolitik@en.htm und Martin Häustlings Positionspapier http://www.martin-haeusling.de/index.php?option=com_content&view=article&id=130:positionspapier-von-greenefa&catid=38:gap-nach-2013&Itemid=129 nachlesen.

An der Verbesserung der Bedingungen in der Tierhaltungen arbeiten wir Grüne an verschiedenen Stellen. Der größere Teil passiert allerdings auf nationaler Ebene, da hier auch letztendlich die Vorgaben der EU konkret umgesetzt werden. Auf EU-Ebene hat das Europäische Parlament erst kürzlich mit einem Entschließungsantrag seine Besorgnis über die zunehmenden Antibiotika-Resistenzen zum Ausdruck gebracht und die EU-Kommission zum Handeln aufgefordert http://www.martin-haeusling.de/index.php?option=com_content&view=article&id=166:problematik-der-massentierhaltung-konsequent-begegnen-&catid=17:pressemitteilungen&Itemid=68 . Langfristig geplant ist auch ein Europäisches Tierschutzgesetz, allerdings ist es nicht ganz einfach, die verschiedenen Tierschutzstandards der Mitgliedsländer unter einen Hut zu bringen. Insofern bleibt abzuwarten, was dabei herauskommt.

Die Bundestagsfraktion arbeitet schon seit geraumer Zeit an einem neuen Tierschutzgesetz mit verbesserten Haltungsbedingungen, das voraussichtlich im Herbst diesen Jahres eingebracht werden soll, dieses finden Sie hier: http://www.gruene-bundestag.de/cms/publikationen/dokbin/285/285954.reader_tierschutz_neu_denken_entwurf_ein.pdf . Ebenfalls auf nationaler Ebene haben die Grünen einen Gesetzesentwurf in den Bundestag eingebracht, um der großzügigen Bewilligung von Tierhaltungsanlagen im Außenbereich über eine in unseren Augen zu laxe Auslegung des §35 Baugesetzbuch zum privilegierten Bauen einen Riegel vorzuschieben http://www.gruene-bundestag.de/cms/agrar/dok/338/338862.massentierhaltung_per_gesetz_stoppen.html . Der Antrag wurde jedoch abgelehnt. Ebenso wird es vermutlich dem Antrag "Intensive Nutztierhaltung überprüfen" http://dip.bundestag.de/btd/17/050/1705047.pdf ergehen, der bereits im Landwirtschaftsausschuss des Bundestages abgelehnt wurde und über den voraussichtlich im Juni im Plenum abgestimmt werden wird.

Unsere Lebensmittel nachhaltig und tiergerecht zu erzeugen und gleichzeitig den Bauern hier und in den Entwicklungsländern die Möglichkeit zu geben, ihr Einkommen zu erwirtschaften, ist eine Grünes Kernanliegen. Daher werden ich mich auf allen Ebenen dafür einsetzen.

Herzlichen Gruß aus Brüssel,

Jan Philipp Albrecht