Frage an Klaas Hübner bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Klaas Hübner
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Frage an Klaas Hübner von Frank B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Hübner,
mit Ihren Antworten bin ich leider nicht zufrieden.
Haben Sie wirklich den EU-Reformvertrag gelesen und verstanden?

Der Beitrag in Panorama: http://de.youtube.com/watch?v=kMWiIMTZHcE

Ihre Aussage: "Für einen Beschluss müssen mindestens 15 Mitgliedstaaten, die mindestens 65 % der EU-Bevölkerung darstellen stimmen." Richtig ist, dass 55% aller Mitgliedstaaten und mindestens 65% der Bevölkerung dafür sein müssen (siehe Video oben)
Ihre Aussage: Erstmalig könnten die Bürger der EU mit einem Bürgerbegehren (...) ein Gesetzgebungsverfahren initiieren. Richtig ist, dass es wenig Sinn macht. Erstens hat ein Bürgerbegehren keine Rechtsverbindlichkeit, so dass bei Nichteinigung auch ein Volksentscheid folgt. Hinzu kommt, das im vereinfachten Änderungsverfahren der europäische Rat durch europäischen Beschluss einstimmig die Verfassung in den internen Bereich der Union in allen oder einem Teil der Bestimmungen des Teil III Titel III ändern kann (Art. IV-445 Abs. 2 VV)
Ihre Aussage: "Die Grundrechtscharta sieht eine Verbesserung und Ausweitung des Grundrechtsschutzes der Bürger vor." Dem ist leider nicht so! Der Grundrechtetext enthält gut 20 unterschiedliche Formulierungen für die Intensität des Grundrechteschutzes, etwa die Worte wie "garantieren“, „schützen“, „einhalten“, „gewährleisten“, „anerkennen“ und „achten". Wesentliche Grundrechte sind mit dem Wort „achten“ formuliert, das nur eine geringe Schutzintensität verspricht. „Achten“ bedeutet, dass die Politik diese „Grundrechte“ neben anderen Aspekten zu berücksichtigen hat, mehr nicht.

In allen 27 Mitgliedstaaten ist die Todesstrafe abgeschafft und die EU setzt sich weltweit für die Abschaffung ein. Warum soll dennoch die Todesstrafe im Kriegsfall, bei Aufruhr oder Aufstand eingeführt werden? (Artikel 2 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 2 des Protokolls 6) (Vor Antwort bitte Artikel 146 GG beachten!)

Sind Sie bereit auf Fragen von mir zum Thema Eu-Reformvertrag vor laufender Kamera zu antworten?
mfg

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Borgmann,

ungeachtet Ihrer offensichtlichen und bedauerlichen Europaskepsis, erscheint es mir unfair gegenüber den ernsthaft interessierten Nutzern von Abgeordnetenwatch, dass Sie diese Plattform zu Massenanfragen und Diskreditierungen nutzen, was sicherlich nicht der Grundidee entspricht.

Nur zur Klarstellung:

Der Artikel 9c, 4 des EU-Reformvertrags definiert die qualifizierte Mehrheit wie folgt: "eine Mehrheit von mindestens 55 % der Mitglieder des Rates, gebildet aus mindestens 15 Mitgliedern, sofern die von diesen vertretenen Mitgliedstaaten zusammen mindestens 65 % der Bevölkerung der Union ausmachen." Die Antwort ist also richtig.

Allein die Tatsache, dass ein europaweites Bürgerbegehren möglich ist, ist ein Fortschritt. Ich teile Ihre Auffassung nicht, dass ein solches Begehren keinen Einfluss hätte. Durch ein Bürgerbegehren können die Bürger Themen auf die politische Agenda setzen und keine Partei oder Institution kann es sich leisten, ein erfolgreiches Bürgerbegehren zu ignorieren.

Für die Gültigkeit der Grundrechte sind die vorangestellten Definitionen der Grundrechte entscheidend. Die nachgestellten Formulierungen wie "achten" oder "schützen" beschreiben nur die Aufgaben der EU, sie beschneiden die Grundrechte nicht in ihrer Gültigkeit.

In Artikel 6 des EU-Reformvertrages heißt es: "Die Union erkennt die Rechte, Freiheiten und Grundsätze an, die in der Charta der Grundrechte [...] niedergelegt sind". Damit würde die Charta der Grundrechte rechtsverbindlich. Die Charta verbietet die Todesstrafe in Artikel 2 ausdrücklich: "Niemand darf zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden." Zudem gilt Artikel 102 des Grundgesetzes: "Die Todesstrafe ist abgeschafft."

Mit freundlichen Grüßen

Klaas Hübner