Frage an Klaus Hänsch bezüglich Recht

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Klaus Hänsch
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Frage an Klaus Hänsch von Peter F. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Hänsch,

meines Wissens haben die Rechtsanwälte für ihre Dienstleistungen eine feststehende Gebührenordnung, die sich nach dem Streitwert richtet und jeglichen Wettbewerb (Kokurrenz) der Anwälte untereinander über den Preis ihrer Dienstleistung ausschließt.

Gibt es eine Initiative der EU-Kommission, diesen Markt für den Wettbewerb zu öffnen und somit (wie in vielen anderen Bereichen, z.B. Energie- oder Telekommunikationssektor) die Preisstruktur für den Verbraucher angenehmer zu gestalten?

Mit freundlichem Gruß
Peter Fischer, 21 (Student)

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Sehr geehrter Herr Fischer,

die Dienstleistungsfreiheit ist neben dem freien Personen-, Güter-, und Zahlungsverkehr eine der vier Grundfreiheiten im europäischen Binnenmarkt, die 2006 durch die EU-Dienstleistungsrichtlinie festgeschrieben worden ist.
Die Anwaltstätigkeit ist eine Dienstleistung. Vom Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie ist sie jedoch dennoch ausgenommen, da sie bereits von älteren, berufsspezifischen europäischen Regelungen für die EU-weite Anwaltstätigkeit erfasst wird, nämlich der

1. Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 22.3.1977 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte 77/249/EWG,
2. Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.2.1998 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufes in einem anderen Mitgliedsstaat als in dem, in dem die Qualifikation erworben wurde 98/5/EG2,
3. Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7.9.2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen 2005/36/EG4.

Diese Richtlinien legen fest, welches Berufsrecht und welche Bedingungen und Beschränkungen für die grenzüberschreitende Anwaltstätigkeit in der EU gelten. Demnach muss die Höhe der Anwaltsgebühren beispielsweise jeweils nach den Gesetzen des Landes berechnet werden, in dem ein Anwalt seine Mandanten vor Gericht vertritt. In der Bundesrepublik sind die Anwaltskosten gesetzlich durch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz geregelt. Je nach Tätigkeitsbereich berechnen sie sich in Abhängigkeit vom Streit- bzw. Gegenstandswert oder streitwertunabhängig. Eine Initiative der Europäischen Kommission, das zu ändern, gibt es meines Wissens nicht.

Rechtsanwälte sind ein fester Bestandteil des deutschen Rechtssystems und des deutschen Rechtsstaats. Die Gebührenordnung trägt dem Rechnung, indem sie die Gleichheit aller Bürgerinnen und Bürger vor dem Gericht sicherstellt. Da die Anwaltsgebühren für alle gleich sind, hat jeder Bürger die Möglichkeit, qualitativ gleichwertig vor Gericht vertreten zu werden. Als Teilnehmer eines Marktes würden zwar möglicherweise viele Anwälte ihre Honorare senken, andere würden sie aber auch erhöhen. Ob das dem gleichen Zugang aller Bürgerinnen und Bürger zu einer qualitativ hochwertigen Vertretung vor Gericht dient, ist fraglich. Wenn Sie davon sprechen, "die Preisstruktur für den Verbraucher angenehmer zu gestalten", haben Sie vielleicht an diese mögliche Folge eines Preiswettbewerbs nicht gedacht.

Ich halte die Gebührenordnung für Anwälte für wichtig. Sie liegt im ausdrücklichen Interesse der Verbraucher, da sie die Qualität und die Gleichwertigkeit der Vertretung aller Bürgerinnen und Bürger vor Gericht sichert.

Mit freundlichen Grüßen

Klaus Hänsch