Frage an Marianne Tritz bezüglich Wirtschaft

Marianne Tritz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von juergen H. •

Frage an Marianne Tritz von juergen H. bezüglich Wirtschaft

Lüneburg ist eine stark prosperierende Vorzeige-Region im Wirtschaftsraum Hamburg. Eine ehemals verarmte Region im „Zonenrandgebiet“ mit jetzt hervorragenden Wachstumswerten und einem interessanten Umfeld für Familien hat doch Modellcharakter für anderen Regionen in Deutschland. Lüneburg ist doch eine der Regionen, die am meisten von der Einheit Deutschlands und der Osterweiterung profitiert haben.

Was sagen Sie Ihren Parteikollegen über unsere Region? Was zeichnet unsere Region aus? Warum glauben Sie, kann eine Enklave im Norden, dem prosperierenden Süden zeigen, dass hier auch geschäftlicher Erfolg möglich ist? Was ist aus bundespolitischer Sicht notwendig, um die Region zu stärken? Mich interessieren insbesondere familien-, verkehrs- und steuerpolitische Vorschläge.

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Harms,

vielen Dank für Ihre Fragen. Ich möchte allerdings voraus schicken, dass ich mich als Bundespolitikerin stärker auf die von den Grünen in Regierungsverantwortung mit bewirkten bundespolitischen Rahmenbedingungen konzentrieren werde. Für Ihre positive Einschätzung von Lüneburg sei ergänzend angemerkt, dass die Region Lüneburg sich in der Tat von einem verarmten Zonenrandgebiet zu einer prosperierenden Region entwickelt hat. Zugleich aber zählt der Regierungsbezirk Lüneburg nach den sozioökonomischen Schlüsselkriterien der EU immer noch zu den schwächsten Gebieten Deutschlands und ist damit auf die Förderprogramme der EU weiter angewiesen.

Eine Stärkung der Region setzt in jedem Fall bei der Arbeitsmarktpolitik und der Wirtschaftsförderung an. Dafür wurden durch die Bundespolitik entscheidende Weichen gestellt. Die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit ist und bleibt eine der zentralen Herausforderungen der nächsten Jahre. Die Hartz IV-Gesetzgebung war, etwa mit der Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe, ein Schritt in die richtige Richtung. Das Ziel von Hartz IV ist es nicht in Arbeitslosigkeit zu investieren, sondern in Arbeit, das heißt aktive Förderangebote zu machen. Dank der Grünen wurde zum Bespiel die Regelung zum Zuverdienst deutlich verbessert, damit Schwarzarbeit an Attraktivität verliert. Trotzdem gibt es noch viel zu tun, etwa bei der Anrechnung von Partnereinkommen oder beim Schutz des Altersvorsorgevermögens im Fall von Arbeitslosigkeit. Unser Ziel als Grüne ist es Hartz IV zu einem Sicherungssystem zu machen, das armutsfest ist und die Integration in den Arbeitsmarkt fördert.

Viele Kommunen haben in den letzten Jahren damit begonnen ihren Anteil an dieser Aufgabe zu übernehmen – weil sie erkannt haben, dass es sinnvoller ist in Arbeit, Beschäftigung und Qualifizierung zu investieren, anstatt über die Sozialhilfe Armut zu finanzieren.

Grüne Wirtschaftspolitik ist Mittelstandspolitik. 70 Prozent aller Arbeitnehmer und etwa 80 Prozent aller Lehrlinge arbeiten im Mittelstand. Aus diesem Grund haben wir in Regierungsverantwortung die Rahmenbedingungen für Selbständigkeit und Existenzgründungen verbessert, haben kleine und mittelständische Betriebe um etwa 17 Milliarden ¬ steuerlich entlastet, die Zwangsmitgliedschaft bei der IHK eingeschränkt und innovative Unternehmen gefördert. Vom Boom der erneuerbaren Energien, den Grüne mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ausgelöst haben, profitieren kleine und mittlere Handwerksbetrieb, zum Beispiel bei der Installation von Solaranlagen. Gleichzeitig wurde der ländliche Raum durch das EEG gestärkt, denn der Landwirt, der auch noch Energiewirt ist, schafft sich ein zweites wirtschaftliches Standbein. Der Erfolg hat gezeigt, dass Ökonomie und Ökologie sehr gut zusammen passen.

Auch auf Landesebene setzten sich Bündnis 90/DIE GRÜNEN weiterhin für die Umsetzung einer gezielten Ansiedlungspolitik und Förderung von Existenzgründungsprojekten ein. Das Ziel ist es Arbeitsförderung, Wirtschafts- und Strukturpolitik auf ökologische Ziele und die regionale Entwicklung auszurichten, um die ökologische und soziale Kreislaufwirtschaft zu fördern.

Für eine Stadt wie Lüneburg mit ihren Hochschulen und Forschungsinstituten ist von erheblicher Bedeutung, dass Grüne dazu beigetragen haben, dass von 1998 bis 2004 die Förderung von Forschung durch den Bund um fast 40 Prozent gesteigert wurde. Zudem wurde durch die Exzellenzinitiative erleichtert, Forschungsschwerpunkte oder so genannte Forschungscluster über die Grenzen der einzelnen Institutionen hinaus zu schaffen. Die Forschungsförderung hat für uns eine besondere Bedeutung, denn sie ist Investition in die Zukunft und in neue Arbeitsplätze. Dabei wurden nicht nur die Bedingungen für öffentlich finanzierte Forschung verbessert, sondern auch die Rahmenbedingungen für forschungsintensive Unternehmen.

Familien mit Kindern und ihre Förderung stehen im Zentrum grüner Politik. Darum haben wir eine Reihe von familienpolitischen Maßnahmen in unsrer Regierungsverantwortung durchgesetzt, wie die Erhöhung des Kindergeldes, die steuerliche Entlastung von Familien und Alleinerziehenden, die Anrechnung von Kindererziehungszeiten auf die Rente, den Ausbau von Betreuungsangeboten. Denn gerade für die unter Dreijährigen, aber auch im Kindergarten und für Schulkinder fehlen noch viele Plätze. Hier setzt das Tagesbetreuungsgesetzt (TAG) an, durch das die Qualität von Kindertagesstätten und die Betreuungsangebote verbessert werden. Zudem hat der Bunde vier Milliarden ¬ in die Einrichtung von mehr Ganztagsschulen bereit gestellt. Für uns als Grüne ist dabei entscheidend, gute und gesunde Lebensbedingungen, Chancengerechtigkeit und ein hochwertiges, verlässliches Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder zu schaffen. Denn die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf ist für uns kein Schlagwort, sondern Programm. Bei der Umsetzung dieser bundespolitischen Rahmenbedingung sind die Länder gefragt. Ursula von der Leyen, niedersächsische Familienministerin, verfolgt eine andere Politik. Sie möchte das TAG abschaffen. Kinder und Karriere in Einklang zu bringen, wird nach dieser Politik weiterhin ein Privileg weniger bleiben.

Für die Attraktivität einer Region spielen die so genannten weichen Faktoren wie Sie in Ihrem einleitenden Text betonten, nämlich Betreuungsanbote, Infrastruktur und eine intakte Umwelt für die Ansiedlung von Unternehmen und den Zuzug gerade von qualifizierten Arbeitnehmern eine erheblich Rolle.

Noch bieten Heide und Elbauen eine weitgehend intakte Umwelt als Naherholungsgebiet und für den Tourismus. Das ist ein Stück Lebensqualität, das gerade wir Grünen sehr zu schätzen wissen und für das wir uns seit Jahren einsetzen. Es sind Grüne, die sich in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt hartnäckig gegen den Ausbau der Elbe und für den Erhalt der Elbauen einsetzen oder für den Ausbau von Radwanderwegen. Immerhin ist der Radwandertourismus inzwischen ein lukrativer Tourismuszweig geworden und damit wichtig für den ländlichen, strukturschwachen Raum.

Zuletzt noch ein paar Worte zum Verkehr. Die Verkehrsanbindung der Region Lüneburg ist sehr gut. Trotzdem soll hier eine weitere Autobahn gebaut werden. Wir Grünen sind dagegen. Gerade im Sinne des Erhalts der oben beschriebenen intakten Umwelt lehnen wir den Bau der A 39 ab. Diese Autobahn ist, übrigens auch nach Einschätzung von Verkehrsexperten, überflüssig. Außerdem ist sie ökologisch bedenklich, denn sie würde wertvolle Erholungsgebiete durchtrennen. Das ergab eine vom Bundesamt für Umweltschutz in Auftrag gegebene Studie. Aufgrund des hohen ökologischen Risikos wurde das Projekt mit einem Naturschutzfachlichen Planungsauftrag versehen. Für sinnvoll halten wir dagegen einen mit Augenmaß durchzuführenden Ausbau der B 4. Wichtig ist außerdem eine weitere Stärkung der Schiene. Daher fordern wir das dritte Gleis zwischen Maschen und Lüneburg.

Aus meiner Sicht würde die Region Lüneburg gestärkt, wenn die von Rot-Grün begonnene Arbeit weitergeführt würde und wenn es zudem gelingt, diese wichtigen bundespolitischen Weichenstellungen in Landespolitik umsetzen. Dafür setzen wir Grünen uns ein im Bund, im Land und auf kommunaler Ebene.

Mit freundlichen Grüßen

Marianne Tritz, MdB