Frage an Johann Wadephul bezüglich Finanzen

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Johann Wadephul
CDU
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Frage von Ludger R. •

Frage an Johann Wadephul von Ludger R. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Wadephul,

in allen Ebenen wird (als Killerargument) regelmäßig mit der kostengünstigen Umsetzung von z.B. Infrastrukturmaßnahmen durch das sogenannte "Einwerben" von Zuschüssen höherer / anderer Körperschaften (EU / Bund / Land / Kreis) argumentiert.
Könnten Sie mir diese Argumentation versuchsweise plausibel Erklären, da es nach meinem Wissen lediglich eine Gruppe an Steuerzahlen gibt, die sämtliche öffentlichen Haushalte bedienen müssen. Ob der auszugebende Euro nun direkt z.B. aus der Gemeindekasse stammt oder aber aus dem EU-Topf ändert doch nichts daran, wer ihn eingezahlt hat.
Wo bitte ist da die Ersparnis ?!

Grüße

Ludger Revermann

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Sehr geehrter Herr Revermann,

vielen Dank für Ihre Email zum Thema Verteilung der Finanzlasten im öffentlichen Sektor.

Sie haben Recht in der Frage, dass es sich beim „Einwerben“ von Zuschüssen nicht um eine Ersparnis handelt. Es geht vielmehr oft um die Minimierung der konkreten Zahllasten etwa für eine bestimmte Region (Wahlkreis, Kommune, Land …), da die Steuerlasten zwischen den Ebenen des Staates unterschiedlich verteilt sind. Eine „Ersparnis“ kann es nur aus der individuellen Perspektive sein, die die jeweiligen anderen Ebenen bzw. den Gesamtstaat ausblendet. Insofern handelt es sich um eine Form des in der Volkswirtschaftslehre unter dem Stichwort „Allmendeproblem“ bekannten Phänomens.

Für eine Kommune z.B. kann es sinnvoll sein, zusätzlich zum direkten Steueraufkommen etwa aus der Gewerbesteuer auch Finanzquellen anderer Ebenen „anzuzapfen“, z.B. EU-Mittel. Diese werden von allen EU-Bürgern finanziert und nicht nur von den Bürgern einer Kommune. So bekommen die Bürger der entsprechenden Kommune „mehr heraus“, da ihr Anteil am EU-Haushalt sehr klein ist (Deutschland trägt als Gesamtstaat insgesamt ca. 20 % des EU-Budgets).

Der Finanzausgleich in Deutschland hat ähnliche Anreizprobleme – auch hier geht es letztlich darum, möglichst viel vom Gesamtkuchen abzubekommen. Solche Strukturen können dazu führen, dass gesamtgesellschaftlich gesehen zu viel ausgegeben wird, da man als Bürger bzw. als Entscheider meist vor allem das eigene Budget im Auge hat und nicht das Budget des Gesamtstaats.

Die Politik ist hier in einem Dilemma: einerseits kann es rational sein, möglichst viel vom Kuchen abbekommen zu wollen, andererseits sollte es grundsätzlich Ziel der Politik sein, solche Anreizprobleme zu verhindern bzw. abzuschwächen.

Ich hoffe, Ihre Frage hiermit hinreichend beantwortet zu haben und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Dr. Johann Wadephul

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