Frage an Klaus Hänsch bezüglich Verbraucherschutz

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Klaus Hänsch
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Frage von Birgit M. •

Frage an Klaus Hänsch von Birgit M. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrter Herr Hänsch,

Ihre an Antwort an Herrn Taslaci in Sachen KAUPTHING Bank geht meines Erachtens kaltschnäuzig am wirklichen Problem vorbei. Es ist nämlich allein dem europäischen Recht zu "verdanken", dass Banken aus nicht EU-Mitglieder wie die isländische Kaupthing Island in Europa als EWR Mitglieder Bankgeschäfte tätigen dürfen, ohne eine Genehmigung zu brauchen. Sie mußten sich nach europäischem Recht aus nicht unserem nationalen Einlagensicherungssystem anschließen und nur ihr eigenes anbieten. Ein solches EWR-Mitglied kann es sich offenbar sogar leisten, nun ganz kühl zu behaupten, das isländische Einlagensicherungssystem gelte nicht für ....z.B. deutsche Kunden der Bank! Dies, obwohl die Umsetzung der EG-Richtline 19/94 zur Einlagensicherung von Banken auch von Island anzuwenden ist, wenn seine Unternehmen in zulassungsfrei Europa tätig weden wollen.
Nun, nach dem das Kind wegen der äußerst freizügigen europäischen Niederlassungsfreiheit in den Brunnen zu fallen droht und kleine, unschuldige Festgeldanleger ihr Geld zu verlieren drohen, will kein (EU) Politiker mehr etwas davon wissen. Plötzlich ist der Kunde schuld, der selbst hätte wissen müssen, dass europäische Vorgaben in Richtlinien und deren Umsetzung nicht das wert sein können, das die deutsche Einlagensicherung bei Banken wert ist....
Dumm gelaufen für diejenigen, die in das europäische Rechtssystem vertraut haben, das auch die EWR-Staaten umschließt.

Müssen wir nach dieser Erfahrung die EWR Staaten schnellstmöglichst wieder von den EU-Freizügigkeiten auschließen? Was meinen Sie dazu?

Mit freundlichen Grüßen
Birgit Mohr

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Sehr geehrte Frau Mohr,

vielen Dank für Ihr Scheiben vom 23. Oktober, in dem Sie auf die Verpflichtungen der isländischen Finanzinstitute im Rahmen des EWR hinweisen. Sie haben insofern Recht, dass mein Schreiben an Herrn Taslaci von 15. Oktober in einem Punkt einer Korrektur bedarf.
Island nimmt als Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums mit den gleichen Rechten und Pflichten wie die EU-Mitgliedsstaaten am europäischen Binnenmarkt teil. Das gilt auch für den Kapitalmarkt. Zu den Gesetzen des EU-Binnenmarktes, die Island einhalten muss, gehört die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Einlagensicherungssysteme vom 16. Mai 1994 (94/19/EG). Demnach müssen auch in allen EWR-Mitgliedsstaaten die Finanzinstitute im Schadensfall private Sparguthaben in einer Höhe von mindestens 20.000 ? pro Sparer durch ein Einlagensicherungssystem absichern. Richtig bleibt, dass sich die isländischen Banken zwar nicht "unserem nationalen Einlagensicherungssystem anschließen", aber diese EU-weite Bedingung erfüllen müssen, wenn sie in Deutschland tätig sind.

Bisher geht die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen davon aus, dass der Einlagensicherungsfonds in Island alle Spareinlagen bei der Kaupthing-Bank (bis 20.000 ?/Sparer) absichert - im Zweifelsfall mit Haftung des isländischen Staates. Daher ist es wichtig, dass Sie - sollten Sie betroffen sein - Ihren Anspruch zunächst gegenüber dem Einlagensicherungsfonds in Island geltend machen.
Das EU-/EWR-Recht erzwingt nicht, dass eine Privatbank wie die Kaupthing-Bank sich freiwilligen Einlagensicherungsfonds über die gesetzlich vorgeschriebenen 20.000 ? hinaus anschließt. Die Kaupthing-Bank hat sich einem solchen freiwilligen Fonds nicht angeschlossen und dadurch war es ihr ggf. möglich, Kosten zu sparen und eine höhere Rendite zu möglichen.

Es bleibt dabei, dass die EU keine Möglichkeiten hat, an die Stelle der Finanzpolitik der EU-Mitgliedstaaten oder der EWR-Staaten zu treten. Im Übrigen ist, wie Sie wissen, ein gemeinsamer EU-Rettungsfonds auch am Widerstand der Bundesregierung gescheitert.
Ob Island in der Lage ist, ein ähnliches Rettungspaket wie Deutschland aufzulegen, um seinen internationalen Verpflichtungen nachzukommen, ist noch unklar. Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einer Lösung des Problems. Vorstellbar wäre beispielsweise die Vergabe von Staatskrediten an den isländischen Staat, damit dieser seinen Verpflichtungen aus dem Einlagensicherungsfonds nachkommen kann.

Ich halte es für falsch, der aktuellen Finanzmarktkrise mit einem Ausschluss der EWR-Mitglieder aus dem europäischen Binnenmarkt nachzudenken. Mehr Sicherheit und Stabilität auf den europäischen Finanzmärkten wird nicht durch Renationalisierung und Protektionismus erreicht. Es bedarf vielmehr einer effektiveren, transparenteren und koordinierten Kontrolle der weltweiten Finanzmärkte. Die Europäische Union arbeitet derzeit an entsprechenden Gesetzesvorschlägen. Sie will beispielsweise die Mindestdeckungssumme für Spareinlagen bis zum Herbst 2009 auf 50.000 ? und bis Ende des Jahres auf 100.000 ? pro Sparer anheben, die Auszahlungsfristen im Schadensfall von bisher drei bis neun Monaten auf wahrscheinlich sechs bis acht Wochen verkürzen und eine wirksamere Finanzmarktaufsicht schaffen. Das gilt allerdings wohl kaum für den Fall der Kaupthing-Bank.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Hänsch