Frage an Joachim Pfeiffer bezüglich Innere Sicherheit

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Joachim Pfeiffer
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Frage von Dieter Z. •

Frage an Joachim Pfeiffer von Dieter Z. bezüglich Innere Sicherheit

Guten Tag Herr Dr. Pfeiffer,

mit Erstaunen und Entsetzen haben wir am 22.02. den Stuttgarter Nachrichten und am 24.02. 07 der Waiblinger Kreiszeitung entnommen, dass Sie bei der Aschermittwochsveranstaltung der CDU in Fellbach als Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes Rems-Murr die Begrüßung der Anwesenden in so militärischer Form vorgenommen, dass es selbst vielen Ihrer Parteifreunden peinlich war. Uns macht Ihre Haltung große Angst angesichts der Tatsache, dass Sie Mitglied des Verteidigungsausschusses des Bundestages sind. Wir können uns nicht erklären, wie ein junger, akademisch gebildeter Mensch sich so undifferenziert verhalten kann. Wir gehören der Kriegskindergeneration an und wissen sehr genau, was Kriege anrichten. Ihr Benehmen als Bundestagsabgeordneter ist für uns unerträglich und für einen Scherz ist die Sache zu ernst. Auch Ihr Hinweis auf die "Genialität auf dem Schlachtfeld" von Erwin Rommel finden wir äußerst geschmacklos angesichts der Tatsache, dass in Nord-Afrika viele Soldaten und Zivilisten auf allen Seiten ihren Tod fanden. Durch Ihre Äußerungen lassen Sie erkennen, dass für Sie Krieg so etwas wie Spiel ist. Ihr Parteifreund Manfred Rommel (Sohn von Erwin Rommel) würde Ihnen hier auch vehement widersprechen.

Unsere Frage lautet:
Machen Sie sich auf Grund der massiven Kritik an Ihrem Auftreten in der Presse und auch in Ihrer Partei Gedanken darüber, ob Sie nicht vielleicht weit über das Ziel hinausgeschossen sind? Können Sie sich vorstellen, dass wir als ältere Generation Angst haben, wie unbekümmert Sie mit "SOLDAT SPIELEN" umgehen?

Wir würden uns freuen, wenn Sie uns keine vorgefertigte Antwort geben sondern auf unsere Argumente ernsthaft eingehen.

Mit freundlichen Grüßen
Ingrid Hassler und Dieter Zahn

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Hassler,
geehrter Herr Zahn,

vielen Dank für Ihre Email vom 25.02.2007, in der Sie Ihre Besorgnis über meine Äußerungen am Politischen Aschermittwoch der CDU in Fellbach zum Ausdruck bringen.

Über die Frage, wie deftig oder zackig es bei Begrüßungen zu Veranstaltungen am Aschermittwoch zugehen kann oder darf, kann man unterschiedlicher Meinung sein. Diesbezüglicher Kritik von Ihrer Seite oder von Seiten der Medien an meiner Begrüßung beim diesjährigen politischen Aschermittwoch der CDU in Fellbach muss ich mich stellen und als Demokrat akzeptiere ich diese selbstverständlich.

Sie nehmen in Ihrer Frage Bezug auf die Berichterstattung der Waiblinger Kreiszeitung (WKZ) vom 24.02.2006. Ich vermute, dass sie insbesondere Anstoss an der dort mitgeteilten Information nehmen, wonach ich über den Russlandfeldzug schwadronierte, "ohne auch nur einmal zu sagen, was er wirklich war: ein verbrecherischer Angriffskrieg". Diese Kritik kann ich durchaus nachvollziehen und sie dürfte - ungeachtet der Tatsache, dass es auf einer solchen Veranstaltung meiner Meinung nach auch etwas deftiger zugehen darf - im Kern berechtigt sein - wenn die dort gemachten Aussagen so zuträfen. Leider sind meine Äußerungen nicht richtig dargestellt worden. Richtig ist, dass ich - im Hinblick darauf, dass der Hauptredner an diesem politischen Aschermittwoch der Bundesverteidigungsminister war - meine Rede in ein "militärisches Gewand" verpackte. Entscheidende Punkte meiner Aussage wurden allerdings nicht im von mir gemeinten Sinn widergegeben.

In meiner Begrüßung habe ich vielmehr unter anderem ausgeführt: „Dass der Preis, den Württemberg für sein militärisches Engagement zahlen musste, oft ein hoher - wie ich meine - zu hoher Preis war.“ Als Beleg dafür habe ich dann den Russlandfeldzug Napoleons von 1812 angeführt, in dem von 15.000 Württembergern weniger als 500 lebend zurückgekommen sind.

Die Grenzen journalistischer Sorgfalt und die Interpretationsmöglichkeiten halte ich für deutlich überschritten, wenn der Redakteur Nolle in seiner Kolumne vom 24.02.2007 daraus eine wie auch immer geartete Unterstützung oder Faszination für den verbrecherischen Angriffskrieg Hitlers im zweiten Weltkrieg auf Russland ableitet.

Ich stelle mich auch harter Kritik. Und die WKZ ist mir gegenüber damit nie sehr sparsam gewesen. Aber hier waren die Grenzen des Zumutbaren überschritten. Den Rundschlag von Herrn Nolle, in dem ein Zitat verdreht und falsch dargestellt wurde, habe ich als ehrverletzend empfunden. Dafür hat sich die WKZ zwischenzeitlich öffentlich entschuldigt und am 01.03.2007 eine Gegendarstellung veröffentlicht.

Ich zähle zu der glücklichen Generation in Deutschland, die nie selbst einen Krieg am eigenen Leibe erleben musste. Deshalb kann und will ich mir nicht anmaßen, zu wissen, was ein Krieg für die Menschen tatsächlich bedeutet. Aber ich bin selbst Soldat und Hauptmann der Reserve. Ich nehme das Thema nicht auf die leichte Schulter und betrachte die damit zusammenhängenden Fragen durchaus sehr differenziert. Aber zur historischen Wahrheit gehört eben auch, dass während des Afrika-Feldzuges neben dem zahllosen Leid und den entsetzlichen Verlusten auch bedeutende militärische Leistungen von Menschen wie Erwin Rommel erbracht wurden, die dem damaligen Gegner höchsten Respekt abverlangten. Das mag Ihnen persönlich geschmacklos vorkommen, es bleibt sachlich richtig. Dabei steht außer Frage, dass ich den von Hitler angezettelten Krieg selbstverständlich auf das Schärfste missbillige.

Was Manfred Rommel anbelangt, kann ich Sie beruhigen: Mein väterlicher Freund Manfed Rommel hat mir versichert, dass er nicht nur meiner Aussage über seinen Vater zustimmt, sondern auch ausdrücklich meine sonstigen Ausführungen schätzt und unterstützt.

Für Ihre Sorgen habe ich Verständnis, kann Ihnen jedoch versichern: Gerade als Soldat bin ich mir meiner Verantwortung, die ich als Abgeordneter trage, sehr wohl bewusst. Daher liegt mir ein „Soldat Spielen“ gänzlich fern. Am 9. März habe ich die Entscheidung des Deutschen Bundestages, Tornado-Aufklärungsflugzeuge nach Afghanistan zu entsenden, mitgetragen. Solche Entscheidungen fallen mir nicht leicht, und ich nehme sie nicht auf die leichte Schulter. Ich habe diese Entscheidung jedoch für erforderlich und notwendig gehalten. Erlauben Sie mir deshalb an dieser Stelle auch eine Darstellung der Umstände rund um die Tornado-Entscheidung:

Direkt nach den Terroranschlägen von New York und Washington verurteilte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit der Resolution 1368 (2001) diese sowohl als bewaffneten Angriff auf die Vereinigten Staaten als auch als Bedrohung für den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit. Ebenso beschloss der NATO-Rat, dass die Terrorangriffe – sofern sie von außen gegen die USA gerichtet waren – als Angriffe auf alle Bündnispartner im Sinne der Beistandsverpflichtung des Art. 5 des Nordatlantikvertrages zu betrachten seien. Am 28. September 2001 ergänzte der Sicherheitsrat mit der Resolution 1373 (2001) seine in der Resolution 1368 gezogenen Konsequenzen und forderte alle Staaten auf, „insbesondere im Rahmen bi- und multinationaler … Vereinbarungen zusammenzuarbeiten, um … Maßnahmen gegen die Täter zu ergreifen“. Am 2. Oktober 2001 legten die USA im NATO-Rat dar, dass die Angriffe nachweislich von außen gegen die USA gerichtet waren. Daraufhin bekräftigte und präzisierte der NATO-Rat am 4. Oktober 2001 die Beistandsverpflichtung aus Art. 5. Damit war auch die Bundesrepublik Deutschland aufgefordert, im Rahmen der kollektiven Selbstverteidigung zu Maßnahmen der Bündnispartner gegen den Terrorismus beizutragen.

Deutschland gehört zu den in besonderem Maße in Afghanistan engagierten Staaten, die politisch, militärisch und entwicklungspolitisch den Wiederaufbau eines demokratischen Afghanistan begleiten und unterstützt in seiner derzeitigen Funktion als Präsidentschaft in der Gruppe der G8-Staaten den dringenden Wunsch der internationalen Gemeinschaft, die Koordinierung des Wiederaufbaus weiter zu verstärken und dabei insbesondere dessen zivile Komponente weiter zu intensivieren.

Deutschland ist für den Erfolg der Gesamtmission in Afghanistan mitverantwortlich. Mit den Aufklärungs-Tornados wird es besser als jetzt möglich sein, Gefahren rechtzeitig zu erkennen. Damit wird vor allem der Schutz der afghanischen Bevölkerung, unserer Soldaten und unserer Verbündeten vergrößert. Ebenso dient eine verbesserte Aufklärung auch dem Schutz von zivilen Entwicklungshelfern sowie der gefährdeten Wiederaufbauprojekte.

Dazu muss es auch möglich sein, dass die Ergebnisse unserer Aufklärungsflüge unseren Verbündeten nicht vorenthalten und auch zur Bekämpfung der Taliban durch die Internationale Unterstützungstruppe (International Security Assistance Force - ISAF) oder die von den USA geführte Operation gegen den Terrorismus (Operation Enduring Freedom - OEF) genutzt werden. Gleichwohl ist nur eine restriktive Übermittlung von Aufklärungsergebnissen an OEF-Truppen vorgesehen. Das heißt, dass die Übermittlung der Aufklärungsdaten nur erfolgt, wenn dies zur erfolgreichen Durchführung der ISAF-Operation oder für die Sicherheit von ISAF-Kräften erforderlich ist.

Nach eigenen Angaben haben die Taliban bis zu 10.000 Kämpfer zusammengezogen, um in den kommenden Monaten die Lage in Afghanistan zu destabilisieren, die Autorität der afghanischen Regierung zu unterminieren und erneut ein fundamentalistisches Regime zu errichten. Nun kann man der Meinung sein, dass es uns nicht ansteht, uns in die Angelegenheiten anderer Länder einzumischen. Aber abgesehen davon, dass wir schon aufgrund internationaler Verträge verpflichtet sind, unseren Bündnispartnern beizustehen, bin ich auch aufgrund humanistischer Überlegungen davon überzeugt, dass wir die Förderung der Demokratie weltweit nach Kräften unterstützen sollten.

Es ist daher auch Aufgabe von ISAF, zu verhindern, dass diese bewaffneten Kräfte wieder die Oberhand gewinnen. Je besser die Aufklärungsfähigkeit von ISAF ist, desto besser, angemessener und verhältnismäßiger kann ISAF reagieren.

Somit steht der geplante Einsatz von Tornado-Aufklärungsflugzeugen im Einklang mit der bisher verfolgten ISAF-Strategie in Afghanistan. Besonders im Süden und Osten des Landes sehen sich die Truppen unserer Verbündeten mit zunehmendem Widerstand und Gewalttaten der Taliban konfrontiert. Scheitert aber die Stabilisierung der Lage im Süden, ist auch der Erfolg beim Wiederaufbau im Norden infrage gestellt, wo die Bundeswehr vornehmlich stationiert ist.

In der jetzigen Debatte über die Tornados ist immer wieder die Rede von einer neuen Qualität des ISAF-Einsatzes, welche die Bundeswehr zur „aktiven Kriegspartei“ werden lasse. Tatsache ist, dass die Bundeswehr schon vor Jahren gefährliche Aufgaben in Afghanistan übernommen hat und dementsprechend mit einem robusten Mandat ausgestattet ist. Ihrem Auftrag liegt die politische Grundüberzeugung „ohne Sicherheit keine Entwicklung“ zugrunde.

Die deutsche Bundesregierung verfolgt einen vernetzten, zivil-militärischen Ansatz und hat bereits eine Diskussion angestoßen, wie die Strategie zur Stabilisierung der Lage in Afghanistan weiter entwickelt werden sollte. Dabei muss es um einen politischen Gesamtansatz gehen, der den zivilen Wiederaufbau und die zivil-militärische Kooperation nach dem Vorbild der Regionalen Wiederaufbauteams (Provincial Reconstruction Teams - PRTs) im Norden verstärkt. Für diesen Ansatz hat die Bundesregierung viel Zustimmung von unseren Verbündeten erhalten.

Diese PRTs bleiben außerhalb von Kabul zentraler Teil des internationalen Engagements. Sie setzen sich aus militärischen und zivilen Komponenten zusammen. Ihre Hauptaufgabe ist es, die Autorität der Zentralregierung in den Provinzen zu stärken, sowie Stabilisierungs- und Wiederaufbaumaßnahmen im Land zu fördern. Zur Zeit sind 23 PRTs in Afghanistan operativ, 13 davon unter NATO/ISAF-Führung, 10 noch unter OEF.

Als Deutschland 2003 in Kundus das US-geführte OEF-PRT im Rahmen von ISAF übernahm, hat die Bundesregierung damit – unter der Prämisse, dass PRTs ein wichtiges politisches Instrument in einem schwierigen Umfeld sind – einen neuen Weg eingeschlagen, der von Beginn an eine starke zivile Komponente vorsah. Die deutschen PRTs setzen sich zusammen aus Personal des Bundesministeriums der Verteidigung, des Auswärtigen Amtes, des Bundesministeriums des Inneren sowie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die Ressorts arbeiten eng zusammen.

Dieser zunächst von der Bundesregierung entwickelte und erfolgreich praktizierte zivilmilitärische Ansatz fand auch bei anderen in PRTs vertretenen Nationen Anklang und soll in weitere Provinzen getragen werden. Zusätzlich zur intensiven Koordinierung vor Ort findet eine wöchentliche Videokonferenz der zuständigen Arbeitseinheiten der vier Ministerien in Bonn/Berlin statt. Diese Arbeitsteilung hat sich als sinnvoll erwiesen: Dadurch konnte der Wiederaufbauprozess in der Nordregion umfassend angegangen werden. Die PRTs integrieren auf der militärischen wie der zivilen Seite auch internationale Komponenten, auf der zivilen z.B. Vertreter fremder Außenministerien, von Entwicklungsorganisationen und internationale Polizeiberater. In Faisabad wurde nach der Verlegung des PRTs aus der Stadtmitte auf ein Gelände in Flughafennähe ein Stadthaus eingerichtet, um die Gefahr der Entfremdung von der lokalen Bevölkerung zu vermeiden. PRT-Angehörige nehmen dort regelmäßig Termine wahr.

Entsprechend ist der ganzheitliche Ansatz der Bundesregierung, der gemäß der internationalen Vereinbarungen zu Afghanistan (Bonner Abkommen, Afghanistan Compact) alle Arten von Unterstützungsleistungen für Afghanistan umfasst, in einem gemeinsam mit allen beteiligten Ressorts vereinbarten politischen Konzept eingebettet, welches im September 2006 angepasst wurde. Weder die Bundesregierung noch die Parlamentarier fällen ihre schwierige Entscheidung unter isoliert-militärischer Betrachtung.

25 EU-Mitgliedstaaten beteiligen sich mit ca. 15.800 Soldaten an der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe für Afghanistan. Zu den größten Truppenstellern zählen neben Deutschland Großbritannien, die Niederlande, Italien, Frankreich und Spanien. Die Europäische Union hat schon früh begonnen (Beschluss konreter Maßnahmen durch den Europäischen Rat in Laeken im Dezember 2001), mit starkem Engagement die Bemühungen der Internationalen Gemeinschaft für Stabilität und Wiederaufbau in Afghanistan zu unterstützen. Hier geht es um den Wiederaufbau eines politisch und entwicklungspolitisch zerstörten Landes, nicht um die derzeitige Stimmungslage des amerikanischen Volkes gegenüber der Politik von George Bush.

Ich hoffe, damit auf Ihre Argumente mit der gewünschten Sorgfalt eingegangen zu sein.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Joachim Pfeiffer MdB