Frage an Matthias Güldner von dieter b. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Matthias Güldner,
kennen Sie dieses Gefühl aus den fahrenden Sardinendosen eines Zuges zu kommen, aus den Beton- und Lärmwänden eines Bahnhofs, den Sie dann schnell verlassen in der Hoffnung auf Weite, Ruhe, Grün, Kultur und frische Luft? Kennen Sie dieses Gefühl?? In Bremen konnte ich mich bisher darauf verlassen, dass positve Emotionen beim Verlassen des Bahnhofes erweckt worden sind. Der Schock ist bisher ausgebleiben.
In Zukunft auch? In Zukunft soll es also vor dem Bremer Bahnhof so ausssehen wie vor den meisten anderen Bahnhöfen der Republik: Beim Verlassen der LärmEnge der atemlosen Mobilgesellschaft, soll der Reisenden gleich von einem weiteren Glas-Beton-Konsum-Mausoleum erstickt werden.
Durch Zufall habe ich ein Statement von einem Linken entdeckt.
“Nicht nur Biotope und Biber schützen, sondern auch Soziotope, Skater und Suppenküchen!“
Hierzu die 1. Frage:Wollen Sie sich diese Aufforderung nicht auch auf Ihre Fahnen schreiben?
2. Frage: Lautet die neue Zielrichtung der Grünen jetzt: Leere Plätze haben im Interesse von Wirtschaft und Konsum bebaut zu werden?
3. Frage: Zeigt diese Entscheidung den Konflikt innerhalb eines Ressorts, dass neben Umwelt auch verantwortlich zeichnet für Bau und Verkehr?
Herzlich D. Blockland
Sehr geehrter Herr Blockland,
ja, ich kenne das Gefühl. Überfüllte Züge, besonders an Wochenenden, und dann wenigsten ein paar Meter Sicht und etwas Weite. Dennoch teile ich Ihre Beschreibung der Situation auf dem Bahnhofsvorplatz nicht ganz. Die Assoziation "Ruhe", "Grün", "Kunst", "frische Luft" habe ich noch bei keiner Überquerung des Bahnhofsvorplatzes gehabt. Auch wenn ich mich länger dort aufhalte, stellen sie sich nicht ein. Ich empfinde es dort in der Regel als laut, betoniert, trist und öde. Einzig die Skateranlage mit ihren Nutzern macht auf diesem Areal wirklich Spaß. Die Skater allerdings waren von Anfang an nur auf eine Zwischennutzung eingestellt und haben direkt hinter dem Bahnhof, am Schlachthof, ein Domizil, das sie auch jetzt schon sehr aktiv nutzen. Neben den Skatern kann ich die von Ihnen beschriebene Weite, dieses nicht schon wieder direkt vor einem (Hoch-)Haus stehen, absolut nachvollziehen und das empfinde ich beim Entrée Bremens auch als positiv.
Nun also ein neues "Glas-Beton-Konsum-Mausoleum", wie sie es nennen? Neben den tristen und mehr als doppelt so hohen Tivoli- und Siemenshochhäusern, den schäbigen Gebäuden am Breitenweg, der ziemlich im Niedergang befindlichen Bahnhofsvorstadt insgesamt, kann ich einem Stück neuer, anspruchsvoller Architektur durchaus etwas abgewinnen. Im Vorfeld sind den Architekten eine Vielzahl von Auflagen über die Herstellung öffentlichen Raums, die ökologischen Bauvorgaben, Geschosshöhe etc. gemacht worden. Im jetzt vorliegenden Entwurf sind sie eingehalten worden, aber es gibt sicherlich auch noch Nachbesserungsbedarf. Gerade in der Frage öffentliche Aufenthaltsmöglichkeiten ohne Konsumzwang und ständige Gängelung. Daran wird meines Wissens schon gearbeitet, wenn nicht muss dieser Aspekt dringend noch abgeklärt werden. Weiterer öffentlicher Raum existiert ja auch direkt nebenan, beim Platz vor dem Überseemuseum. Also auch Möglichkeiten für die Suppenküche, auf deren absolut notwendige Existenz sie zurecht hinweisen.
Wie sie meiner Antwort anmerken, ist diese Frage keine, die man meines Erachtens eindeutig mit ja/nein oder schwarz/weiß beantworten kann. Ich bin noch mitten in den Überlegungen, unter welchen konkreten Auflagen und Bedingungen eine entsprechende Bebauung sinnvoll sein kann. Die Seniorenvertretung und viele andere haben ja ebenfalls noch konkrete Vorschläge gemacht. Aus meiner heutigen Sicht solten wir diesen öffentlichen Erörterungsprozess, der mit der Beiratssitzung letzte Woche ja erst begonnen hat, unbedingt fortsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Güldner