Frage an Josip Juratovic bezüglich Finanzen

Josip Juratovic MdB
Josip Juratovic
SPD
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Frage von Peter H. •

Frage an Josip Juratovic von Peter H. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Juratovic ,

Konkret würde mich aktuell ihre Meinung interessieren, wie Sie eigentlich als SPD-Bundestagsabgeordneter zur der kalten Steuerprogression stehen. Wie Sie ja wissen profitiert der Staat ca. 2/3 von jeder hart erkämpften Tariferhöhung sodass diese Erhöhungen ad absurdum geführt werden.

Per Verwaltungsanordnung wäre schon längst ein derartiger skandalöser fiskalischer Zugriff aus der Welt geschafft und würde sicherlich in jetzigen Finanzkrise mehr als helfen um den darniederliegenden Binnenmarkt etwas zu stärken.

Dank im Voraus für ihre Antwort

Josip Juratovic MdB
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Henschel,

vielen Dank zu Ihrer Anfrage bezüglich der kalten Progression. Wie Sie sicher mitbekommen haben, ist die Steuerpolitik, insbesondere im Rahmen des Konjunkturpaketes, ein stark diskutiertes Thema.

Die kalte Progression tritt ein, wenn Lohnsteigerungen lediglich einen Inflationsausgleich bewirken. Durch die Progression der Einkommensteuer wird für jeden Euro ein höherer Steuersatz fällig. Damit sinkt das Realeinkommen. Tatsache ist jedoch auch, dass die Gewerkschaften - und damit auch ich - immer dafür gekämpft haben, dass Lohnerhöhungen durchgesetzt werden, die mehr als einen reinen Inflationsausgleich bewirken.

Ich bin ein starker Verfechter der Steuerprogression. Bürgerinnen und Bürger, die höhere Einkünfte haben, sollen prozentual mehr Steuern zahlen als Menschen mit geringem Einkommen. Dies ist eine grundlegende Bestimmung von Solidarität in unserer Gesellschaft. Alle alternativen Modelle, die hin und wieder in der politischen Arena kursieren, wie beispielsweise so genannte Stufenmodelle, führen darauf hinaus, diese proportionale Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger am Steueraufkommen abzuschaffen. Ich empfinde das als Angriff auf die solidarische Ausgestaltung der Einkommensteuer.

Die kalte Progression ist quasi ein Nebeneffekt der Steuerprogression. Es gibt verschiedene Möglichkeiten ihr zu begegnen. Sie schlagen einen automatischen Anpassungsmechanismus vor. Dagegen spricht jedoch, dass dieser zusätzlich inflationsfördernd wirken würde. Zudem gäbe es zahlreiche steuerrechtliche Probleme.

Dennoch ist klar, dass wir die kalte Progression in steuertechnische Überlegungen einbeziehen müssen. Dies passiert beispielsweise, wenn wir, wie jüngst beschlossen, den Grundfreibetrag erhöhen und den Eingangssteuersatz senken. Dies sind steuerrechtliche Regelungen, die auch die kalte Progression betreffen. Mit diesen Regelungen wollen wir besonders die niedrigen Einkommen entlasten.

Zudem muss - insbesondere, wenn Sie die konjunkturelle Wirkung der kalten Progression ansprechen, - bedacht werden, dass die kalte Progression höhere Einkommen durch die höhere prozentuale Steuerlast mehr trifft als niedrige Einkommen. Die Steuermehrbelastung entfällt zu 13,5 Prozent auf die unteren 50 Prozent der Steuerpflichtigen und zu 86,5 Prozent auf die oberen 50 Prozent.

Ich halte eine automatische Regelung der kalten Progression aus den oben genannten Problemen nicht für richtig. Es ist aber wichtig, dass dieser Mechanismus bei steuerrechtlichen Überlegungen bedacht wird - daher danke ich Ihnen für Ihre Aufforderung. Im Übrigen verfechte ich die progressive Ausgestaltung der Einkommensteuer und kämpfe für Lohnerhöhungen, die über dem Inflationsausgleich liegen, damit auch eine reale Erhöhung der Arbeitseinkommen stattfindet.

Ich hoffe, Ihnen damit weitergeholfen zu haben.

Freundliche Grüße aus Berlin
Josip Juratovic MdB

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