Frage an Klaus Hänsch bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Klaus Hänsch
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Frage an Klaus Hänsch von Anna M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Hänsch

Ich bin in der 12. Klasse des Carl Friedrich von Weizsäcker-Gymnasium in Ratingen, NRW, und schreibe zur Zeit eine Facharbeit zum Thema „ Die Türkei-ein zukünftiger Partner der EU?“.
Damit ich in meiner Facharbeit auch auf die Meinung eines Experten zurückgreifen kann möchte ich sie bitten mir einige Fragen zu beantworten.

Gefährden die kulturellen Unterschiede das Gemeinschaftsgefühl der EU?

Werden die kritischen Zustände in der Türkei wegen der Außenpolitik, die mit ihrem Beitritt deutlich mehr Gewicht erhalten würde, übersehen?

Hat der Beitritt der Türkei Auswirkungen auf die Fähigkeit der EU handlungsfähig zu bleiben?

Welche finanziellen Folgen erwarten sie durch den EU-Beitritt der Türkei, und inwieweit haben die Beitrittsverhandlungen und Heranführungshilfen die Eu schon finanziell belastet?

Viele Grüße und vielen Dank im voraus

Anna Müller

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Sehr geehrte Frau Müller,

Vielen Dank für Ihre E-Mail. Zu Ihren Fragen:

Gefährden die kulturellen Unterschiede das Gemeinschaftsgefühl der EU? Ja. Sie gefährden aber auch das Gefühl in der Türkei, zu Europa zu gehören. Voraussetzung für einen Beitritt ist jedenfalls, das die Türkei nationale Souveränitätsrechte auf die EU überträgt sowie bereit und in der Lage ist, das gesamte EU-Recht zu übernehmen und in der Türkei anzuwenden.

Werden die kritischen Zustände in der Türkei wegen der Außenpolitik, die mit ihrem Beitritt deutlich mehr Gewicht erhalten würde, übersehen? Ob die EU-Außenpolitik durch den Beitritt der Türkei mehr Gewicht bekommt, halte ich für unwahrscheinlich. Die kritischen Zustände in der Türkei werden nicht übersehen. Sie sind der Grund dafür, dass die Beitrittsverhandlungen seit ihrem Beginn am 3. Oktober 2005 nicht vorankommen.

Hat der Beitritt der Türkei Auswirkungen auf die Fähigkeit der EU handlungsfähig zu bleiben? Ja. Die EU ist bereits jetzt mit 27 Mitgliedstaaten nicht so handlungsfähig, wie sie es sein müsste. Mit der Türkei würde es noch schwieriger werden, im Ministerrat einstimmige Entscheidungen zu bekommen. Die EU braucht dringend eine längere Phase der Konsolidierung, ehe sie weitere Staaten aufnehmen kann. Die wirtschaftlichen und politischen Vorstellungen zwischen der Türkei und der Mehrzahl der EU-Mitgliedstaaten klaffen weit auseinander.

Welche finanziellen Folgen erwarten sie durch den EU-Beitritt der Türkei, und inwieweit haben die Beitrittsverhandlungen und Heranführungshilfen die EU schon finanziell belastet?
Die Heranführungshilfen für die Türkei betrugen am Anfang der Beitrittsverhandlungen im Jahre 2006 rund 500 Millionen Euro und wurden stetig höher. Für das Jahr 2011 sind Finanzhilfen von 781,9 Millionen Euro vorgesehen. Wenn die Türkei EU-Mitglied ist, wird sie, jedenfalls nach dem heute geltenden Finanzierungsregeln, Anspruch auf Zahlen aus allen EU-Fonds haben. Die Kosten sind zurzeit noch nicht exakt zu beziffern. Die zurzeit geltende Finanzplanung reicht nur bis 2014 und die Türkei wird auf keinen Fall vorher aufgenommen. Grob geschätzt wird die EU jedoch jährlich mit zweistelligen Milliardenbeträgen belastet werden.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Hänsch