Frage an Marko Mühlstein von Thomas N. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Mühlstein,
aktuell fordern einige Politiker in Union und SPD Steuererleichterungen um die Biotreibstoff-Branche zu unterstützen. Unabhängig davon ob dies ökologisch sinnvoll ist oder nicht, dürften solche Massnahmen zum Erhalt von Arbeitsplätzen kurzfristig durchaus sinnvoll sein.
Seit kurzem gibt es einige sehr kritische Studien welche die Umweltfreundlichkeit von Biosprit in Frage stellen. Dem Chemienobelpreisträger Paul Crutzen zufolge führt die Düngung auf den Anbauflächen zur Freisetzung von Lachgas, einem starken Treibhausgas. Die Klimabilanz vieler Biotreibstoffe (inkl. Rapsöl und Maisethanol) wäre demzufolge negativ.
Sehr kritisch äußern sich inzwischen auch Vertreter von Umweltorganisationen (Kommentar aus der Zeit, 27.9.2007):
„Die Politik hat die falschen Entscheidungen getroffen und gedacht, sie hätte mit Biosprit die Lösung gefunden“, sagt Jörg Feddern, Energieexperte von Greenpeace. „Man muss aber jeden alternativen Treibstoff viel genauer auf seine ökologische Wirkung hin hinterfragen.“
Ein zunehmender Einsatz von Biotreibstoffen ist auch unter anderen Gesichtspunkten sehr kritisch zu betrachten. Steigende Preise für Mais aufgrund des gestiegenen Bedarfs von Bioethanol in den USA haben die Preise für das Grundnahrungmittel Mais in Mexiko drastisch erhöht. Inwieweit die steigenden Lebensmittelpreise hierzulande in Zusammenhang mit dem Anbau von Raps und Co. stehen mag dahingestellt sein. Sollte der Umfang der Biotreibstoffproduktion allerdings noch deutlich erhöht werden sind Probleme (wie z.B. riesige Monokulturen...) absehbar.
Mich würde interessieren ob diese neueren Entwicklungen (wie die oben genannte kritische Studie) in der politischen Diskussion überhaupt berücksichtigt werden. Wäre es nicht sinnvoll mit einem weiteren Ausbau der staatlich geförderten Biosprit-Produktion erst einmal abzuwarten und stattdessen zu untersuchen welche Varianten von Biotreibstoff ökologisch sinnvoll sind?
Mit freundlichen Grüssen
Thomas Naiser
Sehr geehrter Herr Naiser,
zunächst ist es mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass Biokraftstoffe nicht nur eine wichtige Stütze im Kampf gegen den Klimawandel darstellen, sondern auch unverzichtbar für unsere zukünftige Versorgungssicherheit sind. Bereits heute müssen die Mitglieder der Europäischen Union über 50% ihres Gesamtenergiebedarfs aus zum Teil politisch instabilen Ländern importieren. Bis zum Jahr 2030 wird der Importbedarf auf 65% ansteigen, wobei 93% des Öl- und 84% des Gasbedarfs eingeführt werden müssen. Gleichzeitig wächst aufgrund des rasanten Bevölkerungswachstums und der voranschreitenden Industrialisierung einiger Schwellenländer die weltweite Nachfrage nach Energie.
Der steigende Hunger nach Energie wird vor dem Hintergrund der Endlichkeit fossiler Rohstoffe in naher Zukunft zu massiven Verteilungskonflikten führen. Denn die ausreichende Bereitstellung von Energie für alle Menschen ist nicht nur eine Frage des Preises, sondern auch ein Garant für Stabilität und Frieden in der Welt. Bereits heuten werden in allen Teilen der Erde Bohrtürme und Pipelines von schwer bewaffneten Soldaten bewacht, um die Versorgung mit Öl zu sichern – jenem Stoff, ohne den ein zivilisiertes Leben und eine prosperierende Wirtschaft nicht möglich scheinen. Umso wichtiger ist es, dass wir unsere Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen, insbesondere von Importen drastisch verringern. Auf diesem Weg stellen Biokraftstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen derzeit die einzige Alternative zu fossilen Kraftstoffen dar. Im Jahr 2006 haben allein die Biokraftstoffe mehr als vier Millionen Tonnen Rohölimporte ersetzt – davon drei Millionen Tonnen durch Biodiesel.
Ich stimme mit Ihnen darin überein, dass der Anbau der Rohstoffe nicht auf Kosten der natürlichen Umweltbedingungen erfolgen darf. In diesem Zusammenhang kann ich Ihnen versichern, dass wir als verantwortliche Fachpolitiker selbstverständlich auch die Erkenntnisse wissenschaftlicher Gutachten von außerparlamentarischen Institutionen in unsere Entscheidungen einfließen lassen. Ein kürzlich veröffentlichtes Sondergutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU) analysiert die vielfältigen Möglichkeiten und Vorzüge des Energieträgers Biomasse und das in Deutschland erschließbare Potenzial. Es weist aber auch auf mit der Biomasseerzeugung und -nutzung verbundene Umweltgefährdungen hin, die beispielsweise durch Intensivierung der Landwirtschaft oder Übernutzung des Waldes entstehen können. Der SRU hält deshalb auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene ökologische Leitplanken und konkrete Standards für erforderlich, um negative Auswirkungen bei Anbau und Nutzung von Biomasse zu vermeiden.
Die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen werden sicherstellen, dass in Deutschland zukünftig nur nachhaltig erzeugte Biomasse zur Energiegewinnung eingesetzt wird und entsprechende Regelungen treffen. Dieses Ziel wollen wir mit der Nachhaltigkeitsverordnung erreichen, die derzeit unter der Federführung des Bundesfinanzministeriums erarbeitet wird und unter anderem die Anforderungen an eine nachhaltige Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen und an den Schutz natürlicher Lebensräume beim Anbau von Biomasse festschreibt. Denn es ist völlig unakzeptabel, dass der tropische Regenwald großflächig gerodet wird, um billiges Palmöl zu erzeugen, das dann bei uns genutzt wird.
Bezüglich der Studie des Chemienobelpreisträgers Paul Crutzen möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf eine Bewertung von Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Friedt vom Interdisziplinären Forschungszentrum für biowissenschaftliche Grundlagen der Umweltsicherung (IFZ) unter folgendem Link lenken:
Ich hoffe, Sie ausreichend über die Ziele der SPD-Bundestagsfraktion hinsichtlich einer nachhaltigen Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen informiert zu haben und lade Sie ein, sich auch künftig an der spannenden Diskussion über die deutsche Biokraftstoffpolitik zu beteiligen.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Marko Mühlstein, MdB