Frage an Krista Sager bezüglich Umwelt

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Krista Sager
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Frage an Krista Sager von Jonathan S. bezüglich Umwelt

Sehr geehrte Frau Sager,

Laut dem Roadmap für Energiepolitik, das im Januar vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, und Reaktorsicherheit veröffentlicht wurde, steht unter anderem das Deutschland bis 2022 den Atomausstieg umsetzen wird, und dass von erneubarer Energie erzeugter Strom ein Anteil von 30% des Energieverbrauchs Deutschlands erreichen wird.
Laut demselben Roadmap stand das Anteil von erneubarer Energie in Deutschland im Jahr 2008 bei 15%. Das wäre eine Zunahme von 100% des heutigen Stands. Ich würde gern wissen, ob Sie dass für wahrscheinlich halten, und warum.

Meine zweite Frage betrifft den Atomausstieg, und zwar ob die Abschaffung von allen Atomkraftwerken wirklich wünschenswert ist. Bis erneubare Energie weit genug dafür entwickelt ist, ein wesentliches Teil des deutschen Energievorrats beizutragen, sind fossile Brennstoffe die einzige Alternative. Meiner Meinung nach ist die daraus resultierende Erderwärmung deutlich mehr erschreckend als Abfall von Atomkraftwerken. Abgesehen von der Gefahr einer Kernschmelze bzw. eines Terroranschlags finde ich Atomkraft zumindest eine vorübergehende Lösung des Energieproblems. Ich würde allerdings gern Ihre Meinung dazu wissen.

Vielen Dank für Ihre Antwort,

Mit freundlichen Grüßen,
Jonathan Spratling

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Spratling,

Bündnis 90/ Die Grünen haben in ihrem Konzept Energie 2.0 aufgezeigt, dass nicht Kohle- und Atomkraft künftig für eine sichere Stromversorgung sorgen, sondern nur die drei "großen E": Effizienz, Einsparung und erneuerbare Energien. Mit einer Klimaschutzstrategie ohne Wenn und Aber ist Atomkraft ebenso verzichtbar wie der Neubau von Kohlekraftwerken. Mit den grünen Maßnahmen könnte der Stromverbrauch in Deutschland bis 2020 um 16% gesenkt werden. Der Strombedarf würde dann aus 40% erneuerbaren Energien, 30% hocheffizient erzeugten KWK-Strom und nur noch 30% konventionelle Kraftwerken gedeckt werden. Damit würden die Klimaschutzziele erreicht und zugleich Versorgungssicherheit, wirtschaftliches Wachstum und neue Arbeitsplätze geschaffen.

In der Vergangenheit hat der tatsächliche Ausbau der erneuerbaren Energien die Prognosen der Experten regelmäßig übertroffen. Allein in den letzten zehn Jahren hat sich der Anteil der erneuerbaren Energien mehr als verdreifacht, sowohl beim gesamten Endenergieverbrauch als auch bei Stromverbrauch. Das Ziel der Roadmap, den Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch bis 2022 auf 30% zu erhöhen, ist ehrgeizig, kann aber bei konsequenter Umsetzung unseres Konzepts und unter Beibehaltung des vereinbarten Atomausstieg nicht nur erreicht, sondern sogar übertroffen werden. Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) hat auf dem Energiegipfel der Kanzlerin angeboten, bis zum Jahre 2020 240 Terawattstunden Strom aus Erneuerbaren Energien zu erzeugen. Das würde die aktuelle Stromerzeugung aus Kernenergie von 160 TWh überkompensieren. Mittlerweile gibt es mehrere Untersuchungen (u.a. ISUSI, WBGU), die belegen, dass wir die wegfallenden Atomkraftwerke vollständig durch Erneuerbare Energien ersetzen können. In den letzten Jahren wurden sämtliche abgeschaltete Atomkraftwerke und Kohlekraftwerke durch Strom aus Wind-, Biomasse- und Solaranlagen ersetzt. Zugleich haben sich diese Technologien rasant weiterentwickelt.

Den Ausstieg aus der Atomkraft halte ich weiterhin für dringend geboten. Sie haben selbst bereits auf die Gefahren einer Kernschmelze bzw. von Terroranschlägen und die ungelöste Endlagerfrage verwiesen. Aber selbst als wirksames Mittel gegen den Klimakollaps ist Atomkraft eine Illusion. Zum Klimaschutz wird Atomkraft schon deshalb nicht beitragen können, weil sie lediglich Strom mit einem miserablen Wirkungsgrad erzeugt. Um einen spürbaren Klimaeffekt zu erreichen, müssten 50 neue AKW in Deutschland gebaut werden - eine absurde Vorstellung. Außerdem wird bei den meisten Ausführungen zur Klimabilanz der Atomkraft der Blick darauf verengt, dass ein Atomkraftwerk bei der Stromerzeugung kaum CO2 emittiert. Betrachtet man dagegen die gesamte Produktionskette vom Uranabbau bis zur Entsorgung, erzeugt die Atomkraft erhebliche Mengen an CO2, die den ohnehin marginalen Beitrag der Atomkraft zum Klimaschutz weiter reduzieren. Schließlich gehören zu einem umfassenden Klimaschutzkonzept zwingend die Bereiche Wärmeversorgung und Verkehrspolitik. Zu CO2-Einsparungen in diesen Bereichen leisten Atomkraftwerke keinen Beitrag. Eine Laufzeitverlängerung der bestehenden AKW bewirkt lediglich, dass der schnelle Einstieg in erneuerbare Energien und dezentrale Lösungen verzögert wird. Wirksamer und wirtschaftlicher Klimaschutz ist daher nur ohne Atomkraft möglich.

Mit freundlichen Grüßen
Krista Sager

Das Konzept Energie 2.0 von Bündnis 90/Die Grünen finden Sie unter:
http://www.gruene-bundestag.de/cms/publikationen/dokbin/187/187655.energie_2_0_die_gruenen_massnahmen_bis_2.pdf

Unser Papier "Schluss mit der Atomlüge: 12 gute Argumente gegen Atomkraft" finden sie hier:
http://www.gruene-bundestag.de/cms/publikationen/dokbin/252/252100.flyer_atomluege.pdf