Frage an Martin Gerster bezüglich Soziale Sicherung

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Martin Gerster
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Frage von Hans B. •

Frage an Martin Gerster von Hans B. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Gerster!

Wie stehen Sie persönlich und die SPD zu der Idee, die Zuverdienste für Hart IV Empfänger oder auch Langzeitarbeitslose deutlich zu erhöhen?
Ich werde dieses Jahr 62 Jahre alt und falle seit gut 2 Jahren unter die 58´er Regelung. Vor drei Jahren bekam ich eine Knieprothese. Nach dieser OP war ich 7 Monate krank. Danach habe ich wieder versucht in meinem Job als LKW Fahrer im internationalen Fernverkehr zu arbeiten. Dies war mir dann aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich. Also meldete ich bei meinem zuständigen Arbeitsamt um eine für mich adäqute Arbeit vermittelt zu bekommen. Mir wurde dann aber diese 58´er Regelung vorgeschlagen (die Gründe kennen wir ja, man fällt aus der Statistik). In den letzten Jahren habe ich genügend Arbeitsangebote bekommen, die ich aber wegen dieser Knieprothese nicht annehmen konnte (kann keine Lade oder Entladetätigkeit ausüben. Somit bin auch für evtl.Arbeitgeber nicht einsetzbar). Seit fast einem Jahr arbeite ich nun bei einem ehemaligen Arbeitgeber als Aushilfsfahrer (165 Euro). Ich könnte natürlich mehr dazu verdienen, doch wird mir ja alles über die Zuverdienstgrenze von 165 Euro von meinem ALG I abgezogen, so dass hier keinerlei Motivation, besteht, mehr zu arbeiten. Im Sommer diesen Jahres werde ich dann in den Genuß von Hartz IV kommen wo der Zuverdienst nochmals erheblich eingeschränkt wird. Es wäre angesichts solcher Tatsachen, und ich bin ja nicht der Einzige, bei dem solch ein Fall vorliegt, doch wesentlich besser, die Zuverdienstgrenze erheblich anzuheben.

Mit freundlichem Gruß
Hans Brauchle

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Sehr geehrter Herr Brauchle,

vielen herzlichen Dank für Ihre Zuschrift. Der Idee, die Zuverdienstgrenzen für Menschen, die auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind zu erhöhen, kann ich tendenziell durchaus etwas abgewinnen. Allerdings nur unter der Bedingung, dass hierdurch auf Arbeitgeberseite keine Anreize geschaffen werden, reguläre Voll- oder Teilzeitstellen durch geringfügige "Aufstocker-Jobs" zu substituieren. Mit diesem Problem sind die existierenden Kombilohnmodelle, sofern sie unbefristetet sind, bereits jetzt behaftet.

Eine Möglichkeit wäre, die Zuverdienstgrenzen mit der Dauer des Verbleibs im Arbeitslosengeld II dynamisch auszugestalten. Für Arbeitnehmer, die erst seit kurzem aus dem Arbeitslosengeld I herausgefallen sind, wären nach meiner Einschätzung höhere Zuverdienstgrenzen akzeptabel und sinnvoll. Ebenso für die Personenkreise, bei denen eine erfolgreiche Wiedereingliederung in den regulären Arbeitsmarkt (beispielsweise aus Gesundheitsgründen) unwahrscheinlich erscheint. Auch eine Kombination verbesserter Zuverdienstmöglichkeiten mit der Wahrnehmung von Angeboten zur Weiterqualifikation halte ich für denkbar.

Sofern allerdings eine realistische Chance besteht, wieder in ein voll sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis zu gelangen, wäre es im Sinne der Devise „Fördern und Fordern“ verantwortbar, die Zuverdienstgrenzen im Laufe der Zeit abzuschmelzen.

Allerdings muss ich zu bedenken geben, dass entsprechende Konzepte in der derzeitigen politischen Konstellation gegenwärtig kaum realisierbar erscheinen, da zwischen den Koalitionsfraktionen erhebliche Divergenzen bestehen, welche Personenkreise von einer Erhöhung der Zuverdienstgrenzen profitieren sollten. Die von der SPD favorisierten - auf die Bedürfnisse von Menschen mit bereits vor der Arbeitslosigkeit niedrigen Einkommen zugeschnittenen - Modelle finden derzeit nicht die notwendige Unterstützung auf Unionsseite.

Mit freundlichen Grüßen

Martin Gerster

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