Frage an Marco Buschmann bezüglich Lobbyismus & Transparenz

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Marco Buschmann
FDP
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Frage von Gerhard Z. •

Frage an Marco Buschmann von Gerhard Z. bezüglich Lobbyismus & Transparenz

Sehr geehrter Herr Buschmann,

die Maskenaffäre der CDU erschüttert das ganze Land und das Vertrauen in die gewählten Volksvertreter*innen schwindet stark.

Für mich stellt sich die Frage, woher nehmen die Mitglieder*innen des BT die Zeit, um sich gewissenhaft um ihr Bundestagsmandat und ihre Nebentätigkeiten zu kümmern?

Bei 83 Mio. Einw. und 709 MdB muss, rechnerisch gesehen, ein MdB 117 000 Personen betreuen. Bei Vollauslastung mit einer 60 Stunden Woche und 48 Arbeitswochen im Jahr ergibt sich eine Betreuungszeit von stolzen 1,5 Minuten im Jahr für jeden Bürger*innen
Für Außenstehende. In ihrem Wahlkreis Gelsenkirchen wohnen 265000 Bürger*innen

Meine konkrete Frage. Setzen Sie sich dafür ein, dass Nebentätigkeiten bei einem Bundestagsmandat absolut unerwünscht sind, weil es im BT genug Arbeit gibt die erledigt werden muss?

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FDP

Sehr geehrter Herr Zelle,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage. Die Lage, die die Union durch die vielseitigen Skandale in ihrer Mitte verursacht hat, erfordert von allen seriösen politischen Akteuren ein hohes Maß an verantwortungsbewusstem Umgang. Häme ist unangemessen. Wahlkampftaktische Ausbeutung der Lage wäre kurzsichtig. Über allem muss stehen: Es geht um unser Land und das Vertrauen in seine liberale Demokratie.

Wir benötigen daher meines Erachtens ein Vertrauensprogramm, das eines klar- und sicherstellt: nämlich dass Politik nicht käuflich ist. Bausteine eines solchen Vertrauensprogramms sollten sein:

- Ein Lobbyregister, das seinen Namen verdient.  Aus dem bisherigen Entwurf der Großen Koalition sollten die scheunentorgroßen Ausnahmen entfallen. Dafür sollte ein exekutiver und legislativer Fußabdruck aufgenommen werden. Das bedeutet: Übernahmen von Textpassagen, die Dritte außerhalb von Exekutive oder Legislative erstellt und an die Antragsteller übermittelt haben, müssen von diesen in geeigneter Weise in sämtlichen Gesetzentwürfen, auch denen aus der Mitte des Parlaments, kenntlich gemacht werden.
- Weisungsgebundene Tätigkeit eines Abgeordneten für Organisationen, die politische Ziele verfolgen, ist heute schon für punktuelle Weisungsverhältnisse verboten. Das muss erst Recht für dauerhafte Weisungsverhältnisse etwa durch Arbeitsvertrag gelten. Ausdrücklich erhalten bleiben muss aber die Möglichkeit, neben dem Mandat Ehrenämter auch in Organisationen mit politischer Agenda zu bekleiden. Das ist selbstevident für Parteiämter, muss aber auch etwa in Kirchen, Vereinen oder NGOs möglich sein. Denn das Parlament soll sich nicht von der politischen Willensbildung in der Gesellschaft abkapseln.
- Die Transparenz über Einkünfte bei Nebentätigkeiten muss verbessert werden. Sie muss sich auch auf Aktienoptionen und andere incentivierende Finanzderivate wie etwa Future-Kontrakte als Gegenleistung für Nebentätigkeiten erstrecken. Diese wirken für die Unabhängigkeit eines Abgeordneten je nach Ausgestaltung mitunter noch gefährlicher als fest definierte Geldzahlungen. Denn wer durch eigenes Handeln den Wert seiner Entlohnung noch steigern kann, kann noch stärker in Versuchung geführt werden, nicht unabhängig zu entscheiden, als jemand, der einen festen Betrag erhält. Diesen potenziellen Interessenkonflikt muss die Öffentlichkeit kennen.
- Die Transparenzschwelle für veröffentlichungspflichtige Zuwendungen an Parteien sollte halbiert werden. Das beugt dem Eindruck vor, dass diese Schwelle systematisch in größerem Umfang genutzt wird, um die finanzielle Transparenz der politischen Parteien zu mindern. Gleichwohl muss es aber auch für überschaubare Beträge die Möglichkeit geben, politischen Parteien Geld zuzuwenden, ohne dass der eigene Name veröffentlicht wird. Denn die Nähe eines Bürgers oder einer Bürgerin zu einer politischen Partei, die sich in Spenden oder Mitgliedbeiträgen ausdrückt, ist ein sensibles personenbezogenes Datum. Eine Senkung der Zuwendungsschwelle auf „null“ würde jedenfalls zur Veröffentlichung sämtlicher Mitgliedsbeiträge oder Kleinspenden führen. Der legitime Schutz personenbezogener Daten in Bezug auf die politische Meinung liefe hier dann leer.
- Die Bedeutung der angegebenen Nebeneinkünfte muss transparenter gemacht werden. Bei Einkünften, die als Umsatz oder Brutto-Honorare transparenzpflichtig sind, sollte dies ausdrücklich bei der Veröffentlichung gekennzeichnet werden, um dem missverständlichen Eindruck vorzubeugen, es handele sich um Gewinne. So entsteht bessere Vergleichbarkeit und Transparenz über die Angaben.

Zugleich dürfen die Vorgänge innerhalb der Union nicht zu einem Anschlag auf Unternehmertum und Selbstständige in der Politik umgemünzt werden. Es wäre falsch, für Parlamentsmitglieder Nebentätigkeiten pauschal zu verbieten. Das bedeutete, dass kein Handwerksmeister, kein Unternehmer und kein Selbstständiger mehr ins Parlament einziehen könnten. Gerade Selbstständige sind nämlich darauf angewiesen, ihren Gewerbebetrieb während der Ausübung des Mandats aufrecht zu erhalten, etwa durch die Einstellung eines Geschäftsführers. Denn sonst stünden sie nach der durchschnittlichen Verweildauer von etwa acht Jahren im Deutschen Bundestag anschließend vor dem wirtschaftlichen Nichts. Das würde faktisch zu einem Ausschluss dieser Gruppe von Funktionen innerhalb von Parlamentsfraktionen führen. Ein solcher systematischer Ausschluss von Selbstständigen ist unbürgerlich. Er schadet der Qualität der Politik. Denn Politik profitiert von unternehmerischem Denken und unternehmerischer Erfahrung. Deshalb darf die Politik kein Signal pauschaler Unternehmerfeindlichkeit senden, sondern muss Transparenz schaffen und differenziert Interessenskonflikte lösen.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen meine Position hiermit etwas näher bringen.

Mit besten Grüßen
Dr. Marco Buschmann MdB

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