Frage an Johannes Engesser bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Portrait von Johannes Engesser
Johannes Engesser
ÖDP
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Johannes Engesser zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Michaela S. •

Frage an Johannes Engesser von Michaela S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Engesser,

der bmb (Beirat von Menschen mit Behinderungen ) hat sich Gedanken gemacht, wie die einzelnen Parteien mit den Wünschen und Forderungen der Menschen mit Behinderungen in ihren Wahlprogrammen umgehen bzw. wofür sie sich einsetzen wollen.

Wären Sie oder Ihre Mitarbeiter so freundlich, uns unsere Fragen zu beantworten? Gerne würden wir dann Ihre Antworten auf unserer Homepage veröffentlichen.

Hier sind unsere Fragen:
1. Welche der in der UN-Konvention (seit 2009 Bindungswirkung für die Bundesrepublik) hinterlegten Artikel sind Ihnen /Ihrer Partei besonders wichtig? Wo setzt Ihre Partei besondere Akzentpunkte in der nächsten Legislaturperiode?

2. Sozialpsychiatrische Dienste und Grundversorgung
Was tun Sie /Ihre Partei zur Absicherung und zum Ausbau der sozialpsychiatrischen Dienste? Landespsychiatriegesetz?

3. Vermittlungshemmnisse
Hier geht es um sinnvolle Angebote zur Beschäftigung und gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Wo sehen Sie /Ihre Partei Möglichkeiten und welche, diese umzusetzen?

4. Barrierefreiheit
Wie wollen Sie /Ihre Partei sicherstellen, dass ausreichend barrierefreier Wohnraum (z.B. Bahnstadt) in der Zukunft zur Verfügung steht? Welche Impulse werden Sie /Ihre Partei geben, um den ÖPNV nicht nur in städtischen Gebieten barrierefrei zu gestalten? Wie soll die Barrierefreiheit sinnesgeschädigter Menschen künftig aussehen?

5. Interdisziplinäre Frühförderung und Landesförderung
Setzen Sie sich /Ihre Partei für den Fortbestand der Frühförderung ein ( IFF, sozialpädiatrische Zentren und Beratungsstellen der Sonderschulen) und was tun Sie, um die als Leistunsträger mit zuständigen Krankenkassen in die Pflicht zu nehmen?

Für Beantwortung dieser Fragen wären wir dankbar!

Mit freundlichen Grüssen

Michaela Schadeck
Vorsitzende des bmb - beirat von menschen mit behinderungen der Stadt Heidelberg

Portrait von Johannes Engesser
Antwort von
ÖDP

Liebe Frau Schadeck -

vielen Dank für Ihr Interesse.

1. Wir haben lange gewartet, bis es letztes Jahr auch für Deutschland bindend eine Integrationspflicht für Behinderte in normale Schulen eingeführt wurde. Ich begrüße das ausdrücklich, wenngleich das höhere pädagogische Anforderungen an Lehrer stellt. Eine Unterstützung durch personelle Entlastung und bessere Ausbildung, auch eine Erweiterung der gängigen pädagogischen Konzepte halte ich für wichtig. Ebenso sollte die Vielfalt der Schulangebote deutlich mehr gefördert werden. Insbesondere private Initiativen, die oft besonders flexibel mit pädagogischen Anforderungen umgehen können, müssen pro Schüler in der Höhe aus öffentlichen Geldern gefördert werden, wie Staatsschulen an Kosten verbrauchen würden. Denn auch die Eltern von Privatschülern zahlen Steuern.

2. Sozialpsychiatrische Dienste sind eine wichtige Errungenschaft unserer Kulturgesellschaft. Sie tragen dazu bei, dass Menschen Psychiatrische Patienten in unserer Gesellschaft integriert leben können und nicht unbedingt in einer Psychiatrischen Einrichtung verwahrt werden müssen. Aus meiner Sicht als Arzt und als Politiker sollten die Kompetenzbereiche der sozialpsychiatrischen Dienste ausgeweitet werden. Beispielsweise sollten sie mehr einbezogen werden in Entscheidungen vor Klinikeinweisungen usw. Sozialpädagogische Teams müssen eine ausreichende Berufsvielfalt (Psychologen, Sozialpädagogen, psychiatrische Pflegekräfte, Ärzte usw.) aufweisen. Weder der finanzielle Druck noch personelle Knappheiten dürfen eine liebe- und hingebungsvolle Arbeit mit den Bedürftigen und deren Angehörigen verhindern. Die Koordination mit Kliniken und anderen psychiatrischen Einrichtungen wie Wohngruppen usw. muss gut organisiert, das heißt der politische Rahmen hierfür muss gegeben sein. Insbesondere Kosten und bürokratische Hürden müssen hier abgebaut werden. Baden-Württemberg muss die Milliarden, die für strittige Projekte wie S21 vorgesehen sind, lieber in solche Bereiche einfließen lassen, die tatsächlich Menschen ganz unmittelbar in ihrem Alltag helfen.

3. Sinnvolle Arbeit bedeutet Erfüllung für Menschen. Leider haben wir ja schon unter Nicht-Behinderten allzu häufig Arbeitsverhältnisse, die nur aufgrund von gesetzlichen Zwängen, Vorschriften und finanziellem Druck so bestehen. Diese traurige und kränkende Situation durch weitere Zwänge wie Quotenregelungen zu verschärfen, halte ich für unangebracht. Vielmehr sollten einstellenden Betrieben klare Anreize wie finanzielle Unterstützung bei sehr niedrigen bürokratischen Hürden und gegebenenfalls sozialpsychiatrische Begleitung angeboten werden, um die Entscheidung zu erleichtern, einen behinderten Menschen einzustellen.

4. Mit der Bahnstadt sprechen Sie Heidelberg an. In Gebäuden, die auf ehemals öffentlichen Grundstücken von Bauträgern gebaut werden, sollten meiner Meinung nach grundsätzlich auch barrierefreie Wohnungen vorgesehen sein. Barrierefreiheit ist ein ausgesprochenes Anliegen gerade der Heidelberger ödp. Sie unterstützt seit Langem die entsprechenden Maßnahmen, wie sie beispielsweise am Bismarckplatz jetzt endlich eingeleitet werden. Aber auch außerhalb der Städte müssen Haltestellen usw. generell barrierefrei werden. Diese Barrierefreiheit muss selbstverständlich auch für sinnesgeschädigte Menschen erreicht werden: Heute gibt es vielfältige technisch ausgereifte Möglichkeiten wie akustische Signale, Tastvorrichtungen und viele mehr.

5. Eine interdisziplinäre Frühförderung (IFF) kann für früh verhaltensauffällige Kinder entscheidend für ihre weitere Entwicklung sein. Sie spielen daher eine wichtige Rolle. Eltern betroffener Kinder haben bei den entsprechenden Anlaufstellen Zugang zu verschiedenen Fachleuten. Diagnose, Beratung, Therapie und pädagogische Begleitung können hier gut koordiniert ablaufen. Sie müssen unbedingt bestehen bleiben und ihre Finanzierung muss jedenfalls aufrecht erhalten werden. Wenn das Geld von Kommunen nicht reichen sollte und die Krankenkassen den Hahn zudrehen, müssen höhere Ebenen wie Bezirke, Länder und gegebenenfalls Staat mit eingreifen, um die Krankenkassen entsprechend an ihre Pflichten zu erinnern.

Wählen Sie mehr Menschlichkeit - wählen Sie darum ödp!

Johannes Engesser