Frage an Jutta Haug bezüglich Finanzen

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Jutta Haug
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Frage von Michael U. •

Frage an Jutta Haug von Michael U. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Haug,

Am 20. April 2009 hatten Sie mir auf Abgeordnetenwatch eine Frage zum Thema FISIM ("unterstellte Bankgebühr") und EU-Haushalt beantwortet.

Sie hatten mich dabei auf die Entlastungsentschließung für das Haushaltsjahr 2007 (www.europarl.europa.eu) hingewiesen, in der das Parlament auf Antrag ihres Fraktionskollegen Bösch festgehalten hat, dass die Erhöhung des Bruttonationaleinkommens (BNE) der 27 Mitgliedstaaten der Union (EU-27) aufgrund der Einbeziehung der FISIM 149 Milliarden EUR im Jahr 2007 (d. h. 1,2 % des BNE der EU-27) beträgt, dass sich also das BNE auf der Grundlage dieses neuen statistischen Konzepts um einen Betrag erhöht, der deutlich größer ist als das Volumen des gesamten Haushalts der Union;

Ferner hat das Parlament gefordert, dass rückwirkend zum 1. Januar 2007 bei der Berechnung der Eigenmittel der Gemeinschaften die BNE-Daten herangezogen werden, die FISIM einschließen, und dass auf dieser Grundlage die bisher von den Mitgliedstaaten geleisteten und künftig noch zu leistenden Zahlungen neu berechnet werden.

Jetzt schlägt ihr Kollege Dehaene in seinem Bericht (2009/0068(CNS) dem Haushaltsausschuss des Parlaments vor, auf diese vom Parlament noch vor einem Jahr nachdrücklich geforderte rückwirkende Anwendung nun doch zu verzichten, um Konflikte unter den Mitgliedstaaten zu vermeiden.

Diesen Vorschlag macht er, obwohl er einräumt, das von der Kommission vorgeschlagene rückwirkende System sei logisch und stehe mit den verschiedenen
Stufen der einschlägigen europäischen Rechtsvorschriften im Einklang.

Haben Sie diesem Vorschlag von Herrn Dehaene zugestimmt?

Stimmt es, dass dieser Konflikt vor allem dadurch entstanden ist, dass Griechenland (!) und das Vereinigte Königreich die Vorlage ihrer nationalen FISIM-Zahlen um Jahre verzögert haben?

Falls ja, sind Sie der Meinung, dass diese Länder dafür nun mit dem oben beschriebenen Vorschlag von Herrn Dehaene belohnt werden sollten?

Mit freundlichen Grüßen

Michael Urnau

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Urnau,

wie bereits mit meiner Antwort vom April 2009 angedeutet, ist es sehr ungewöhnlich, (Nach-)Fragen zum Thema FISIM zu erhalten. Dennoch möchte ich Ihnen gerne die von Ihnen nun aufgeworfenen Fragen beantworten.
Vorab möchte ich erneut darauf hinweisen, dass sich auch mit dem Lissabon-Vertrag die Bestimmungen über das System der Eigenmittel nicht verändert haben. Artikel 311 besagt, dass der Rat gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren einstimmig und nach Anhörung des Europäischen Parlaments diese Eigenmittelbestimmungen beschließt. So ist auch der von Ihnen zitierte Bericht meines belgischen Kollegen Jean-Luc Dehaene über den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Aufgliederung der unterstellten Bankgebühr (FISIM) zur Ermittlung des Bruttonationaleinkommens (BNE) für die Zwecke des Haushaltsplans und der Eigenmittel der Gemeinschaft in diesem vertraglichen Kontext zu sehen.
Dieser Berichtsentwurf wurde während der Haushaltsausschusssitzung am 23. Februar 2010 beraten und abgestimmt. Aufgrund der Regelung einer persönlichen Angelegenheit war es mir nicht möglich, an der gesamten Ausschusssitzung teilzunehmen, so dass ich an dieser Abstimmung nicht teilgenommen habe. Gleichwohl hat meine Fraktion dem Vorschlag des Berichterstatters aus folgenden Gründen uneingeschränkt zugestimmt. Theoretisch ist richtigerweise vom Berichterstatter argumentiert worden, dass das von der Kommission vorgeschlagene System logisch ist und mit den europäischen Rechtsvorschriften im Einklang steht und durchaus vom Europäischen Parlament akzeptiert werden könnte. Allerdings gibt es auch die vertragliche wie die praktische Seite. Die Stellungnahme des Europäischen Parlaments ist aufgrund der Natur des Dossiers für den Rat nicht bindend. Ebenso würde in der Diskussion jeder Mitgliedstaat im eigenen Interesse das für ihn günstigste Datum für eine rückwirkende Anwendung vorschlagen. Ebenso ist vor allem eine rückwirkende Anwendung auf 2005 rechtlich anfechtbar, da die damals geltende mittelfristige Finanzplanung bereits Ende 2006 ausgelaufen ist. Um diesem Disput nicht noch Vorschub zu leisten, ist der Ausschuss der Auffassung, mit der Aufgliederung des FISIM auf das BNE erst ab dem 1. Januar 2010 zu beginnen. Aus diesem Grund kann auch keineswegs von einer Belohnung für Griechenland und das Vereinigte Königreich die Rede sein.
Ich kann in diesem Zusammenhang nur nochmals bedauern, dass auch der Lissabon-Vertrag leider nicht für mehr Transparenz und demokratische Kontrolle in der Finanzierung der Europäischen Union hat sorgen können.

Es grüßt Sie
Jutta Haug