Frage an Jens Ackermann bezüglich Gesundheit

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Jens Ackermann
FDP
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Frage von Erik W. •

Frage an Jens Ackermann von Erik W. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Ackermann,

ich hätte eine Frage an Sie als Vertreter der Großen Koalition im Gesundheitsausschuss.

Heute steht in der Zeitung, dass die Große Koalition sämtliche Aussagen der Vergangenheit, dass die Prämien der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht angehoben werden sollen, ad acta gelegt wurden, und dass beim Beitragssatz kräftig zugelangt werden soll. Des Weiteren will man die Möglichkeit von Zusatzbeiträgen "weiterentwickeln", sprich ausbauen und erhöhen. Insbesondere die freiwillig Versicherten sollen mit einem möglichen Zusatzbeitrag von knappen 100 Euro ordentlich gerupft werden.

Ich bin freiwillig Versicherter, weil ich die Meinung habe, dass wir in D nicht die Verhältnisse der USA haben wollen und dass jede Versicherung halt Netto-Empfänger und Netto-Zahler hat. Ich bin seit langer langer Zeit Netto-Zahler.

Ich finanziere mit meiner Einstellung -die man auch als Dummheit qualifizieren könnte- folgende Personengruppen:
- Die Hausfrau des Firmeninhabers, die in der eigenen Firma mit zehn Stunden die Woche angestellt ist und deren Ehemann.
- Die Hausfrau, die offiziell keine Tätigkeit hat, "nebenbei" aber ordentliches Geld schwarz verdient und deren Arbeitgeber.
- Den Beamten, den Gutverdiener und den Politiker, die sich wegen Reichtum aus der GKV oder qua Amt aus der GKV verabschiedet haben.
- Die Leiharbeitsfirmen, die dank der christlichen Gewerkschaften Hungerlöhne zahlen dürfen.

Zum Dank für meine Dummheit will die Große Koaliton mich künftig knappe 100 Euro Zusatzbeiträge zahlen lassen.

Denken Sie, dass ich noch lange der GKV angehören werde? Können Sie mir einen vernünftigen Grund nennen, weshalb ich nicht wechseln sollte? Gibt es einen Grund, weshalb gerade die freiwillig Versicherten die GKV retten sollten? Denken Sie nicht, das wäre eine Aufgabe auch und gerade für diejenigen, die sich schon längst aus diesem System verabschiedet haben?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Wille,

haben Sie vielen herzlichen Dank für Ihre Mail, die ich versuchen möchte zu beantworten.

Wir haben ein Gesundheitssystem, um das uns andere Länder beneiden: Die Patienten genießen eine sehr gute medizinische Versorgung, bei im internationalen Vergleich moderaten Ausgaben. Mit dem demografischen Wandel und dem medizinisch-technischen Fortschritt steht dieses Gesundheitswesen jedoch vor großen Herausforderungen. Jedem muss klar sein, dass dadurch die Kosten eher steigen als sinken werden. Das Gesundheitswesen braucht eine solide Basis, um für diese Herausforderungen – ohne irgendwann zu Abstrichen bei Leistungen und Qualität gezwungen zu sein – gewappnet zu sein. Hierzu hat die schwarz-gelbe Regierungskoalition mit den von Ihnen angesprochenen Eckpunkten die richtigen Weichen gestellt. Die Eckpunkte sind ein guter Kompromiss für ein zukunftsfestes und leistungsstarkes Gesundheitssystem.

Mit den Eckpunkten verbinden wir eine strukturelle Neuordnung des Gesundheitswesens mit fairen und gleichmäßig verteilten Ausgabenbegrenzungen. Dabei wird die Qualität der Versorgung nicht gefährdet oder Leistungen beschränkt. Zugleich führen wir den einkommensabhängigen Kassenbeitrag auf das Niveau vor der Wirtschafts- und Finanzkrise zurück. Die Absenkung des einkommensabhängigen Beitrages auf Pump ist nun nicht mehr erforderlich.

Es ist uns gelungen, die Finanzierung der Gesundheitskosten von den Arbeitskosten abzukoppeln und damit auf eine stabile und verlässliche Grundlage zu stellen: Künftig sollen Ausgabensteigerungen in der gesetzlichen Krankenversicherung über einkommensunabhängige Zusatzbeiträge finanziert werden. Eine schlechtere konjunkturelle Entwicklung und eine hiermit verbundene höhere Arbeitslosigkeit haben nicht mehr zwangsläufig Einnahmeausfälle für die gesetzliche Krankenversicherung zur Folge. Der Arbeitgeberanteil wird darüber hinaus nun bei 7,3 Beitragssatzpunkten festgeschrieben. Beschäftigungschancen werden damit nicht mehr durch steigende Krankenversicherungsbeiträge gefährdet.

Jede Krankenkasse entscheidet künftig selbst, in welcher Höhe sie von ihren Mitgliedern Zusatzbeiträge als festen Euro-Betrag erhebt. Er ist von allen Mitgliedern in gleicher Höhe direkt an die jeweilige Krankenkasse zu zahlen. Mit diesem einkommensunabhängigen Zusatzbeitrag erhalten die gesetzlichen Krankenkassen wieder mehr Beitragsautonomie und damit größere Spielräume im Sinne ihrer Versicherten und Patienten. Es wird für diese künftig leichter, Preis und Leistung ihrer Krankenversicherung miteinander zu vergleichen. Der Wettbewerb zwischen den Krankenkassen um eine gute und kostengünstige Versorgung wird gestärkt. Dies dürfte vor allen Dingen für Sie als freiwilliger Versicherter interessant sein, so dass Sie nun - mit Blick auf Ihre Frage - zunächst einfach einmal die möglichen Angebote kritisch miteinander vergleichen sollten. Denn letztlich obliegt Ihnen die Entscheidung eines Wechsels völlig alleine. Jetzt wird Ihnen jedoch mehr Transparenz bei den Angeboten ermöglicht.

Die FDP-Bundestagsfraktion hat immer hervorgehoben, dass ein stärker einkommensunabhängig finanziertes Krankenversicherungssystem mit einem sozialen Ausgleich verbunden werden muss. Insbesondere die Bezieher geringer Einkommen müssen wirksam vor Überforderung geschützt werden. Aktuell kann ein pauschaler Zusatzbeitrag von acht Euro ohne irgendeine Form des Ausgleiches erhoben werden. Dies belastet gering verdienende Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung überproportional.

Wir haben deshalb nun vereinbart, dass von Anfang an geprüft werden soll, ob das Mitglied durch einen Zusatzbeitrag überfordert wird: Übersteigt der durch das Bundesversicherungsamt (BVA) jährlich berechnete durchschnittliche Zusatzbeitrag 2 Prozent des individuellen beitragspflichtigen Einkommens, wird er sozial ausgeglichen. Dieser gerechtere Ausgleich wird unbürokratisch umgesetzt und findet direkt bei den Arbeitgebern und den Rentenversicherungsträgern statt, indem der einkommensabhängige Beitrag des Mitglieds entsprechend reduziert wird. Beim Mitglied wirkt sich der soziale Ausgleich damit als höheres Netto-Entgelt aus. Der soziale Ausgleich orientiert sich am durchschnittlichen Zusatzbeitrag und nicht am jeweiligen Zusatzbeitrag der gewählten Krankenkasse. Die Mitglieder haben damit den Anreiz, sich für eine günstige oder eine etwas teurere Krankenkasse mit z. B. besserem Service zu entscheiden. Finanziert wird der soziale Ausgleich aus Steuermitteln. Steuererhöhungen sind dafür nicht erforderlich.

Zum Schluss sende ich Ihnen noch zwei Beispiele, die den Grundmechanismus des neuen sozialen Ausgleichs darstellen.

Die momentane Deckelung des Zusatzbeitrages stellt darüber hinaus Krankenkassen mit vielen gering verdienenden Mitgliedern vor ein erhebliches Problem: Ihrer Finanzierung über Zusatzbeiträge sind Grenzen gesetzt. Sie befürchten, die notwendigen Finanzmittel zur Finanzierung ihrer Leistungsausgaben nicht erheben zu können. Diese, teilweise bereits Existenz bedrohende Schieflage wird durch das Ersetzen der Deckelung durch die oben geschilderte Belastungsgrenze gelöst.

Weitere, von der FDP-Bundestagsfraktion seit Langem geforderte strukturelle Maßnahmen wie eine Reform der ärztlichen Vergütung und einer Ausweitung der Kostenerstattung werden wir nun zügig angehen. Ziel der FDP-Bundestagsfraktion ist ein wettbewerbliches Gesundheitssystem, das Wahlfreiheit ermöglicht und eine stabile Basis für künftige Herausforderungen gewährleistet.

Beispiele zum sozialen Ausgleich

Beispiel 1: Bruttoeinkommen von 500 Euro, durchschnittlicher Zusatzbeitrag von 15 Euro

Bruttoeinkommen: 500 Euro
Fiktiver Versichertenbeitrag (8,2%): 41 Euro
Belastungsgrenze (2%): 10 Euro
Durchschnittlicher Zusatzbeitrag: 15 Euro
Sozialausgleich: 5 Euro (= 15-10 Euro)
Abgeführter Versichertenbeitrag: 41 Euro – 5 Euro = 36 Euro

Das höhere ausgezahlte Netto-Entgelt gleicht die Überlastung durch den Zusatzbeitrag aus.

Beispiel 2: Bruttoeinkommen von 500 Euro, durchschnittlicher Zusatzbeitrag von 5 Euro

Bruttoeinkommen: 500 Euro
Fiktiver Versichertenbeitrag (8,2%): 41 Euro
Belastungsgrenze (2%): 10 Euro
Durchschnittlicher Zusatzbeitrag: 5 Euro
Sozialausgleich: 0 Euro
Abgeführter Versichertenbeitrag: 41 Euro

Die Belastungsgrenze wird durch den durchschnittlichen Zusatzbeitrag nicht überschritten. Damit ist kein Ausgleich erforderlich.

Weitere ausführliche Informationen finden Sie dabei auch unter:
http://www.bmg.bund.de/SharedDocs/Standardartikel/DE/AZ/G/Glossar-Gesundheitsreform/FAQ-Buerger-Gesundheitsreform.html

Ich hoffe, Ihnen einen Überblick über Hintergrund und Motivation unserer Entscheidungen dargelegt zu haben, gern bin ich natürlich jederzeit wieder Ansprechpartner. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie eine schöne Sommerzeit.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr
Jens Ackermann