Frage an Joachim Stünker bezüglich Recht

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Joachim Stünker
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Frage von Wilfried M. •

Frage an Joachim Stünker von Wilfried M. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Stünker,

Als Privatpilot wird das Ausüben des Luftsports in Deutschland immer unerträglicher.

Wir appellieren an die Vernunft und das Demokratieverständnis unserer Politiker, denn wir ersticken aktuell in völlig groteskem Bürokratenwahn.

Beispiel 1 Flugtauglichkeitsunersuchungen:

Wir Sportflieger sind doch nur so etwas wie "harmlose Radfahrer der Luft".

Natürlich kann theoretisch jederzeit auch ein betrunkener Radfahrer mitten in der Nacht durch einen plötzlich erlittenen Schlaganfall eine schreckliche Massenkarambolage verursachen.

Wer käme aber auf die völlig absurde Idee, deshalb prinzipiell bei allen Radfahrern einen regelmäßigen, bis über 1000,- Euro teuren und totalen Gesundheits-check anzuordnen nur um zu verhindern, dass vielleicht einer von Ihnen infolge einer Kolik, plötzlicher Kopfschmerzen oder ähnlicher gesundheitlicher Unvorhersehbarkeiten die Allgemeinheit schädigt und mit dieser wirklich verrückten Begründung das "überaus gefährliche Radfahren" zunächst einmal prinzipiell zu verbieten?

Genau diese, uns nur gängelnde Behördenwillkür, aber wird genauso an uns - erwiesen harmlosen - Segelfliegern derzeit regelmäßig und in ganz großem Stil vollzogen.

Der Irrsinn nennt sich "JAR-FCL 3 deutsch" und wurde uns vom gottvaterähnlichen BMVBW - nach Falschübersetzung aus dem Englischen - rücksichtslos einfach verordnet.

Selbst eine Grippeimpfung oder simple Schwangerschaft führt nach wortwörtlicher Auslegung dieses irrealen Schwachsinns zu sofortigem Ruhen der Pilotenlizenz!

Die staatlichen Forderungen an die Gesundheit eines z.B. über 60-jähriger Segelfliegers sind in Deutschland - weltweit einmalig ! - durchaus vergleichbar mit jenen, die an einen jungen und gesunden Jumbo-Kapitän oder an einen Kampfjetpiloten gestellt werden, so eine Art "Marsflugtauglichkeit", die kaum einer in diesem Alter mehr erbringen kann. Die alten, erfahrenen Funktionsträger in unseren Vereinen drohen daher auszusterben und für die Jüngeren wird es einfach zu teuer ( bis 1200.- Euro für eine Erstuntersuchung! ), weil sie neuerdings eine perfekte - und damit völlig übertriebene - Gesundheit nachweisen müssen.

Wir empfinden dies als eine kulturlose, zutiefst misstrauische, ja überaus groteske Rücksichtslosigkeit gegenüber Minderheiten, welche zudem in ihrer Maßlosigkeit gegen bestehende Gesetze (BGG und OBG) verstößt, aber dennoch gegen alle Vernunft und Sachlichkeit von deutschen Behörden eisern verteidigt wird, obwohl dieser pure Unfug - durch wissenschaftliche Untersuchungen klar bewiesen - keinerlei ( NULL ! ) Sicherheitsgewinn bringt!

Aus diesen Gründen gibt es so etwas in den USA überhaupt nicht!

Beispiel 2 Zuverlässigkeitsüberprüfungen:

Alle deutschen Piloten mit Wohnsitz in Deutschland, auch Sport- und Privatpilotenpiloten müssen sich neuerdings einer sehr fragwürdigen, periodischen und zudem kostenpflichtigen Zuverlässigkeitsüberprüfung (ZÜP) nach dem LuftSiG "freiwillig" durch eigenen Antrag unterziehen. Sind Sie der Meinung, dass ein solcher unglaublicher Globalverdacht gegen eine bisher völlig unauffällige Bürgergruppe angemessen ist?

Ist das nicht reiner bürokratischer Aktionismus und Populismus auf dem Rücken von unschuldigen Bürgern, die mit all dem nicht das Geringste zu tun haben? Wird dadurch nicht der rechtstaatliche Grundsatz der Unschuldsvermutung - und damit unser zentrales Rechtsverständnis - ausgehebelt? Sollte nicht wenigstens ein gewisser Anfangsverdacht diese ZÜP rechtfertigen?

Es hat weltweit noch nie einen lizenzierten Piloten gegeben, von welchem an Terroranschlag ausging. Es gab aber jede Menge Führerscheinbesitzer und Rucksackträger!!! Lastwagenfahrer stellen ein viel größeres "Gefahrenkontingent" dar, kommen sie doch problemlos mitten in jede Innenstadt!

Warum werden die nicht zum gläsernern Bürger gemacht, sondern nur ausgerechnet diese harmlose Minderheit?

Wo ist hier Ihrer Meinung nach das rechtsstaatliche Prinzip der Verhältnismäßigkeit noch gegeben? Werden Sie sich nach Ihrer Wahl für unsere Minderheit einsetzen?

Freiheit und Demokratie und Menschenwürde, werden sie dadurch geschützt,
dass man sie schleichend gegen die Würde des Menschen einfach abschafft?

Welche Antwort hierauf kann ich an unsere Vereinsmitglieder weitergeben?

Wir würden Sie gerne auch mal zu einem kleinen Rundflug bei uns einladen, damit Sie sich persönlich davon überzeugen können, dass wir keine berechtigt verdächtige Kamikazeterroristen sind. Nicht einmal die USA überprüft auf solche entwürdigende Weise ihre Altpiloten. Übrigens auch keine Ausländer mit USA - Lizenz! Nur Deutschland will einmal mehr einmalig perfekt in der Welt sein.

Beispiel 3 Flugverbot über Berlin:

Flugverbot über dem Zentrum von Berlin ist doch ein typischer, völlig populistischer und sinnloser Akt. Er impliziert die merkwürdige Vorstellung, dass ein Terrorist sich durch ein unsichtbares Verbotsschild abschrecken lässt. Als könnte man durch Halteverbote vor Banken in den Innenstädten Banküberfälle verhindern?

Ähnlich groteske und nur aktionistische Vollzüge häufen sich derzeit bei den Sport- und Privatfliegern, die sich neuerdings einer wirklich totalen "freiwilligen" Zuverlässigkeitsuntersuchung (§7 LuftSiG) unterziehen müssen, bei der sämtliche Geheimdienste der Welt (auch die alte Stasiakten!) und selbst der Arbeitgeber zur Auskunft einbezogen werden. Als würde sich irgendein Terrorist vorher dieser Untersuchung stellen. Der fliegt nämlich einfach vom Ausland ein oder nimmt einen Lastwagen, der viel mehr Sprengstoff tragen kann als jedes Leichtflugzeug.

Alles bewirkt nur den gläsernen Bürger und eine Menge unsinniger Bürokratie und die Stasi wäre stolz darauf gewesen, hätte sie schon diese Möglichkeiten gehabt. Auch eine künftige radikale Regierung findet solche "Notstandgesetze" bereits vor! Eine schreckliche Vorstellung, dass wir vielleicht denen schon jetzt in die Hand arbeiten!

Mit denselben Argumenten kann auch jeder Führerscheinbesitzer "durchleuchtet" werden und auch jeder Rucksackträger und dies ist sogar noch besser begründbar, da bisher jede Menge Autobomben in den Innenstädten explodiert sind. Es war aber noch niemals ein Sportpilot darunter!! Sind Sie der Meinung, dass hier das rechtsstaatliche Prinzip der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist?
Sind Sie der Meinung, dass so die Würde des Menschen unangetastet bleibt, wenn solche willkürliche Schnüffelei über die Minderheit der Sportflieger kommt. Wissen Sie, dass die Sportflieger dies "freiwillig" unter Androhung von Lizenzverlust beantragen müssen?

Sind unsere führenden Regierungsvertreter inzwischen nicht mehr beeinflusst von psychisch Kranken (Motorseglerpilot über Frankfurt) und Selbstmördern (Absturz neben dem Reichstag), als von normalen Bürgern (Sportpiloten), die nicht mehr gehört werden?.

Was ist eine freiheitliche Demokratie noch wert, wenn sie so mit ihren Minderheiten umgeht?

Freiheit und Demokratie und Menschenwürde, werden sie dadurch geschützt, dass man sie schleichend abschafft?

Das Bundesverfassungsgericht hat vor ganz kurzer Zeit, eine ähnliche Telefonspionage -ohne jeden Verdacht - als nicht verfassungskonform bezeichnet.

Es gibt bei uns jetzt erneut und aktuell keinerlei Grenze zum Ausspionieren durch jede unkontrollierte Bürokratenwillkür und wir werden wohl demnächst wegen jeder Kleinigkeit vom Himmel geholt. Wir werden sogar genötigt, den Antrag sofort zu stellen. Ansonsten werden wir mit sofortigem Linzensentzug bedroht!

Was werde Sie, als unser Abgeordneter, dagegen tun?

Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung im Orwellschen Sinne?

Können Sie mir als mein Wahlkandidat diese Fragen befriedigend beantworten?

Mit freundlichen Grüßen

Wilfried Müller

Portrait von Joachim Stünker
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Müller,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 9. August 2005 auf www.kandidatenwatch.de zu Flugtauglichkeitsuntersuchungen, zu Zuverlässigkeitsüberprüfungen und zum Flugver-bot über Berlin.

Hinsichtlich der Feststellung der medizinischen Tauglichkeit von Segel- und Privatflie-gern hält sich Deutschland an die Empfehlungen der Internationalen Zivilluftfahrt Or-ganisation (ICAO). Solche flugmedizinischen Untersuchungen werden in Deutschland seit mehreren Jahrzehnten durchgeführt. Bislang wurden sie nie in Frage gestellt, auch wenn einzelne Staaten auf nationaler Ebene andere Verfahren eingeführt haben. In Anbetracht einer Anzahl von etwa 100.000 Segelfliegern in Deutschland bei 7.800 zugelassenen Segelflugzeugen, die in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland fliegen, halte ich die Durchführung flugmedizinischer Tauglichkeitsuntersuchungen aus Sicherheitsgründen auch weiterhin für erforderlich. Änderungen können sich zukünftig nur aufgrund der geplanten Übernahme des Bereichs "Flugmedizin" durch die neue geschaffene Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) auf gesamteuropäischer Ebene ergeben.
Nach den Anschlägen des 11. September 2001 wurde weltweit über neue Maßnahmen für einer verbesserte Luftsicherheit diskutiert. Das deutsche Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) setzt die EU-Verordnung für mehr Sicherheit in der Zivilluftfahrt um, die auch Zuverlässigkeitsüberprüfungen vorsieht. Der Luftzwischenfall in Frankfurt und der absichtliche Absturz vor dem Reichstag in Berlin haben deutlich gemacht, dass auch Kleinflugzeuge ein Bedrohungs- und Gefährdungspotential darstellen können.
Die Innenministerkonferenz ist im Mai 2003 zu dem Ergebnis gekommen, dass der Luftverkehr gegenüber anderen Verkehrsträgern einer besonderen Gefährdung unter-liegt. Durch die Nutzung eines Kleinflugzeuges als Tatwaffe können massive Schäden angerichtet werden, wenn es z. B. mit Sprengstoff beladen wird.
Der Staat hat die Verantwortung, die Bevölkerung vor Gefahren zu schützen. Eine Zu-

verlässigkeitsüberprüfung halte ich für erforderlich. Ich teile aber Ihre Auffassung, dass die Regelungen im Luftsicherheitsgesetz zu bürokratisch sind. In den Verhand-lungen hatten wir uns dafür eingesetzt, die Zuverlässigkeitsüberprüfung - wie in der EU-Verordnung vorgesehen - lediglich alle 5 Jahre zu wiederholen. Eine jährliche Überprüfung ist übertrieben und für die Betroffenen mit nicht verhältnismäßigen Kos-ten verbunden. Wir werden uns hier erneut für erträgliche und vermittelbare Regelun-gen einsetzen.
Piloten sind aber nicht die einzigen Betroffenen. Zuverlässigkeitsüberprüfungen gab es bereits vor Inkrafttreten des Luftsicherheitsgesetzes für Personen, die in sicherheits-relevanten Bereichen arbeiteten, z.B. in Kernkraftwerken. Diejenigen Personen, die in beruflichem Zusammenhang regelmäßig in den sicherheitsrelevanten Bereichen der Verkehrsflughäfen tätig waren, etwa das Personal der Flughafenbetreiber und Luft-fahrtunternehmen, sowie die Mitarbeiter der Flugsicherung, die einen Einfluss auf die Sicherheit des Luftverkehrs haben, müssen sich einer regelmäßigen Sicherheitsüber-prüfung unterziehen. Auch Hobbypiloten haben Zutritt zu den relevanten Sicherheits-bereichen und sind deshalb in die Überprüfung einzubeziehen.
Die angeordnete Sperrung des Luftraumes über dem Regierungsviertel für Privatflie-ger und Hobbypiloten halte ich für sinnvoll, da sie der Sicherheit dient. Der Zwischen-fall in Berlin hat gezeigt, dass auch von kleineren Fluggeräten eine massive Gefahr ausgehen kann. Das Flugverbot soll die Sicherheitsbehörden in die Lage versetzen, einen terroristischen Angriff auf gefährdete Objekte frühzeitig zu erkennen. Ferner wird ein Meldesystem errichtet, um Schutzmaßnahmen wie Evakuierungen rechtzeitig ergreifen zu können.

Mit freundlichen Grüßen,
Joachim Stünker