Frage an Jürgen Klimke bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Jürgen Klimke
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Frage an Jürgen Klimke von Oliver G. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Klimke,

in den vergangenen Wochen sind Spannungen zwischen Israel und der Türkei wegen der umstrittenen Stürmung der Gaza Hilfsflotte aufgekommen. Bei der auch türkische Staatsangehörige ums Leben gekommen sind. Seitdem haben sich die Beziehungen zwischen Ankara und Tel Aviv stark verschlechtert. Die Türkei besteht weiterhin auf ein Ende der Gaza Blokade und will womöglich weitere Hilfslieferungen nach Gaza bringen. Israel will dies unter allen Umständen verhindern und droht der Türkei militärische Mittel zu ergreifen.

Meine Frage dazu lautet welche Position Deutschland im Falle eines militärischen Konfliktes einnehmen wird bzw. würde? Die Türkei gehört ja zur NATO und sollte Israel ein türkisches Schiff versenken würde der Verteidigungsfall eintreten. Anderseits gilt unsere uneingeschränkte Solidarität gegenüber dem Staat Israel.

Wie kann dieser Widerspruch aufgelöst werden? Und wie stehen Sie zu der Gaza Blokade?

Mit freundlichen Grüßen,

Oliver Graute

Quellen:
http://www.welt.de/die-welt/politik/article8051334/Die-Tuerkei-schlaegt-die-grosse-Trommel.html
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,698063,00.html

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Graute,

herzlichen Dank für Ihre Frage auf www.abgeordnetenwatch.de zu den Ereignissen vom 31. Mai 2010 um die „Gaza-Solidaritätsflotte“

Hierzu möchte ich folgendes bemerken:

Die Militäraktion der israelischen Streitkräfte gegen die großenteils unter türkischer Fahne fahrende „Gaza-Solidaritätsflotte“ am 31. Mai 2010 hat in der ganzen Welt starke Reaktionen ausgelöst. Die tragischen Ereignisse haben neun Menschenleben gefordert. Darüber hinaus wurden etwa 30 Menschen, darunter auch israelische Soldaten, verletzt.

Die Schiffe der „Solidaritätsflotte“ mit etwa 680 Aktivisten an Bord transportierten Hilfsgüter und Baumaterialien für die Menschen in Gaza. Sie hatten nach eigener Aussage Beteiligter aber vor allem das Ziel, die bestehende Seeblockade, die Israel über Gaza verhängt hat, zu durchbrechen. Es gibt Hinweise, dass manche der Organisatoren der Flotte über Verbindungen zur radikalislamischen Hamas verfügen.

Die israelischen Soldaten sind mit Gewalt unter Einsatz von Schusswaffen vorgegangen, als sie nach Aussagen der israelischen Regierung von Aktivisten angegriffen wurden. Es bestehen Hinweise, dass beim Einsatz von Gewalt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt wurde.

Das israelische Kabinett hat am 14. Juni 2010 eine Untersuchung des Einsatzes gegen die Solidaritätsflotte unter internationaler Beteiligung beschlossen. Die Vorgänge sollten im Rahmen der Untersuchung umfassend aufgeklärt werden, wobei auch die Beteiligung von Vertretern des Nahost-Quartetts, dem die EU, die Vereinigten Nationen, Russland und die USA angehören, sinnvoll wäre.

Durch die Ereignisse vom 31. Mai 2010 hat sich die Aufmerksamkeit erneut auf die Situation der Menschen in Gaza gerichtet. Die Lebenslage dort muss dringend verbessert werden. Ca. 80 Prozent der Zivilbevölkerung sind auf Lebensmittelhilfe und Transferleistungen angewiesen. Daher halte ich die Ankündigung der israelischen Regierung vom 20. Juni 2010, die Positivliste von Gütern, deren Einfuhr möglich ist, in eine Negativliste verbotener Güter wie Waffen und waffenfähiges Material zu verwandeln, für richtig und denke, dass diese Änderung rasch umgesetzt werden sollte.

Deutschland trägt als einer der größten bilateralen Geber zum Aufbau von Infrastruktur, zur Verbesserung der Bildung, zu Beschäftigungsprogrammen und zum Aufbau einer nachhaltigen Wirtschaft in den palästinensischen Gebieten bei. Bei der internationalen Geberkonferenz für die palästinensischen Gebiete in Paris im Dezember 2007 sagte die Bundesregierung bis zum Jahr 2010 Unterstützung in Höhe von 200 Millionen Euro zu. Auf dem Gebertreffen für den Gazastreifen im März 2009 stellte die Bundesregierung 150 Millionen Euro bereit. Ein weiterer Schwerpunkt des deutschen Engagements liegt in der Unterstützung des Aufbaus palästinensischer Sicherheitskräfte. Sie sind unverzichtbare Voraussetzung für einen funktionsfähigen palästinensischen Staat.

Dennoch ist für uns als Union klar, dass Israels legitime Sicherheitsinteressen vollständig gewahrt werden müssen. Das Existenzrecht Israels muss allgemein anerkannt werden, vor allem durch die radikalislamische Hamas. Wie Sie es richtig in Ihrem Schreiben an mich ansprechen, hat Deutschland in der Frage der Sicherheit Israels eine historische Verpflichtung. Es ist nach unserer tiefen Überzeugung Teil der deutschen Staatsräson, die Sicherheit des Staates Israel zu garantieren, wie es auch die Bundeskanzlerin in ihrer Rede vor der Knesset 2008 zum 60. Jahrestag der Gründung des Staates Israel erklärt hat.

Eine nachhaltige Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts ist nach Überzeugung Deutschlands und seiner Partner nur auf dem Verhandlungsweg zu erreichen. Voraussetzung hierfür ist der ernsthafte Wille aller beteiligten Akteure, sich auf Verhandlungen einzulassen. Die Konfliktparteien benötigen zusätzlich Unterstützung von außen. Deutschland trägt durch seine Geschichte eine besondere moralische Verantwortung für die Sicherheit und Existenz des Staates Israel. Gleichzeitig unterstützt es aber auch die Gründung eines unabhängigen palästinensischen Staates und setzt sich somit für eine Zwei-Staaten-Lösung ein. Da derzeit die Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern auf Eis liegen, konzentrieren sich die internationalen Bemühungen darauf, die Parteien so bald wie möglich wieder an den Verhandlungstisch zu bringen. Nach meiner Ansicht kann nur ein umfassender Prozess, der auf der Roadmap, dem Annapolis-Prozesse, den so genannten „Proximity Talks“ und weiteren Friedensinitiativen aufbaut, in dem offene Statusfragen geklärt werden und der in einer -zwei-Staaten-Lösung mündet, zu einem tragfähigen Frieden im Nahen Osten beitragen.

Eine offizielle Stellungnahme zu dieser Frage bezieht der Deutsche Bundestag in einem interfraktionellen Antrag der Fraktionen von CDU/CSU, FDP, SPD und Bündnis 90/ Die Grünen, in dem wir die Bundesregierung zur Aufklärung der Ereignisse um die Gaza-Flotte vom 31. Mai 2010, zur Verbesserung der allgemeinen Lage der Menschen in Gaza und zur weiteren Unterstützung des Nahost-Friedensprozesses auffordern. Mit diesem Antrag hat die Unionsfraktion gemeinsam mit der FDP-Fraktion den parteiübergreifenden Konsens hergestellt, den wir in dieser Debatte brauchen.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Klimke