Frage an Joachim Pfeiffer bezüglich Innere Sicherheit

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Joachim Pfeiffer
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Frage von Wolfgang M. •

Frage an Joachim Pfeiffer von Wolfgang M. bezüglich Innere Sicherheit

Guten Tag Herr Pfeiffer,

Sie hatten im März 2015 entschieden für umfängliche Waffenexporte nach Saudi-Arabien plädiert (Nachrichtenmeldungen vom 07.03.2015).
Inwieweit unterstützen die getätigten Waffenexporte nach Saudi-Arabien heute als nach Ihren Worten "notwendiges und legitimes Instrument unsere (derzeitige) Außen- und Sicherheitspolitik"?
Inwieweit können heute die Waffenexporte nach Saudi-Arabien nach Ihren Worten "das Pulverfass Naher Osten stabilisieren"?
Halten Sie die Gefahren aus den getätigten Waffenexporten nach Saudi-Arabien für "realitätsfremd und absurd"?
Plädieren Sie aktuell für weitere Waffenexporte nach Saudi-Arabien?

Viele Grüße
Wolfgang Meyer

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Meyer,

bitte entschuldigen Sie die späte Antwort, Ihre Frage ist mir erst jetzt von Abgeordnetenwatch zugestellt worden. Wenn Sie in Zukunft unabhängig von Dritten Fragen an mich stellen möchten, können Sie mir gerne eine persönliche E-Mail schreiben.

Wie ich bereits in vielen Statements und Artikeln deutlich gemacht habe, sind Rüstungsexporte in erster Linie ein Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik. Wie alle Länder hat Deutschland strategische Interessen, die es im Interesse der Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger wahren muss. Rüstungsexporte sind dabei ein legitimes Instrument zur Durchsetzung dieser Interessen. Wenn ein Land als Partner einen Beitrag für die Sicherheit Deutschlands und der NATO leisten kann, so rechtfertigt dies auch die Lieferung von Waffen und Technologien.

Die Einschätzung, dass Saudi Arabien seit vielen Jahrzehnten ein Stabilitätsanker in einer für die Sicherheit Europas höchst bedeutsamen und gleichzeitig höchst instabilen Region ist, gilt nach meiner Einschätzung uneingeschränkt.
Die sicherheitspolitische Situation im Nahen Osten ist weiterhin äußerst angespannt. Die Ausbreitung islamistischer Strömungen, wie am Beispiel des IS zu sehen, nimmt weiter zu. Zusätzlich herrscht im Jemen ein Bürgerkrieg. In einer Gegend in der verschiedene terroristische Gruppierungen, zerfallene Staaten und Bürgerkriege die Sicherheit einer ganzen Region gefährden, ist es wichtig stabile Strukturen zu unterstützen. Versuchen Sie doch einmal, die Alternative einer politischen Instabilität in diesem größten Land im Nahen Osten in Gedanken durchzuspielen. Die Folgen für den gesamten Nahen Osten wären katastrophal und die Auswirkungen auf Europa ebenso dramatisch, wie ja bereits die aktuelle Flüchtlingskrise zeigt.

Außen- und sicherheitspolitische Interessenlagen wechseln nicht im Halbjahresrhythmus. Deutschland hat ein Interesse daran, dass Saudi Arabien ein stabiles Land und ein Partner des Westens bleibt. Gleichzeitig gilt natürlich, dass wir auf allen Gesprächskanälen darauf dringen müssen (und auch dringen), dass Saudi Arabien weitere Fortschritte im Bereich der Menschenrechte macht.

Bitte bedenken Sie in diesem Zusammenhang auch folgendes:

Bereits heute zeigt sich, dass Saudi-Arabien offen wie nie zuvor ist für Einflussnahme von außen. Grund ist, dass das Land ökonomisch verletzlicher geworden ist als früher. Der niedrige Ölpreis zwingt das Land zu Reformen. Ohne ausländische Investoren wird es keine Modernisierung der saudischen Wirtschaft geben, das weiß auch die Königsfamilie. Gleichzeitig ist dies aber auch ein Hebel für Einflussnahme durch Europa und die USA. Die saudische Regierung hat erkannt, dass Reformen unausweichlich sind, um die vielen Millionen jungen Saudis in den Arbeitsmarkt zu bringen. Das Land wurde in den vergangenen 20 Jahren politisch und wirtschaftlich - von vielen in Europa unbemerkt – stetig liberalisiert. Diese Veränderungen sollten wir im Westen, trotz der zugegebenermaßen oft verstörenden Bilder, nicht leichtfertig vom Tisch wischen.

Ich nenne Ihnen Beispiele: Im Jahr 2005 durften die Bürger Saudi Arabiens erstmals seit 1960 wählen. Die damaligen Kommunalwahlen waren die bis dahin wichtigste politische Reform in der 70-jährigen Geschichte des Königreiches. Die Macht der einflussreichen Kleriker wurde ebenfalls eingeschränkt, indem z.B. wahabitische Gelehrte von den Mädchenschulen abgezogen wurden und ihnen durch neue Gerichte und kodifizierte Gesetze das Monopol in der Rechtsprechung genommen wurde. Die Scharia ist seitdem nicht mehr die einzige gültige Rechtsquelle. Gerade Frauen profitieren von dieser Liberalisierung. Inzwischen ist der Anteil saudische Frauen, die studieren, höher als der Männeranteil. Der Anteil von Frauen auf dem Arbeitsmarkt ist zwischen 2010 und 2014 um rund 50 Prozent gewachsen. Sie sind in der Privatwirtschaft, im diplomatischen Dienst und seit 2013 auch als Juristinnen tätig. Ende 2015 durften Frauen erstmals wählen und für kommunale Ämter kandidieren.

Natürlich sind die Menschenrechtsstandards in Saudi-Arabien noch weit von dem entfernt, was in den westlichen Demokratien in 400 Jahren erkämpft wurde. Aber bei aller Kritik darf man nicht übersehen, dass das Land in den 1950ger Jahren noch im Mittelalter steckte. Gesellschaftlicher Wandel, das gilt auch für Saudi-Arabien, braucht Zeit. Jeder Reformschritt muss mit den immer noch mächtigen Klerikern und konservativ eingestellten Bevölkerungsteilen und Funktionsträgern ausgehandelt werden. Saudi-Arabien wirtschaftlich und politisch zu isolieren würde bedeuten, auch den Reformmotor abzuwürgen. Das würde die Reformer im Land schwächen, die extremen Kräfte stärken und einen wichtigen Partner des Westens für die Beilegung des Syrienkonflikts destabilisieren. Daran kann auch Deutschland kein Interesse haben.

Ich würde mich freuen, wenn Sie diese Überlegungen mit berücksichtigen und bin gern zu einem weiteren konstruktiven Austausch bereit.

Mit freundlichen Grüßen

Joachim Pfeiffer