Wie wollen Sie den Tausenden von Menschen in Sachsen helfen, die durch das Raster der gesetzlichen Krankenversicherung gefallen sind und nur noch Anspruch auf Notfallversorgung haben?

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Juliane Nagel
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Frage von Marius P. •

Wie wollen Sie den Tausenden von Menschen in Sachsen helfen, die durch das Raster der gesetzlichen Krankenversicherung gefallen sind und nur noch Anspruch auf Notfallversorgung haben?

Schätzungsweise tausende Sachsen sind durch das Raster der gesetzlichen Krankenversicherung gefallen, darunter auch Menschen ohne deutschen Pass und Sachsen ohne Migrationshintergrund, wie z.B. Selbstständige, die sich die Beiträge ihrer privaten oder gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr leisten können. Sie sind auf ehrenamtlich tätige Ärzte oder förderfähige Hilfsprojekte angewiesen. Wie gehen Sie politisch mit diesem Thema um? Wie wollen Sie entsprechende Hilfsangebote durch den Freistaat Sachsen unterstützen lassen?

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Lieber Marius P.

das angesprochene Thema liegt mir außerordentlich am Herzen. Wir haben als Linksfraktion im Landtag bereits in den letzten beiden Legislaturperioden Anträge für den Zugang zur und Verbesserung der Gesundheitsversorgung für Geflüchtete im Asylbewerberleistungsgesetzbezug, für Menschen ohne Papiere („Sans papier“) und andere, die nicht in die Krankenversicherung inkludiert sind, gestellt. Vertreter*innen von Medinetz Dresden und Cabl e.V. waren auch Sachverständige in der Anhörung zu unserem Antrag „Als Lehre aus der Corona-Krise – Zugang zu guter Gesundheitsversorgung für alle garantierten und organisieren“ (https://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=3263&dok_art=Drs&leg_per=7&pos_dok=0&dok_id=undefined).

Mit dieser Initiative haben wir die flächendeckende Etablierung von Clearingstellen gefordert, die für eine (Re)Integration von Menschen ohne Krankenversicherung ins Regelsystem sorgen, aber auch für die Ausgabe von anonymen Behandlungsscheinen und Kostenübernahme durchs Land. Aufgrund des Engagements unserer Stadtratsfraktion in Leipzig gibt es seit einigen Jahren eine kommunale Förderung für die Clearingstelle mit Behandlungsscheinbudget von cabl e.V.. Nötig ist zudem die Kostenübernahme für Sprachmittlung, da viele der Betroffenen entweder nicht über eine Aufenthaltsstatus verfügen oder EU-Bürger*innen sind. 

Es braucht aus meiner Sicht endlich eine landesweite Clearing-Stelle mit mobilem Clearing-Angebot und die Vergabe von Anonymen Behandlungsscheinen. Auf Bundesebene muss der § 87 Aufenthaltsgesetz insofern verändert werden, dass die Behörden, die für die Kostenübernahme der Behandlung von illegalisierten Menschen verantwortlich sind, von der Übermittlungspflicht ausgenommen werden.

Ziel muss es aber sein, die Regelstruktur des Gesundheitssystems für alle so zu öffnen, dass ehrenamtliches und spendenfinanziertes Engagement überflüssig wird. So könnten die kommunalen Gesundheitsämter Clearingstellen betreiben und Behandlungsscheine ausgeben, in erster Linie aber dafür sorgen, dass Menschen in die Regelsysteme integriert werden. Hinzu muss ein bedarfsgerechter Ausbau und Erhalt von öffentlichen, nicht-profitorientierten medizinischen Versorgungsstrukturen kommen, der mit niedrigschwelligen Angeboten auch Zielgruppen wie Wohnungslose oder sans papier erreicht. Da die Angst von marginalisierten Gruppen staatliche Einrichtungen wahrzunehmen allerdings groß ist und bleiben wird, sind freie Träger im Sinne des Subsidaritätsprinzips unbedingt hinzuzuziehen um als Brücken zu fungieren (z.B. durch Anlaufstellen oder mobile, aufsuchende Angebote) und konkret auch aufenthaltsrechtliche Beratungen zu gewährleisten. Dies kann jedoch nicht ehrenamtlich oder über Projektförderungen geschehen, sondern durch Strukturfinanzierungen. Voraussetzung für diese Modelle ist allerdings die Abschaffung der Übermittlungspflichten für die öffentlichen Stellen. Dafür werde ich mich (weiter) einsetzen. 

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