Frage an Katja Kipping bezüglich Finanzen

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Katja Kipping
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Frage von Sven Z. •

Frage an Katja Kipping von Sven Z. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Kipping,

ich habe mir das Konzept Ihrer Partei zum bedingungslosen Grundeinkommen angesehen. Die Idee ist sicherlich ganz interessant, dennoch habe ich einige Bedenken, dass ein solches Konzept funktionieren koennte. Wuerden Sie mich bitte Ihre Meinung zu folgenden Punkten wissen lassen:

1. Sie wuerden die Steuerlast drastisch erhoehen. Dadurch waere es moeglich, dass Steuerhinterziehung bei mittleren Einkommen und Abwanderung bei hohen Einkommen massiv zunehmen wuerden, so dass eine Finanzierung wie Sie Ihnen vorschwebt unmoeglich waere. Was spricht Ihrer Meinung nach dafuer, dass dies nicht so sein wuerde.

2. Wie wollen Sie ausschliessen, dass ein solches System, dessen Attraktivitaet wohl "Schmarotzer" aus aller Welt anziehen wuerde, nicht ausgenutzt wird?

3. Wie wollen Sie ausschliessen, dass das bedingungslose Grundeinkommen bei jungen Leuten (die gut mit geringen Betraegen haushalten koennen) nicht zu einer Gewoehnung an das Nicht-Arbeiten und somit nachhaltig zu asozialem Verhalten und einer Schwaechung unserer Volkswirtschaft fuehrt?

Fuer Ihre Antwort danke ich Ihnen sehr herzlich im Voraus.

Viele Gruesse,
Sven Zimmermann

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Zimmermann,

vielen Dank für Ihre Anfrage über abgeordnetenwatch.de, die ich Ihnen gern beantworte:

Es gibt leider kein Konzept der Partei DIE LINKE. für ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Bislang gibt es "nur" einen Vorschlag der Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE., nachzulesen unter www.die-linke-grundeinkommen.de .

Zu Ihren Fragen:

1. Jede Erhöhung von Steuern - ganz gleich für welchen Zweck - muss politisch und gesellschaftlich akzeptiert werden. Wenn dies erfolgt, dann sind die Fragen der Bekämpfung von Steuerhinterziehung nachgelagerte, technisch zu lösende Fragen. Das gilt heute, das gilt auch morgen so. Der Vorschlag der BAG für ein Grundeinkommen stellt den größten Teil der Bevölkerung finanziell besser. Es ist ein Konzept der Umverteilung von oben nach unten. Insofern ist von einer hohen Akzeptanz des Modells auszugehen, auch damit zusammenhängender steuerlicher Regelungen.

2. Das BGE ist keine Leistung für "Schmarotzer". Es ist ein Menschenrecht. Die Verunglimpfung von Menschen als Schmarotzer hat leider eine lange Geschichte hinter sich. Ziel dieser Ideologie ist es, Menschen von dem unbedingten Recht auf eine Teilhabe an der Gesellschaft auszuschließen. Sie fand ihren Höhepunkt in der physischen Vernichtung so genannter "Arbeitsscheuer" in Konzentrationslagern. Die menschenverachtende Ideologie des Schmarotzertums lehne ich als Linke energisch ab. Ein weiteres Thema, welches in Ihrer Frage mitschwingt, ist die des Grundeinkommens als Globales Soziales Recht. Dazu folgendes: Wenn das Grundeinkommen ein Menschenrecht ist, dann steht dieses Recht allen Menschen zu. Das heißt, dass das Grundeinkommen perspektivisch in der ganzen Welt einzuführen ist. Schon jetzt finden sich in vielen Ländern konkrete Umsetzungen eines Grundeinkommens bzw. erste Schritte dahin, so z.B. in Namibia und in Brasilien.

3. Ich weiß nicht, was Sie unter "Gewöhnung ans Nichtarbeiten" verstehen, auch nicht was Sie als "Nichtarbeit" qualifizieren. Die alltäglichen und wissenschaftlichen Erfahrungen zeigen, dass Menschen sich gern für eine Sache engagieren, für die sie anerkannt werden, in denen sie einen Sinn erkennen, in der sie sich mit anderen messen können. Das gilt für Menschen aller Altersgruppen. Die andere Frage ist, ob sie für diese Tätigkeiten bezahlt werden oder ob bezahlte Tätigkeiten diesen Anforderungen genügen. Was die Volkswirtschaft betrifft, so wäre erstens zu fragen, ob alles, was in dieser produziert wird, überhaupt notwendig und sinnvoll ist (erst recht ökologisch vertretbar ist). Zweitens wäre zu fragen, wie die bezahlte Tätigkeit, im bisherigen Verständnis von Wirtschaft, zu demokratisieren ist und die Bedingungen dieser Wirtschaftstätigkeiten so zu gestalten sind, dass sie für die Menschen attraktiv sind. Das Grundeinkommen impliziert diese Frage nach der konkreten Verfügungsmacht über Produktion und Konsumtion und nach der individuellen Verantwortung für das eigene Tun und Lassen. Es überwindet die per Existenznot und Teilhabeverweigerung "organisierte Verantwortungslosigkeit".

Mit freundlichen Grüßen
Katja Kipping