Sehr geehrter Herr Steinberg,

auch ich habe immer den Eindruck, die Werbung sei lauter als das eigentliche Fernsehprogramm. Insofern kann ich Ihre Aufregung sehr gut verstehen. Man fühlt sich tatsächlich häufig fast angeschrien, sobald die Werbeeinblendung beginnt.

Bündnis 90/Die Grünen befinden sich wegen dieser Frage im Dialog mit der ARD, die eine technische Lösung für die beschriebene Problematik sucht. Denn leider entsprechen die Werbespots den geltenden technischen Richtlinien. Man kann der Werbeindustrie die Produktion solcher Clips also nicht verbieten.

Es handelt sich bei dem Ganzen um einen technischen Effekt: Um die Spots so eindringlich wie möglich zu gestalten, wird die Tonspur komprimiert. Leise und laute Töne werden so weit es geht „zusammengestaucht“ - Dialoge werden im Verhältnis lauter, Soundeffekte leiser. Dadurch kann die Lautstärke voll ausgenutzt werden, und der gesamte Spot ist durchgehend laut. Die Werbefachleute nennen das „dynamischer". Das ist nichts anderes als der Versuch, mit verdichtetem Klangteppich und purer Lautstärke mehr Aufmerksamkeit zu erregen. Die Zuschauer sollen sozusagen aufgeweckt werden.

Genauso wie es in Filmen geschieht, wenn eine Schießerei oder Verfolgungsjagd im Gange ist, handelt es sich dabei aber nicht um eine Manipulation des Fernsehgerätes, sondern um die volle Ausnutzung der von den Fernsehzusehern gewählten Lautstärke am Endgerät. Das Gerät wird also nicht etwa ferngesteuert lauter gestellt. So wie es in der Musik lautere und leisere Stellen gibt, so ist es im Fernsehprogramm - mit der Werbung als einer der lautesten Stellen.

Besonders perfide ist diese Technik auch deshalb, weil nach Aussage von Volker Nickel vom Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft gerne leise Stellen in der laufenden Sendung ausgewählt werden, um die Werbung einzublenden. So steigert sich der Eindruck, die Werbung „brülle“ die Zuschauer plötzlich an, natürlich noch mehr.

Dass man dagegen gesetzlich vorgehen kann sehe ich momentan leider nicht. Denn die Endgeräte müssen ja Lautstärkeunterschiede wiedergeben können, um die Komposition eines Filmes vollständig zu Geltung kommen zu lassen, der z.B. leise romantische Stellen hat und laute aufregende Szenen. Dies wird von der Werbeindustrie ausgenutzt. Die einzige Möglichkeit wäre die Zwischenschaltung eines sogenannten „Audio Level Limiters“, der Lautstärkespitzen allgemein erfasst und unterdrückt. Wenn Sie sich durch die schwankende Lautstärke im Fernsehprogramm zu stark belästigt fühlen, könnten Sie vielleicht über eine solche Lösung nachdenken. Diese Geräte sind recht preiswert und im einschlägigen Handel erhältlich. Allerdings werden dann eben auch laute Stellen im normalen Programm unterdrückt und Filme und Sendungen verlieren ein Mittel zur Erzeugung von Dramatik.

Ich hoffe ich konnte Ihnen mit diesen Ausführungen weiterhelfen, auch wenn uns Fernsehzuschauern zunächst wohl nur die technische Lösung bleibt.

Mit freundlichen Grüßen,
Lisa Paus