Frage an Jerzy Montag bezüglich Arbeit und Beschäftigung

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Jerzy Montag
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Frage an Jerzy Montag von Michael S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Montag,

wegen einer offensichtlichen Gerechtigkeitslücke wird das Bundesverfassungsgericht die derzeitige Regelung der Pendlerpauschale höchst wahrscheinlich für ungültig erklären. Auch mir als Nicht-Auto-Besitzer leuchtet nicht ein, warum Berufspendler, die in der Nähe ihres Arbeitsortes ( Entfernung 0 bis 19 Kilometer ) leben, wohnen und einkaufen steuerlich anders behandelt werden, als Arbeitnehmer, die täglich 100 Kilometer unterwegs sind.

Da ich in der aktuellen Pendlerpauschale weder ein verkehrspolitisches noch umweltpolitisches Steuerungselement erkennen kann, bitte ich Sie um eine Einschätzung nachfolgender Idee (die Sie natürlich gern übernehmen dürfen):

A) Rückkehr zur "alten" Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer, bei reduziertem "Pro-Kilometer-Satz" - somit Kostenneutralität (da dürfte auch Finanzminister Peer Steinbrück nichts dagegen haben).

oder

B) Ein an den derzeitigen Ausgaben für die Pendlerpauschale sich orientierender "Pendlerfreibetrag" für alle Einkommenssteuerpflichtigen. Neben der Kostenneutralität ergäbe sich ein erfreulicher Zusatznutzen: eine Vereinfachung der Einkommenssteuererklärung.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Schropp

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Schropp,

auch wir Grüne sind der Meinung, dass die derzeit geltende Regelung der Entfernungspauschale nicht verfassungskonform ist. Die letztjährigen Urteile des niedersächischen & saarländischen Finanzgerichts sowie des Bundesfinanzhofes, dass die Kürzung der Pendlerpauschale gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Artikel 3 des Grundgesetzes verstößt, sind deutliche Hinweise, dass die Neuregelung der Großen Koalition überaus skeptisch zu sehen ist. Wenn der Staat die Prämie zahlt, dann muss er dies auch ab dem ersten Kilometer und für alle tun. Aber Vorschläge, wie die von CSU-Chef Huber, die Pauschale mit 30 Cent wieder ab dem ersten Kilometer einzuführen, sind nicht nur höchst populistisch, sondern auch nicht finanzierbar. Wir haben stets für eine einheitliche Entfernungspauschale auf niedrigerem Niveau plädiert, die für jeden Verkehrsträger und jeden zurückgelegten Kilometer gleich hoch wäre.

Denkbar wäre in diesem Fall nur - wie auch Sie vorschlagen - ein reduzierter Kilometerbetrag wie etwa 15 Cent. Für diesen Betrag setzen wir Grüne uns ein. Denn wir halten es für dringend nötig, Subventionen und staatliche Vergünstigungen abzubauen und eine ökologische Steuerungsfunktion wahrzunehmen. Insoweit halten wir es grundsätzlich für richtig, dass auch und gerade bei der Entfernungspauschale Abstriche vorgenommen werden. Die Entfernungspauschale fördert Zersiedelung - deswegen sprechen manche von einer "Zersiedelungsprämie" - und Flächenverbrauch, sie gibt Anreize für immer längere Pendeldistanzen. Dies führt zu höheren Belastungen für unsere Verkehrssysteme und damit die Umwelt. Grundsätzlich stellt sich auch die Frage, ob die Wahl des Wohnortes und damit der Pendeldistanz zum Arbeitsort nicht in erster Linie eine private Entscheidung ist und daher außerhalb staatlicher Steuerungsmechanismen liegen sollte. Das teurere, aber verkehrsgünstige Wohnen innerhalb der Stadt wird ja auch nicht steuerlich gefördert.

Es ist zu begrüßen, dass die Entscheidung des BFH bereits jetzt dazu führt, dass wieder alle Entfernungskilometer als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte eingetragen werden können. Außerdem sollen die Steuerbescheide 2007 in Bezug auf die Pendlerpauschale vorläufig sein. Damit wurde die drohende Einspruchsflut abgewendet. Damit ist es aber nicht getan: Rund 11 Mio. Bürgerinnen und Bürger sind von der verfehlten Kürzung der Pendlerpauschale betroffen. Sie brauchen jetzt Rechtssicherheit durch eine verfassungskonforme gesetzliche Regelung, wie ihre Fahrkosten zur Arbeit ab dem ersten Kilometer steuerlich anerkannt werden. Angesichts der offenkundigen Verfassungswidrigkeit der Streichung der ersten 20 Entfernungskilometer kann es nicht sein, dass der Bundesfinanzminister Steinbrück das Problem auf dem Rücken der Steuerpflichtigen aussitzt und weiter auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes wartet. Denn dem Bundesverfassungsgericht liegt die Pendlerpauschale zwar bereits zur Prüfung vor, eine Entscheidung wird allerdings frühestens dieses Jahr getroffen werden. Die Entfernungspauschale muss deshalb so bald als möglich verfassungskonform und aufkommensneutral neu geregelt werden.

Beste Grüße,
Jerzy Montag