Frage an Marie Schäffer bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Marie Schäffer. Foto: © Andi Weiland
Marie Schäffer
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Ines F. •

Frage an Marie Schäffer von Ines F. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Wie soll die Bildungspolitik konkret in den nächsten fünf Jahren in Brandenburg ausgestaltet werden? Sind Sie mit dem Einsatz von Lehrern aus Polen einverstanden?
Wie soll demokratische Beteiligung im Land funktionieren? Welche Überlegungen gibt es zu neuen Formen der Beteiligung?

Werden die Brandenburger Grünen ein neues Landesaufnahmegesetz vorschlagen und in Koalitionsverhandlungen einbringen?

Warum soll es junge Grüne Abgeordnete ohne Verwaltungserfahrung im Brandenburger Landtag geben?

Marie Schäffer. Foto: © Andi Weiland
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau F.,

vielen Dank für Ihre Fragen. Ich gehe im Folgenden kurz auf die verschiedenen angesprochenen Themengebiete ein. Ausführlichere Informationen zu allen Themen gibt es im Bündnisgrünen Wahlprogramm unter folgendem Link:

https://gruene-brandenburg.de/userspace/BB/lv_brandenburg/landtagswahlprogramm/B90GRUENE_Wahlprogramm_LTW2019_PDFVersion.pdf

Bildung:

Die wichtigste und drängendste Herausforderung in der Bildungspolitik ist der akute Lehrer*innenmangel. Dieser wird sich nur durch ein ganzes Bündel von Maßnahmen beseitigen lassen. Um den großen Bedarf an Lehrkräften zu decken, wollen wir die Kapazitäten für die Lehramtsausbildung auf Dauer erweitern, insbesondere in den Studiengängen Förder-und Inklusionspädagogik. Unter Anderem wollen wir ein Lehramtsstudium an der Universität Cottbus, beginnend mit den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik), einführen. Kurzfristig lässt sich der große Bedarf aber nur über Seiteneinsteiger*innen decken. Damit dennoch die Qualität des Unterrichts gesichert ist, setzen wir uns dafür ein, dass diese von Anfang an ausreichend qualifiziert und unterstützt werden (also nicht erst parallel zum Unterricht).

Außerdem wollen wir den Arbeitsplatz Schule gerade in den ländlichen Regionen attraktiver gestalten, Mittel aus dem Digitalpakt des Bundes und der Länder gezielt für den Aufbau der digitalen Bildungsinfrastruktur in den strukturschwachen Kommunen verwenden, und setzen uns für einen bundesweit einheitlichen Rahmen für die Bezahlung ein, um den ruinösen Konkurrenzkampf zwischen den Ländern um die Bezahlung und Besoldung von Lehrkräften zu beenden.

Lehrkräfte aus Ländern der Europäischen Union können selbstverständlich auch an unseren Schulen unterrichten, wenn sie die Sprachkenntnisse haben, die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen und ggf. am notwendigen Qualifizierungsprogramm teilnehmen. Um zum Referendariat zugelassen zu werden, brauchen sie Sprachkenntnisse auf muttersprachlichem Niveau (C2).

Zentrales Ziel Bündnisgrüner Bildungspolitik ist, dass der Bildungserfolg nicht mehr von der sozialen Herkunft eines Kindes dominiert wird. Alle Kinder können und wollen lernen. Dafür muss es gute Rahmenbedingungen geben und Freiräume, in denen sich alle Beteiligten entfalten und gute Arbeit leisten können. Über die beschriebenen Punkte hinaus haben wir im oben verlinkten Landtagswahlprogramm ab Seite 44 unsere zukünftige Bildungspolitik für Brandenburg skizziert.

Für mich persönlich ist einer der wichtigsten Punkte in diesem Bereich die Stärkung der politischen Bildung und der Medienbildung. Als Informatikerin und Datenschützerin halte ich es für essentiell, dass Kinder und Jugendliche lernen, sicher und selbstbewusst mit den uns alltäglich umgebenden technischen Geräten und Medien umzugehen, die zunehmend den Alltag vieler Menschen mitbestimmen und formen. Das betrifft unter Anderem den Umgang mit Informationsquellen im Internet, die Nutzung von sozialen Medien, den Schutz der eigenen Daten aber auch z.B. die Risiken von vernetzten Haushaltsgeräten.

Demokratische Beteiligung:

Die Stärkung und Weiterentwicklung ist für mich ein besonderes Herzensthema. Unsere Ideen dazu finden Sie im oben verlinkten Wahlprogramm ab Seite 82.

Ein wichtiger Baustein für eine bessere Beteiligung der Bürger*innen ist für mich die direkte Demokratie, also die Möglichkeit, über Volksinitiativen und Volksbegehren eine Beschäftigung des Landtags mit einem Thema und schließlich ggf. einen bindenden Volksentscheid zu erwirken. Dieses Instrument wollen wir mit verschiedenen Vereinfachungen stärken. Dazu gehört unter Anderem, dass weniger Themenbereiche ausgeschlossen werden, dass die nötige Anzahl an Unterschriften an manchen Stellen gesenkt wird, eine Teilkostenerstattung für die Kampagnen eingeführt wird und bei Volksbegehren freie Unterschriftensammlung auf der Straße möglich wird. Ähnliche Verbesserungen wollen wir auch auf kommunaler Ebene erreichen. Insbesondere sollen dort auch Abstimmungen zur Bauleitplanung möglich werden.

Der "Regelfall" bei politischen Entscheidungen ist aber weiterhin die repräsentative Demokratie, also die Debatten und Abstimmungen im Landtag durch gewählte Abgeordnete. Auch diese wollen wir weiter verbessern und offener gestalten. Neben einer besseren Repräsentanz aller Bevölkerungsteile in Parlamenten heißt das für uns vor allem, mehr Transparenz in die Arbeit von Parlament, Regierung und Verwaltung zu bringen und dialogische Beteiligungsverfahren an Gesetzgebungsprozessen anzubieten.

Für das Ziel der Transparenz wollen wir unter anderem ein verpflichtendes Lobbyregister. Außerdem fordern wir ein Open-Data-Portal, in dem alle Verwaltungsdaten automatisch, maschinenlesbar und unter freier Lizenz veröffentlicht werden, wenn nicht wichtige Gründe (bspw. personenbezogene Daten oder Geheimschutz) dagegen stehen. Als Informatikern sehe ich hier ganz besonders die großen Potentiale für die Stärkung von zivilgesellschaftlichem Engagement aber auch wirtschaftliche Möglichkeiten bei der Nutzung offener Daten. Beides lässt sich deutlich beobachten in den Bundesländern, die bereits starke Transparenzgesetze eingeführt haben. Daher möchte ich ganz besonders den Ausbau von Transparenz und Nachvollziehbarkeit durch offene Daten persönlich voran treiben.

Beteiligung an Gesetzgebungsverfahren wollen wir durch ein zentrales Beteiligungsportal voranbringen, wo Bürger*innen wichtige Gesetze kommentieren können. Betroffene Bevölkerungsgruppen sollen außerdem gezielt proaktiv angesprochen und eingebunden werden. Diese Aufgaben wollen wir bei einer bzw. einem Staatssekretär*in für Bürgerbeteiligung bündeln und damit aufwerten.

Landesaufnahmegesetz:

Wir sehen keinen unmittelbaren Bedarf für eine Neufassung des Landesaufnahmegesetzes, da es eine gute Basis für die Gestaltung von Integration bildet.

Es erfolgte dieses Jahr mit unserer Unterstützung eine Änderung des Landesaufnahmegesetzes, mit der existierende Mängel behoben wurden. Dazu gehörte es, den Landkreisen und kreisfreien Städten über pauschale finanzielle Zuweisungen mehr Spielraum bei der Ausgestaltung von Integration zu ermöglichen sowie ein breiter Beteiligungsprozess bei der Mittelverwendung. Wir konnten durchsetzen, dass kommunale Verwaltungen einmal im Jahr an ihren jeweiligen Kreistag beziehungsweise ihre Stadtverordnetenversammlung berichten, welche Projekte sie mit den Mitteln unterstützt haben.

Junge Landtagsabgeordnete:

In einer repräsentativen Demokratie sollte die Zusammensetzung der Parlamente nicht zu weit von der Gesamtbevölkerung abdriften, da sonst die Gefahr besteht, dass bestimmte Blickwinkel zu wenig Beachtung finden. Wie oben beim Thema Demokratie bereits angesprochen, sind einige Bevölkerungsgruppen in Parlamenten systematisch unterrepräsentiert. Dazu gehören neben Frauen, Menschen ohne Hochschulabschluss, Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit Behinderung auch junge Menschen.

Auch bei den Bündnisgrünen Kandidat*innen sind leider nicht alle diese Gruppen so stark vertreten, wie wir es uns wünschen. Aber wir arbeiten an uns und versuchen, Allen die Beteiligung in unserer Partei zu ermöglichen. Denn durch viele verschiedene Blickwinkel und Hintergründe kann eine gute Politik für alle besser gelingen. Wenn nur ältere Personen mit jahrzehntelanger Verwaltungsperspektive im Landtag säßen, wie es die Frage impliziert, wären dagegen meiner Meinung nach die Debatten dort um einiges ärmer.

Deshalb freue ich mich, dass wir es geschafft haben, dass sich viele Junge Menschen unter 30 trauen, auf unserer Landesliste zu kandidieren und damit ihre Themen mit einzubringen. Sie kommen aus allen Landesteilen und bringen so unterschiedliche Hintergründe mit wie Lehramtsstudium, Medizinstudium oder Imkerei. Die meisten haben sich auch z.B. schon in parteiinternen Fachgremien oder in zivilgesellschaftlichen Verbänden eingebracht.

Ich persönlich arbeite übrigens tatsächlich in einer Landesbehörde, konkret bei der Landesbeauftragten für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht. Daher ist auch diese Perspektive bei den jüngeren Kandidierenden von Bündnis 90/Die Grünen vertreten.

Zugleich haben wir natürlich auch viele Kandidierende anderer Altersgruppen, die Erfahrung aus Wirtschaft, Gewerkschaften, langjähriger Landtagsarbeit, Lehrertätigkeit, NGOs, Medien (und wahrscheinlich noch vielem mehr) oder eben auch aus Behörden mitbringen und sich in verschiedensten persönlichen Lebenslagen befinden. Gerade diese breite Aufstellung ist meiner Meinung nach eine große Stärke, die uns in die Lage versetzt mit vielen verschiedenen Bevölkerungsgruppen ins Gespräch zu kommen und Brandenburg als ganzes würdig zu vertreten.

Mit freundlichen Grüßen
Marie Schäffer

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Marie Schäffer
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