Frage an Klaus Hänsch bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Klaus Hänsch
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Frage von Konrad A. •

Frage an Klaus Hänsch von Konrad A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Hänsch!

Man kann jede vier Jahre sich an den Europawahlen beteiligen. Ein Wahlkampf findet kaum statt. Kaum jemand kennt die politischen Inhalte und Schwerpunkte der Fraktionen im Europaparlament.
Hinzu kommt, daß laut Prof. Herzog 84% der Gesetze die uns betreffen, bereits von der EU kommen. Herr Herzog meinte u.a., daß man nicht mehr uneingeschränkt von einer parlamentarischen Demokratie sprechen könne.

Zudem hat das Europaparlament zu wenig zu sagen. Die Forderungen von Mehr Demokratie e.V. kennen Sie sicher.
Es ist nicht in Ordnung, daß wir von EU-Kommissionen mit Erlassen, Verordnungen usw. zugebombt werden, diese aber m.E. demokratisch nicht legitimiert ist.

Warum dürfen wir- die Völker Europas- nicht endlich selbst über wichtige Dinge wie z.B. den Grundlagenvertrag oder der Aufnahme neuer Staaten entscheiden?
Die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands wollen ein soziales Deutschland und ein soziales Europa. Dazu gehört zwingend, daß man Mindeststandards einführt, die Menschen mitentscheiden lässt und nicht ständig noch mehr Mitgliedsländer aufnimmt.
Ich habe übrigens meinen Job verloren, der jetzt von einem polnischen Billigarbeiter gemacht wird. Zum Dank für 30 Jahre schufften ( in der Gastronomie) , werde ich nun vom Arbeitsamt drangsaliert. Und das nur, weil jemand aus Polen meinen Job billiger macht!
Und wenn der weg geht, weil er merkt, daß er nur ausgebeutet wird, steht der Nächste sicher bereits Schlange...

Mit freundlichen Grüßen

Konrad Albrecht

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Albrecht,

Die Europawahlen finden alle fünf Jahre statt. Die nächste wird im Juli 2009 sein. Die Parteien in Deutschland und die Fraktionen im Europäischen Parlament werden selbstverständlich, so gut es geht, sich mit Informationen und Positionen an die Bürger wenden.

Die Behauptung von Altbundespräsident Roman Herzog, 84 % der Gesetze, die uns betreffen, kämen bereits von der EU, hat keine seriöse Grundlage. Die Studie, auf die er sich stützt, gibt es nicht.

Wir werden nicht mit Erlassen und Verordnungen (das sind Gesetze) "zugebombt": Wahrscheinlich wollen Sie, - wie ich auch -, daß im europäischen Binnenmarkt Mindeststandards für Verbraucherschutz, Gesundheitsschutz und soziale Rechte gelten. Dafür brauchen wir europaweit geltende Gesetze.

Die Verordnungen und Richtlinien der EU (d.h. EU-Gesetze) werden nicht von der EU-Kommission beschlossen - sie hat nur das Vorschlagsrecht. Beschlossen werden sie von den Regierungen im Ministerrat und in etwa 75 % der Gesetze auch vom Europäischen Parlament. Wenn der neue Reformvertrag in Kraft tritt, wird das Europäische Parlament fast 100 % der Verordnungen und Richtlinien gleichberechtigt mit den Regierungen beschließen. Da die Regierungen ebenso wie das Europaparlament von den Völkern gewählt werden, ist die EU-Gesetzgebung auch demokratisch legitimiert.

Die EU ist kein Staat, sondern eine Union souveräner Staaten. Das bedeutet: Jeder Staat entscheidet über den Grundlagenvertrag und die Aufnahme neuer Staaten nach den Regeln seiner eigenen Verfassung. Einige Staaten sehen dafür Volksabstimmungen vor, in anderen gibt es eine Möglichkeit dazu. In manchen Verfassungen, dazu gehört auch die Bundesrepublik Deutschland, gibt es die Möglichkeit einer Volksabstimmung nicht. Die EU kann das deutsche Grundgesetz nicht ändern.

Ich stimme Ihnen zu, daß die EU nicht ständig noch mehr Mitgliedsländer aufnehmen sollte. Nach meiner Überzeugung sollte nach der Aufnahme Kroatiens, die für 2010/2011 vorgesehen ist, für eine längere Zeit kein Staat mehr aufgenommen werden.

Mit freundlichen Grüßen

Klaus Hänsch