Frage an Jens Ackermann von Thomas B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Ackermann,
christliche Fundamentalisten halten ihren Glauben für den einzig wahren. Die Bibel ist Glaubensgrundlage und gleichzeitig strenges Regelwerk für den Alltag. Andere Religionen lehnen sie ab, alle Nichtchristen wollen sie bekehren. Homosexualität gilt als Sünde. Sex vor der Ehe ist verpönt. Die Evolutionstheorie stellen sie in Frage. Und bibeltreue Lobbyvereine bemühen sich um Einfluss auf Politik und Medien.
Nun berichten Medien und der Autor Daniel Leisegang Anfang Juni 2010 über den Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten, den niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU), dass dieser aktiv die Missionarsbewegung „Pro Christ“ unterstütze und findet, dass sei ein “dunkler Fleck auf seiner ansonsten farblosen Weste”.
Erst vor wenigen Tagen, am 19. Mai 2010, hatte der katholische Ministerpräsident auf einer Tagung der umstrittenen Organisation „Arbeitskreis Christlicher Publizisten“ (ACP) eine Rede gehalten. „ProChrist“ wie auch der ACP widersetzten sich der „Verwässerung der biblischen Botschaft“ und würden für “fundamentalistische Standpunkte” eintreten, so Leisegang. “Sie befürworten den Kreationismus, hetzen gegen Homosexualität und lehnen Abtreibungen strikt ab”, schreibt er weiter. Sektenbeauftragte kritisierten demnach auch, dass sich der ACP mehr oder weniger direkt gegen den säkularen Verfassungsstaat ausspreche und bisweilen auch die Nähe zu rechtsextremen Parteien suche.
Wie stehen Sie als liberaler Abgeordneter zum Kandidaten Christian Wulff? Ist er für Sie als Bundespräsident wählbar?
Ich bitte um eine Stellungnahme.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Bautzer
Sehr geehrter Herr Bautzer,
haben Sie herzlichen Dank für Ihr umfassendes Anschreiben und Ihre Frage.
Zunächst möchte ich sagen, dass ich die Arbeit des ACP nicht einschätzen kann. Gleichwohl möchte ich Ihnen auf die Frage antworten, ob Herr Wulff als Bundespräsident wählbar ist.
Erst am Dienstag dieser Woche hat Herr Wulff die FDP-Bundestagsfraktion besucht. Dabei ist er mit großer Sympathie und Unterstützung sowie mit viel Beifall empfangen worden. Wir haben festgestellt, dass es eine breite gemeinsame Wertebasis gibt und dieses Gespräch hat uns noch einmal gezeigt, dass wir mit Christian Wulff einen überzeugenden Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten haben.
Herr Wulff hat in unserer Fraktion natürlich Fragen beantwortet, so wie das immer bei den Liberalen ist. Diese Fragen hat er sehr überzeugend beantwortet. Er hat deutlich gemacht, dass er ökonomischen Sachverstand mitbringt, was gerade in der heutigen Zeit von großer Bedeutung ist. Er hat sehr kenntnisreich auf unsere Fragen der Kollegen aus den neuen Bundesländern geantwortet und deutlich gemacht, welche Veränderungsbereitschaft und welche Leistung die Menschen aus den neuen Bundesländern in den letzten 20 Jahren in unser Land eingebracht haben und was sie alles zum Zusammenwachsen beigetragen haben. Dies ist mir als Abgeordneter aus Sachsen-Anhalt sehr wichtig.
Wir haben mit Christian Wulff einen Kandidaten, der gesellschaftlichen Veränderung aufgeschlossen ist, der bereit ist, auch mit allen gesellschaftlichen Gruppen in Diskurs zu treten, das haben wir heute sehr wohltuend in der FDP-Bundestagsfraktion bei unserem Gespräch empfunden. Ich bin überzeugt, dass er am 30. Juni mit einer großen Mehrheit zum Bundespräsidenten gewählt werden wird.
Abschließend können Sie sicher sein, dass in der FDP kein Platz für Menschen die gegen Homosexualität hetzen. Im Gegenteil: Die FDP setzt sich für die Gleichstellung von Lebenspartnerschaften ein.
Ich hoffe, Ihre Frage beantwortet zu haben und verbleibe mit den besten Wünschen
Ihr
Jens Ackermann