Frage an Kirsten Tackmann bezüglich Verbraucherschutz

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Kirsten Tackmann
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Frage von Elisabeth P. •

Frage an Kirsten Tackmann von Elisabeth P. bezüglich Verbraucherschutz

Zur Abstimmung der Seuchenschutzverordnung:
Thema: Verbraucherschutz
Sehr geehrte Frau Tackmann,
jeder Virologe kann bestätigen, dass Viren gerade in enger Stallhaltung durch die dadurch entstehenden schnellen aufeinanderfolgenden Körperpassagen leicht zu höher pathogenen Formen mutieren (Gen-Drift), wie es z. B. auch in Niederlanden und Kanada geschah.

Herr Mettenleiter bestätigte mir mündlich am Rande einer Tagung , dass auch er davon ausgehe, H5N1 sei in einer südostasiatischen industriellen geschlossenen Tierhaltung entstanden. Der Impfstoff, den er entwickelt, braucht noch ca. 10 Jahre bis zur Marktreife - auch soll er gar nicht flächendeckend eingesetzt werden, sondern nur als "Ringimpfung" bei Ausbrüchen.
Die jüngsten Vorfälle zeigen klar, dass eine Stallpflicht vor H5N1 nicht schützt. Russland hat das Problem in den großen Ställen immer wieder und gibt offen zu, dass der Handel die Ursache ist, in Großbritannien, Tschechien, Frankreich und Deutschland selbst waren fast ausnahmslos große, geschlossene Stallanlagen betroffen. Der jüngste Fall deutet auf weitere unentdeckte Fälle hin, da die Tiere ja nicht starben und in
diesen Systemen ohnehin vor sich hin leiden (Augenentzündungen durch fehlendes Badewasser).

Obgleich sich Ornithologen schon seit Jahren für eine strengere Kontrolle des legalen Handels und eindeutig gegen die Zugvogel-These aussprechen und sogar die FAO am 3.09.07 darauf hinwies, dss Wildvögel kaum, große Zuchanlagen aber in großem Ausmaß von H5N1 betroffen sind (Baseler Zeitung), soll jetzt eine Seuchenschutzverordnung erstellt werden, die Stallpflicht vorschreibt - die nur Alibi-Funktion erfüllt, vor Ausbrüchen in Stallsystemen - wie geschehen - nicht schützt und die Freilandhaltungen in den Ruin treibt!

Bitte teilen Sie uns mit, ob Sie sich dafür einsetzen werden, dass Freilandhaltungen weiterhin wirtschaftlich möglich bleiben und endlich die wirklichen Ursachen angegangen werden! Vielen Dank!

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Petras,

vielen Dank für Ihre Anfrage auf Abgeordnetenwatch. Gleichzeitig bitte ich Sie um Entschuldigung, dass ich erst jetzt darauf antworte.

Zu Ihrer Anfrage: Glücklicherweise ist die Anzahl der Nachweise von H5N1 in Deutschland zurückgegangen und beschränkt sich aktuell auf Einzelfälle. Die letzten Nachweise betrafen ausgerechnet sehr kleine Hühnerbestände in Freilandhaltung in meinem eigenen Wahlkreis.

So wurde aufgrund der Seuchenschutzverordnung in dem betroffenen Landkreis Ostprignitz-Ruppin und in den Nachbarkreisen Waren - Müritz und Prignitz Ende Dezember 2007 die Stallpflicht angeordnet. Nach der gültigen Seuchenschutzverordnung liegt die Anordnung für die Stallpflicht in den Landkreisen. Sie wird von diesen auch wieder aufgehoben, sobald über einen Mindestzeitraum von einem Monat keine neuen Infektionen von H5N1 oder verwandten Stämmen vorliegen. In dem betroffenen Gebiet im Nordwesten Brandenburgs konnte nach vier Wochen Ende Januar 2008 die Stallpflicht wieder aufgehoben werden, so dass auch die kleinen Geflügelhalter wieder die Tiere ins Freie lassen konnten. Die gleiche Situation hatten wir im Landkreis Oberhavel und benachbarten mecklenburgischen Landkreisen. Diese Fälle zeigen meines Erachtens, dass durchaus ein, wenn auch offensichtlich aktuell geringes, Infektionsrisiko besteht und die Regelung der Seuchenschutzverordnung dazu beiträgt, Ausbrüche schnell unter Kontrolle zu bekommen. Man kann sicher drüber streiten, wie effizient die Stallpflicht ist. Dennoch scheint die Stallpflicht in den Risikoregionen einen Beitrag zur Verhinderung von Folgeausbrüchen zu leisten. Wenn in dem Dorf, in dem H5N1aufgetreten ist, alle Nachbarn weiter ihr Geflügel im Freien hätten halten dürfen, ist zumindest die Gefahr nicht zu leugnen, dass das Seuchengeschehen weniger schnell oder eventuell gar nicht abklingt. Angesichts der Tierseuchenrelevanz und der humanmedizinischen Relevanz des Erregers ist aus meiner Sicht der Verhütung einer Ausbreitung des Erregers im Vorsorgegedanken hohe Priorität einzuräumen.

Ich gebe Ihnen aber Recht darin, dass die Seuchenschutzverordnung nicht dazu führen darf, dass die Freilandhaltung von Geflügel in Deutschland aufgrund unangemessen restriktiver Regelungen nicht mehr möglich ist. DIE LINKE hat sich im Bundestag immer dafür eingesetzt, dass Regelungen getroffen werden, die auch die Interessen der kleineren Geflügelhaltungen, einschließlich der Hobbyhaltungen, angemessen berücksichtigen. Zum Beispiel haben wir gefordert, eine Impfmöglichkeit für Freilandhaltungen, insbesondere von Klein-, Hobby- und Zuchthaltungen, nach dem niederländischen Modell zumindest ernsthaft zu prüfen. Leider ist der aktuelle Wissensstand so, dass mit den verfügbaren Impfstoffen weder ein wirksamer Impfschutz gegen H5N1 erzielt werden kann, noch die Ausscheidung von Virus verhindert wird, also Infektionsübertragungen nicht ausgeschlossen werden können. Damit kann leider diese Option im Moment nicht zur Lösung der Probleme beitragen. Sie haben natürlich Recht mit der Aussage, dass wir dringend mehr Forschung brauchen: zu den wirklichen Ursachen der Ausbrüche und zu den Übertragungsrisiken. Wir haben immer wieder die Forderung gestellt, ausreichend Kapazitäten und Mittel bereit zu stellen, um die Forschung effizient und auf die Problemlösung der Geflügelhalter orientiert auszurichten, statt prioritär auf die Grundlagenforschung.

DIE LINKE hat deshalb auch dem Neubau des Friedrich Löffler Instituts auf der Insel Riems zugestimmt, weil die Kolleginnen und Kollegen dort dringend bessere Arbeitsbedingungen brauchen. Gleichzeitig kritisieren wir aber weiter scharf die geplante Verlegung der einzigen Forschungseinrichtung, die sich mit wissenschaftlichen Konzepten zur Verhütung und Bekämpfung von Tierseuchen beschäftigt, von Wusterhausen in Brandenburg zum für diese Arbeiten ungeeigneten Standort Insel Riems. Wer die Zeichen der wirtschaftlichen Bedrohung unserer Nutztierbestände durch Tierseuchen im Zeitalter globalisierter Personen- und Handelsströme erkannt hat, muss zwangsläufig erkennen, dass nicht die Schließung, sondern die Stärkung des zentralen, unweit von Berlin liegenden Epidemiologie-Standortes Wusterhausen dringend erforderlich ist.

Ich hoffe, dass ich Ihnen damit Ihre Anfrage beantworten konnte und verbleibe

mit freundlichen Grüßen
Dr. Kirsten Tackmann, MdB