Frage an Jens Kerstan bezüglich Arbeit und Beschäftigung

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Jens Kerstan
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Frage von Isabel A. •

Frage an Jens Kerstan von Isabel A. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Kerstan,

A Mindestlohn
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Seit dem 1.1.2015 gilt Deutschlandweit der Mindestlohn von 8,50 Euro/h.
Jedoch ist der Mindestlohn nicht Flächendeckend gültig, so gilt dieser bspw. nicht für Minderjährige.
Ebenso ist erst nach 2016 eine Anhebung des Mindestlohnes im Rahmen eines Inflationsausgleiches vorgesehen.

1) Wie stehen Sie zu der Einführung eines Gesetzlichen Mindestlohnes?
2) Wie soll Ihrer Meinung nach in Zukunft mit den jeweiligen Ausnahmen verfahren werden?
3) Halten Sie den Mindestlohn von 8,50 € für ausreichend, um den Lebensunterhalt zu bestreiten?
4) Wie soll sich der Mindestlohn perspektivisch entwickeln und wie werden Sie darauf hinwirken?

B Mindestausbildungsvergütung
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Überwiegend arbeiten Jugendliche und junge Erwachsene in Ihrer Ausbildung weit unterhalb einer Armutsgrenze.
Sie können ihr Leben nicht aus der eigenen Arbeit finanzieren. Dies beeinflusst die Wahl des Ausbildungsbetriebes, der dann nach der Nähe zum Wohnort der Eltern ausgewählt wird, da man sich nur schwer eine eigene Wohnung leisten kann, und schränkt die Möglichkeiten ein, selbstbestimmt das eigene Leben zu gestalten.

1) Setzen sie sich dafür ein, dass Auszubildende und dual Studierende eine existenzsichernde Mindestausbildungsvergütung erhalten? Wenn ja, welche Höhe streben Sie hierbei an. Wenn nein, warum nicht?
2) Welche Konzepte entwickeln Sie darüber hinaus, um Auszubildende finanziell zu Unterstützen, bzw. zu entlasten?
3) Soll auf lange Frist gesehen darüber nachgedacht werden, den Mindestlohn auch in der Ausbildung geltend zu machen? Warum/ Warum nicht?

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Artus,

vielen Dank für Ihre Fragen, zu denen ich gerne Stellung nehme:

A Mindestlohn
Seit dem 1.1.2015 gilt Deutschlandweit der Mindestlohn von 8,50 Euro/h. Jedoch ist der Mindestlohn nicht flächendeckend gültig, so gilt dieser bspw. nicht für Minderjährige. Ebenso ist erst nach 2016 eine Anhebung des Mindestlohnes im Rahmen eines Inflationsausgleiches vorgesehen.

1) Wie stehen Sie zu der Einführung eines Gesetzlichen Mindestlohnes?

Grundsätzlich bewerten wir die bundesgesetzliche Einführung des Mindestlohns positiv. Als Erfolg kann er aber erst gelten, wenn er überall durchgesetzt werden kann. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass dafür Kontrollen gerade am Anfang unerlässlich sind. Anderenfalls droht der Schutz vor Lohndumping auf der Strecke zu bleiben. Nur Kontrollen machen unmissverständlich klar, dass die Unterwanderung des Mindestlohngesetzes nicht akzeptiert wird. Noch ist nicht zuverlässig geregelt, wie die Kontrolle im Einzelnen funktionieren soll.

2) Wie soll Ihrer Meinung nach in Zukunft mit den jeweiligen Ausnahmen verfahren werden?
Den Ausschluss von Langzeitarbeitslosen, Jugendliche, Zeitungsausträgern und Saisonarbeitern kritisieren wir.  Die Ausnahmen sind ungerecht und können zum Einfallstor zur Umgehung des Mindestlohns werden.

3) Halten Sie den Mindestlohn von 8,50 € für ausreichend, um den Lebensunterhalt zu bestreiten?

Ziel des Mindestlohngesetztes ist sicherzustellen, dass alleinstehende Vollzeitbeschäftigte von ihrem Lohn leben können, ohne auf ergänzendes Arbeitslosengeld II angewiesen zu sein. Entsprechend muss die Mindestlohnhöhe in regelmäßigen Abständen angepasst werden. Die Bundesregierung hat den Mindestlohn bis 2017 eingefroren. Das kritisieren wir ebenso wie die Zusammensetzung der Mindestlohn-Kommission. Im Gegensatz zu z.B. Großbritannien wird die Wissenschaft nicht Teil der Kommission sein.

4) Wie soll sich der Mindestlohn perspektivisch entwickeln und wie werden Sie darauf hinwirken?

Der Mindestlohn muss in maximal Zweijahresabständen an die Lebenshaltungskosten angepasst werden. Um eine neutrale Berechnung unabhängig von tarifpolitischen Auseinandersetzungen zu gewährleisten, wäre das Hinzuziehen der Wissenschaft sinnvoll. Wir werden das weiter fordern.

B Mindestausbildungsvergütung

Überwiegend arbeiten Jugendliche und junge Erwachsene in Ihrer Ausbildung weit unterhalb einer Armutsgrenze. Sie können ihr Leben nicht aus der eigenen Arbeit finanzieren. Dies beeinflusst die Wahl des Ausbildungsbetriebes, der dann nach der Nähe zum Wohnort der Eltern ausgewählt wird, da man sich nur schwer eine eigene Wohnung leisten kann, und schränkt die Möglichkeiten ein, selbstbestimmt das eigene Leben zu gestalten.

1) Setzen sie sich dafür ein, dass Auszubildende und dual Studierende eine existenzsichernde Mindestausbildungsvergütung erhalten? Wenn ja, welche Höhe streben Sie hierbei an. Wenn nein, warum nicht?

Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass Ausbildungsvergütungen keine Arbeitslöhne sind und insofern auch nicht am Mindestlohn orientiert sein müssen. In der Ausbildung sollen die Jugendlichen praktisch lernen und keine Vollzeit-Fachkräfte ersetzen. Wir setzen uns für gute Ausbildungsbedingungen ein.

Das Argument, dass Jugendliche angesichts des neuen Mindestlohngesetzes und bei gleichzeitig geringen Ausbildungsvergütungen motiviert werden könnten, statt einer Ausbildung einfach zu jobben, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Vor allem kleinere Ausbildungsbestriebe könnten sich aber höhere Ausbildungsvergütungen nicht leisten und würden ggf. als Konsequenz gar keine Ausbildungsplätze mehr anbieten. Trotzdem ist es natürlich problematisch, wenn Auszubildende auf Transferleistungen angewiesen sind. Besonders schwierig ist zudem, dass   männerdominierte Ausbildungsberufe (v.a. in der Industrie) wesentlich besser vergütet werden und Frauen dadurch strukturell benachteiligt werden und in Ausbildungsberufen sehr große regions- und branchenspezifische Unterschiede bestehen.

2) Welche Konzepte entwickeln Sie darüber hinaus, um Auszubildende finanziell zu unterstützen, bzw. zu entlasten?

Wir setzen auf Bafög und andere staatliche Unterstützung der Auszubildenden.

3) Soll auf lange Frist gesehen darüber nachgedacht werden, den Mindestlohn auch in der Ausbildung geltend zu machen? Warum/ Warum nicht?

Siehe Antwort auf Frage 1.

Mit freundlichen Grüßen,

Jens Kerstan