Frage an Katja Kipping bezüglich Soziale Sicherung

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Frage an Katja Kipping von Josef W. bezüglich Soziale Sicherung

Es geht mir im Folgenden um eine gerechte Behandlung der "Besonders langjährig Versicherten" (45 Versicherungsjahre) gegenüber den "Langjährig Versicherten“ (35 Versicherungsjahre) in der gesetzlichen Rentenversicherung:

Die derzeitige Regelung sieht vor, dass "besonders langjährig Versicherte" auch künftig mit 65 Lebensjahren abschlagfrei in die normale Altersrente gehen können.
Wenn diese Personengruppe sich nun aber für den Vorruhestand entscheidet wird die Rente pro Monat um 0,3% gekürzt. Für die "besonders langjährig Versichten“ wären dies eigentlich 24 Monate x 0,3% (für die Zeit vom 63.ten bis zum 65.ten Lebensjahr), also 7,2%.

Die aktuelle Regelung sieht aber vor, dass hier eine Kürzung bis zum gesetzlichen Regelrenteneintritt vorgenommen wird. Für den Jahrgang 1956 (Mindestalter 65 Jahre und 10 Monate) bedeutet dies eine weitere Kürzung von 3% (10 Monate x 0,3%) mtl. Der o.g. Personenkreis mit Jahrgang 1956 muss also bei Vorruhestand eine Rentenkürzung von 10,2% hinnehmen.

Diese Situation hatte ich bereits Herrn Binninger MdB am 20.1.2012 geschildert.

In der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 4.12.2008 heisst es, dass "Besonders Langjährig Versicherte" die vor dem 1.1.1942 geboren wurden gegenüber "Langjährig Versicherten" begünstigt werden können, dies sei "sachlich gerechtfertigt".

Ich pers. gehe davon aus, dass Personen die nach dem 1.1.1942 geboren wurden, diesen Anspruch heute nicht mehr geltend machen können. Jedoch haben Sie nun den Fall, dass "besonders langjährig Versicherte" gegenüber "langjährig Versicherten“ benachteiligt werden. Dies stellt dann aber das, in der o.g. Pressemitteilung angeführte, Urteil des Bundesverfassungsgerichts auf den Kopf.

Können Sie dieses Thema in Ihrem Ausschuss besprechen und danach wenigstens eine Gleichbehandlung von "Besonders langjährig Versicherten" gegenüber "Langjährig Versicherten" bewirken, so dass bei ALLEN die Formel "vorzeitige Rentenmonate mal 0,3%" Anwendung findet?

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Wamhoff,

das Urteil, das Sie zitieren, bezieht sich nach meinem Verständnis nicht auf die mit der Rente ab 67 neu geschaffene Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach § 38 SGB VI, sondern auf die auslaufenden Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit und nach Altersteilzeit. Die Altersrente für besonders langjährig Versicherte kennt keine Unterscheidung zwischen Geburtsjahrgängen, sondern gilt für alle Versicherten, die das 65.Lebensjahr vollendet und die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt haben. Sie können auch bei Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre weiter mit 65 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen. Eine Ungleichbehandlung liegt daher nicht vor. Das „Privileg“ dieser Gruppe gegenüber der Gruppe der langjährig Versicherten ist nicht Gegenstand des Urteils. Die Urteilsbegründung legt aber nahe, dass das Verfassungsgericht hier ebenfalls argumentieren würde, dass die Privilegierung dieser Gruppe durch ihre dauerhafte und berechenbare Beitragsleistung gerechtfertigt ist.
Das Problem sind vielmehr die Anderen: diese können zwar weiterhin ab 63 Jahren vorzeitig in Rente gehen, allerdings steigen für sie die Abschläge aber mit jedem Monat, den das Rentenalter angehoben wird, um 0,3 Prozent bis auf satte maximale 14,4 Prozent im Jahr 2029. Und weil viele Ältere eben trotz Anhebung des Rentenalters nicht länger in Beschäftigung sind, bedeutet für sie die Rente ab 67 nichts anderes als eine Rentenkürzung durch erhöhte Abschläge. Wie viele Menschen das betreffen wird, das lässt sich z.B. daran ablesen, dass aktuell nur 26,4 Prozent der 60- bis 64-Jährigen in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung sind. Mit 64 Jahren sind es sogar nur 13,7 Prozent.
DIE LINKE hat die Rente ab 67 daher immer strikt abgelehnt und tut dies weiterhin. Wir brauchen andere Maßnahmen, um die Rentenkassen fit für den demografischen Wandel zu machen: Dazu gehört zentral die Einbeziehung aller Erwerbstätigen in eine solidarische Rentenversicherung, die paritätische Finanzierung der Alterssicherung und eine Umverteilung zugunsten der Lohneinkommen. Das Rentenalter darf nicht angehoben werden, sondern sollte perspektivisch eher abgesenkt werden. Für Menschen, die 40 Jahre lang Beiträge gezahlt haben, sollte außerdem ein abschlagsfreier Rentenzugang unabhängig vom Alter ermöglicht werden.

Mit freundlichen Grüßen
Katja Kipping