Frage an Manfred Weber bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Manfred Weber
CSU
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Frage von Bernd B. •

Frage an Manfred Weber von Bernd B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Weber,

warum kritisieren Sie Herrn Gauweiler, weil er demokratische Rechte nutzt?
Uns Deutschen und weiteren 25 Mitgliedsstaaten wurde die Abstimmung über den EU-Reformvertrag verweigert. Schon allein diese Tatsache halte ich für einen Rechtsbruch, da in unser Grundgesetz und Verfassung eingegriffen wird. "Alle Macht geht vom Volke aus" sind doch in den Augen unserer Politiker nur Bla Bla.
Jetzt macht sich Herr Gauweiler die Mühe und klagt gegen den EU-Reformvertrag - mit mindestens 75% Zustimmung der Bevölkerung - und Sie haben nichts Besseres zu tun als die Demokratie zu beschneiden? Der Reformvertrag ist ein Rückschritt, und das wissen Sie auch.
Warum musste Deutschland so tief sinken?

Ich bedanke mich für Ihre Antwort

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Brause,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage. Um Ihre Frage zu beantworten möchte ich Ihnen mein offizielles Statement übersenden, welches zu den benannten Medienberichten geführt hat:

„Um die Frage zu beantworten übersende ich Ihnen mein offizielles Statement, welches zu den benannten Medienberichten geführt hat!

Die Bundesregierung, der Deutsche Bundestag und der Bundesrat haben mit großen Mehrheiten entschieden. Der neue Vertrag für Europa, der Lissabon-Vertrag hat die notwendigen Hürden in Deutschland genommen. Die Linke war dagegen, aber ansonsten hat das keiner so richtig mitgekriegt.

Jetzt bringt Peter Gauweiler alles durcheinander, so denken manche. Er hat als Bundestagsabgeordneter Klage vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht. Bleibt Europa ein Staatenbund oder wird Europa nun ein Bundesstaat. Juristen quälen sich seit Jahrzehnten mit dieser Frage.

Ich setze der staatsrechtlichen Theorie eines Peter Gauweilers mal die Praxis entgegen. Viele Bürger, wahrscheinlich auch Peter Gauweiler, besitzen eine Kreditkarte. Ihre Finanzdaten werden dann europaweit zentral auf einem Server gespeichert, das hat die Kreditkartenfirma so organisiert. Wer sorgt da für Datenschutz, wer darf die Daten einsehen? Ich bin überzeugt, Datenschutz funktioniert vielfach nur noch europäisch. Oder die Illegale Zuwanderung! Ist Peter Gauweiler schon aufgefallen, dass Deutschland keine eigene Grenzsicherung mehr hat? Der polnische Beamte an der ukrainischen Grenze entscheidet über die illegale Zuwanderung nach Deutschland, Schutz der Außengrenze ist längst Europathema. Oder Lebensmittelsicherheit! Im Supermarkt kaufen unsere Bürger Produkte aus ganz Europa, da kann man Lebensmittelsicherheit nur noch europäisch regeln, ob´s einem passt oder nicht.

Europa, die Europäische Union setzt längst verbindliches Recht, hat längst staatliche Strukturen angenommen. Ich gehe mal davon aus, dass auch Peter Gauweiler nicht bestreitet, dass viele Fragen sich nur noch europäisch lösen lassen. Folgt man der Souveränitäts-Logik, dann müssen die Einzelstaaten einfach nur Verträge miteinander schließen und so die oben genannten Probleme gemeinschaftlich lösen. Wenn zwischenstaatliche Verträge geschlossen werden, dann bleiben die Staaten grundsätzlich souverän. Genau so hat Europa aber in den letzten Jahrzehnten funktioniert, genau dadurch ist Europa den Menschen fremd geworden. Die Exekutive, also Regierungsvertreter, Beamte aus den Ministerien treffen sich in Brüssel und mauscheln. Sie treffen sich nichtöffentlich in den Hinterzimmern der Räte und beschließen. Die Minister nicken dann die sogenannten A-Punkte, also Vereinbarung, die von der Beamtenebene bereits ausverhandelt wurden, ohne weitere Diskussion ab. Kein Bundestagsabgeordneter und auch kein Europaabgeordneter hat mehr die Macht diese Verordnungen oder Richtlinien zu verändern. Demokratie gleich null. Herr Gauweiler, Ihre Souveränitäts-Logik ist Schuld an der fehlenden Demokratie in Europa.

Diesem Denken setze ich entgegen: Als Föderalist möchte ich ,dass möglichst wenig Themen europäisch geregelt werden. Wenn wir aber sehen, dass sich manche Fragen nur noch europäisch beantworten lassen, dann müssen wir die Entscheidungen auch auf EU-Ebene demokratisch legitimieren. Der Lissabon-Vertrag ist nicht perfekt, aber er gibt die richtige Antwort. Wir schaffen den Einstieg in eine Kompetenzabgrenzung, für was ist Europa zuständig, für was die Mitgliedsstaaten und Regionen. Wir schaffen mehr Demokratie. Europäisches Parlament und Europäischer Rat werden gleichberechtigte Gesetzgeber, Europa führt damit das Zwei-Kammern-Prinzip ein. Die Menschen entscheiden bei den Europawahlen zukünftig über den Grundkurs Europas. Die EU-Kommission, faktisch die Regierung Europas wird sich danach verstärkt ausrichten. Und die nationalen Parlamente, wie der Deutsche Bundestag können EU-Initiativen zukünftig verhindern mit der Subsidiaritätskontrolle.

Das alles setzt aber voraus, dass man sich aktiv mit der europäischen Gesetzgebung beschäftigt. In Berlin staatsrechtliche Fragen aufwerfen ist das eine, sicher auch wichtige. Wichtiger ist aber, sich im europäischen Alltag mit den Gesetzgebungsvorhaben zu beschäftigen. Als Europaabgeordneten fühlen wir uns im Gesetzgebungsalltag oft vom Bundestag allein gelassen, später heißt es dann nur dass die Beschlüsse falsch seinen. Konkret? Die vorzeitige Aufnahme Bulgariens und Rumäniens war ein Fehler. Die neun CSU-Europaabgeordneten haben gegen die Aufnahme gestimmt, jedoch hat der Bundestag mit großer Mehrheit dafür gestimmt. Da hätten wir ein klares Veto aus Berlin gebraucht. Im EU-Alltag ist der Bundestag gefragt, nicht nur bei Grundsatzfragen.

Auf EU-Ebene werden sinnvoll Dinge beschlossen und es wird leider auch mal übers Ziel hinaus geschossen. Das kennen wir aber von der Bundesebene auch. Beispielsweise ist die Gesundheitsreform Zentralismus pur und trotzdem gab es eine Mehrheit.

Manche habe sogar die Sorge, dass zukünftig das Bundesverfassungsgericht entmachtet wird, das Grundgesetz an Kraft verliert. Ja glauben Sie denn die Franzosen kennen keinen Grundrechteschutz, dem Belgier sind Menschenrechte egal? Hallo, willkommen im neuen Jahrhundert. Wir müssen begreifen, dass Europa im Kern die gleichen Grundwerte teilt und der Europäische Gerichtshof wird diese würdig verteidigen, genauso wie bisher das Bundesverfassungsgericht. Die Herausforderung wird sein, ob wir diese Grundwerte gegenüber China oder Rußland werden verteidigen können.

Dafür ist aber ein geeintes Europa nötig. Peter Gauweiler hat diese These schon einmal negiert, bei der Einführung des Euro – Esperantogeld, sie erinnern sich. Er lag falsch! Der Euro ist so hart wie die D-Mark war und der Euro entwickelt sich zur Leitwährung, macht dem Dollar Konkurrenz. Die Europäische Zentralbank ist genauso unabhängig wie die Deutsche Bank.

Viele haben es sich in der schönen, beschaulichen Bundesrepublik Deutschland
eingerichtet. Die Wiedervereinigung war noch verkraftbar, aber Europa?

Ja, Europa wird immer wichtiger! Europa, so hat schon Franz Josef Strauß formuliert, ist unsere Zukunft. Auch Peter Gauweiler sollte sich mit dieser Zukunft nicht nur staatsrechtlich theoretisch beschäftigen, sonder ganz praktisch im Gesetzgebungsalltag. Alles andere ist pure Realitätsverweigerung. „

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Manfred Weber

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