Warum sieht Ihr Wahlrechtsentwurf eine Ersatzstimme nur bei der Erststimme vor?

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Konstantin Kuhle
FDP
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Frage von Paul V. •

Warum sieht Ihr Wahlrechtsentwurf eine Ersatzstimme nur bei der Erststimme vor?

Sehr geehrter Herr Kuhle,

zunächst freut es mich, dass die Ampel das Problem des immer größer werdenden Parlaments endlich angehen will. Verwundert hat mich allerdings, dass zur Besetzung der Direktmandate eine Ersatzstimme herangezogen werden soll, bei der Listenstimme jedoch nicht.

Bei der letzten Bundestagswahl sind die Stimmen von 4.005.729 Wähler_innen durch die 5%-Hürde wirkungslos verpufft. Warum sollten diese nicht die Möglichkeit erhalten zu entscheiden, wo die Stimme landen soll, wenn die erste Wahl die Hürde nicht nimmt? Zu komplex kann dieses Vorgehen ja nicht sein, wenn es bei der Erststimme möglich wäre.

Freundliche Grüße
Paul V.

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr V.,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage zum Wahlrecht. Ich freue mich, dass Sie an diesem für unsere Demokratie wichtigen Thema interessiert sind.

Durch das geltende Wahlrecht ist der Bundestag auf nunmehr 736 Sitze angewachsen. Mit einem etwas geringeren Zweitstimmenanteil der CSU hätte der Bundestag leicht auch mehr als 800 Sitze habe können.

Der Grund für die stetige Vergrößerung des Bundestages liegt in der steigenden Anzahl von Überhangmandaten. Diese machen Ausgleichsmandate erforderlich, um das Zweitstimmenverhältnis, das den Wählerwillen abbildet, korrekt abzubilden.

Deswegen haben die drei Obleute der SPD, der Grünen und der FDP in der Kommission zur Reform des Wahlrechts und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit einen eigenen Vorschlag in die Diskussion eingebracht, mit dem die Sollgröße des Bundestages von 598 Mandaten sicher eingehalten wird.

Unser Vorschlag verhindert das Entstehen von Überhangmandaten systemisch. Das System der personalisierten Verhältniswahl wird dabei konsequent zu Ende gedacht. Mit der Zweitstimme wird wie bisher bestimmt, welche Parteien wie viele Mandate erhalten; mit der Erststimme wird die Hälfte dieser Mandate über eine Personenwahl in den Wahlkreisen vergeben. Das Wahlkreismandat wird aber nur dann an den Kandidaten oder die Kandidatin mit den meisten Stimmen vergeben, wenn der Partei hierfür genügend Mandate nach dem Zweitstimmenergebnis zur Verfügung stehen. Schon heute ist die Zweitstimme die entscheidende Stimme. Daran ändert sich nichts. Eine Partei kann aber nicht mehr Sitze erhalten, als ihr nach dem Wahlergebnis zustehen.

Die von Ihnen angesprochene Ersatzstimme ist ein möglicher Weg, um sicherstellen, dass auch die Wahlkreise im Deutschen Bundestag durch ein Direktmandat vertreten sind, wenn der Bewerber mit den meisten Erststimmen aufgrund mangelnder Zweitstimmendeckung nicht in den Bundestag einzieht. Zum jetzigen Zeitpunkt werden innerhalb der Koalition aber auch andere Modelle geprüft, wie eine Vertretung aller Wahlkreise sicher gestellt werden kann.

Theoretisch ist eine Ersatzstimme natürlich auch bei der Zweitstimme denkbar. Wir haben uns in der Koalition aber entschieden, die bisherige Grundentscheidung der 5-%-Hürde nicht in Frage zu stellen. Das liegt vor allem daran, dass das wesentliche Ziel der derzeitigen Überlegungen eine Verkleinerung des Bundestages ist. Daran würde eine Ersatzstimme für die Zweitstimme nichts ändern.

Ich hoffe, ich konnte Ihrer Bitte nach einer Stellungnahmen zu Ihrer Zufriedenheit nachkommen.

Mit freundlichen Grüßen

Konstantin Kuhle

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