Frage an Krista Sager bezüglich Umwelt

Portrait von Krista Sager
Krista Sager
Bündnis 90/Die Grünen
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Krista Sager zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Frank H. •

Frage an Krista Sager von Frank H. bezüglich Umwelt

Sehr geehrte Frau Sager,

wir leben in einem Industriestaat. Diese Industrie benötigt für ihre Produktion enorme Mengen an Energie.
Meine Frage: Wie wollen Sie diesen Energiebedarf decken, wenn das letzte Kernkraftwerk vom Netz gegangen ist? Die sog. alternativen Energieformen scheinen nicht auszureichen. Verbrennungskraftwerke, ob mit Kohle, Müll oder ähnlichem betrieben, emissieren sehr viel Kohlendioxid, das das Klima nachhaltig beeinflusst.
Wäre es nicht sinnvoller, auf einen guten Energiemix auch aus Kernenergie zusetzen?
Klar, Kraftwerke wie Stade oder Krümel sind veraltet und stellen ein Risiko dar. Aber was ist zum Beispiel mit Kraftwerken wie Isar I und II bei Landshut oder dem KKW Brokdorf an der Elbe? Diese Anlagen scheinen doch problemlos zu laufen. Jedenfalls ist in den Medien nichts von Störfällen in diesen Anlagen zu hören.
Man darf bei all den Risiken, die ich sicher nicht schön reden will, eins nicht vergessen: Kernkraftwerke stoßen kein CO2 aus!!! Und der Klimawandel macht mir ehrlich gesagt mehr sorgen, als das irgendein Kernkraftwerk hier hochgehen könnte.
Desweiteren ist es doch bei der bisherigen Entwicklung von Wissenschaft und Technik durchaus zu erwarten, dass in nächster Zeit eine Möglichkeit entwickelt wird, um Atommüll gefahrlos zu recyclen.

Über eine Stellungnahme freue ich mich sehr und Verweile mit freundlichen Grüßen
F. Hänel

Portrait von Krista Sager
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Hänel,

grünes Ziel ist der vollständige Umstieg auf Strom aus Wind, Sonne, Wasserkraft, Biomasse und Erdwärme, möglichst bereits bis 2030. Dazu müssen wir weg von fossilen und nuklearen Großkraftwerken und hin zu erneuerbaren Energien, Effizienz und Energieeinsparung.

Der Atomausstieg gefährdet unsere Stromversorgung nicht. Das zeigen unabhängige Studien von Umweltbundesamt und Öko-Institut. Sie belegen, dass bei Beibehaltung des vereinbarten Atomausstiegs und übrigens auch ohne zusätzliche Kohlekraftwerke jederzeit ausreichend Strom zur Verfügung stehen wird. Zu diesem Ergebnis kommt interessanterweise auch der im August 2008 vom traditionell atomfreundlichen Bundeswirtschaftministerium veröffentlichte Monitoringbericht der Bundesregierung.

Die Behauptung, Atomkraftwerke schützten das Klima, führt in die Irre. Atomenergie ist weltweit und auch hierzulande zu unbedeutend, als dass sie die Klimagasemissionen maßgeblich beeinflussen könnte. Bei den 17 deutschen Atomkraftwerke kann man angesichts von gerade einmal einem Anteil von sechs Prozent an der Endenergiebereitstellung wohl von keinem nennenswerten Beitrag für den Klimaschutz und zur CO2-Reduktion sprechen. Außerdem liefern die Meiler keine Wärme, sondern nur Strom - und das auf sehr ineffiziente Weise. Pro erzeugter Kilowattstunde Strom werden zwei Kilowattstunden Wärme verschwendet. Atomkraft ist zudem keineswegs CO2-frei. Richtig ist: Auf die gesamte Produktionskette gesehen, vom Uranabbau bis zur Entsorgung, erzeugt Atomkraft erhebliche Mengen an CO2. Diese minimieren den ohnehin marginalen Beitrag der Atomkraft zum Klimaschutz weiter. Die CO2-Bilanz verschlechtert sich zunehmend, da für die Uranförderung ein immer größerer Aufwand betrieben werden muss.

Richtig ist auch: Die erneuerbaren Energien sind durchaus in der Lage, den wegfallenden Atomstrom zu kompensieren. Bereits heute stammen 15 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen. Dieser Trend wird anhalten. Der Anteil von Atomstrom an der Stromerzeugung ist dagegen rückläufig. Er sank im Zeitraum von 2000 bis 2008 von 30 Prozent auf 23 Prozent. Durch den Boom der erneuerbaren Energien wurden in den letzten Jahren auch immer wieder neue Rekorde beim Stromexport erzielt. Seit 2006 lag der Überschuss bei rund 20 Milliarden kWh - so viel wie die Erzeugung der drei Atomkraftwerke Biblis A, Neckarwestheim 1 und Brunsbüttel zusammen. Der Umbau unserer Energieversorgung zu mehr Effizienz und Erneuerbaren Energien wird umso schneller gelingen, je früher die unflexiblen, nuklearen Großkraftwerke vom Netz genommen werden. Gleichzeitig gilt umgekehrt: Je länger die Atommeiler laufen, umso mehr stockt der Aufbau einer klimaverträglichen Energieversorgung. Denn je länger die Atommeiler laufen, umso weniger Netzkapazitäten stehen für den Ausbau der erneuerbaren Energien zur Verfügung. Atomkraft behindert also den Aufbau einer klimaverträglichen Energieversorgung, auf die es ankäme. Ein Energiemix unter Einbeziehung von Atomenergie, so wie Sie es vorschlagen, ist allein vor diesem Hintergrund kein zukunftsweisender Ansatz.

Nicht zuletzt ist und bleibt Atomtechnologie vom Grundsatz her eine unkalkulierbare Hochrisikotechnologie. Die Folgen eines schweren Unfalls wären nicht handhabbar. Als gravierendes Problem bleibt zudem die offene Frage der Atommüll-Endlagerung. Die Kosten für Atommülltransport und -lagerung belasten die öffentlichen Haushalte massiv und langfristig. Bis Ende 2007 sind laut der Bundesregierung in Deutschland bereits 5832 Tonnen Brennelemente als gefährlicher Atommüll angefallen. Wenn das letzte AKW, wie im Atomausstieg vereinbart, vom Netz gehen wird, werden weitere 4800 Tonnen Müll angefallen sein. Jede Form der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke bedeutet noch mehr atomaren Abfall in Form bestrahlter Brennelemente.

Aus all diesen Gründen halten wir Grünen weithin daran fest, die Rahmenbedingung dafür zu schaffen und zu verbessern, dass Investitionen nur noch in zukunftsträchtige erneuerbare Energien, Effizienz und Einsparung fließen. Bis 2030 wollen wir 100 Prozent des Stroms regenerativ erzeugen und bis 2040 soll sämtliche Energie aus erneuerbaren Quellen kommen. Erneuerbare Energien produzieren klimaverträglich Strom und Wärme und machen uns unabhängig von teuren Rohstoffimporten, ohne dass dies zu Lasten kommender Generationen geht. Mit Atomkraft als der Technologie des letzten Jahrhunderts sind die Probleme der Zukunft nicht zu lösen.

Mit freundlichen Grüßen

Krista Sager