Frage an Matthias Miersch bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Matthias Miersch
SPD
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Frage von Olaf von B. •

Frage an Matthias Miersch von Olaf von B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Miersch,

wie wollen Sie dazu beitragen, verloren gegangenes Profil der Sozialdemokraten neu zu definieren, die Sozialdemokratie als erstrebenswertes politisches Ziel zu erläutern und überhaupt zu erreichen, dass wieder mehr als 20% der SPD zutrauen Regierungsarbeit zu leisten?

mit freundlichen Grüssen

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SPD

Sehr geehrter Herr von Brill,

vielen Dank für Ihre Frage auf abgeordnetenwatch.de. Das Wahlergebnis war für die SPD ein Schock und es muss jetzt gründlich analysiert werden, an welchen Stellen Fehler gemacht wurden und an welchen Stellen neue Wege gegangen werden müssen.

Ich glaube, dass eine Vielzahl von Faktoren eine Rolle für das Abschneiden bei der Bundestagswahl gespielt hat und ich plädiere dafür, dass sich die SPD die Zeit nimmt, vor allem miteinander zu sprechen und die Argumente aller Ebenen auszutauschen. Ich selbst habe mir aus den Überlegungen und Diskussionen der vergangenen Wochen ein Bild gemacht, das ich Ihnen gerne erläutere:

In der schwierigen Situation in der großen Koalition hat sich das Profil der SPD durch großen Druck von allen Seiten abgenutzt. Die Union hat als unser Koalitionspartner sozialdemokratische Erfolge verkündet, gleichzeitig konnte die Linke ohne Regierungsverantwortung deutlichere, wenn auch häufig unrealistische Forderungen Stellen, die uns an anderer Stelle das Leben schwer gemacht haben.

Die neue Situation bringt für uns nun die Möglichkeit eines Neustarts mit sich, den ich mir, auch als Vorsitzender des Unterbezirks Hannover, als Prozess von „unten“ nach „oben“ vorstelle. Hierzu hat es mit einem Auswertungs- und Perspektivkongress von SPD-Bezirk Hannover und SPD-Unterbezirk Region Hannover in der Hannover-96-Arena einen ersten Schritt gegeben. Nach dem Motto „Wir bereiten auf und wir bereiten Zukunft vor“ ist hier ein parteiinterner Dialog und das Gespräch mit Multiplikatoren von außen in Gang gekommen, den wir nun kontinuierlich fortsetzen müssen.

Übrigens konnten wir gerade in den letzten Wochen feststellen, dass Menschen neu in die SPD eintreten und sich viele Parteimitglieder engagieren wollen. Diesen Schwung müssen wir nutzen, ohne wieder die alten Fehler zu begehen.

Die ersten Ansätze des schwarz-gelben Koalitionsvertrages zeigen inhaltliche Themen auf, denen wir uns annehmen müssen: etwa soll die solidarische Finanzierung im Gesundheitssystem abgeschafft werden und der Pförtner wie der Manager den identischen Krankenkassenbeitrag zahlen. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass durch eine nicht verantwortbare Finanz- und Steuerpolitik die Haushalte von Bund, Ländern und vor allem von unseren Städten und Gemeinden völlig aus dem Ruder laufen werden. Gerade in Zeiten, in denen es wichtig wäre, in kommunale Daseinsvorsorge, in Krippen, Schulen und Pflegeeinrichtungen zu investieren. Hier bieten sich gleich zu Beginn dieser Periode wichtige Handlungsfelder, auch im Hinblick auf die kommenden Kommunalwahlen.

Bereits an diesen Themen wird deutlich: Es gibt ganz viel zu tun! Ohne Ergebnisse der parteiinternen Aufarbeitung vorwegnehmen zu wollen, halte ich vier Handlungsfelder der künftigen SPD-Politik auf allen politischen Ebenen für unverzichtbar und stelle sie bereits hiermit zur Diskussion, ohne auch gleich den Weg zur Erreichung dieser Ziele genau beschreiben zu können. Es gilt aber, Ziele zu definieren, hinter denen sich viele Menschen in unserem Land versammeln können:

1. Die Schere zwischen Arm und Reich darf nicht weiter auseinandergehen. Unsere Politik muss für Solidarität in den Sozialkassen sorgen, für Sicherheit bei Krankheit und Alter, für ausreichende Steuereinnahmen des Staates, für den Erhalt öffentlicher Daseinsvorsorge, für klare staatliche Grenzen des Marktes und für einen fairen Lohn. Hinzukommen muss ein öffentlicher Beschäftigungssektor. Hierzu führe ich aktuell ein Pilotprojekt mit dem Titel „Stadt ohne Arbeitslosigkeit“ in Wennigsen durch. Vor dem Hintergrund dieser Punkte müssen wir auch dringend die von und durchgeführten Reformen beleuchten.

2. Alle Anstrengungen der SPD müssen darauf abzielen, Chancengerechtigkeit durch gute Bildung zu erreichen. Als Stichworte nenne ich Gebührenfreiheit, wirkliche Ganztagsangebote, gute Krippen- und Kitaangebote, leichte Übergänge im Rahmen der unterschiedlichen Bildungsverläufe, eine gute Integrationspolitik und vor allem die Garantie von Schulessen etc. an Stelle von Steuergeschenken.

3. Wir müssen eine Politik der nachhaltigen Entwicklung zur Handlungsmaxime machen. Wie können wir den nachfolgenden Generationen eine gute Welt hinterlassen - und zwar aus ökologischer, sozialer und ökonomischer Perspektive? Das setzt einen neuen Begriff von Wachstum voraus. Wo liegen die Handlungsfelder der Zukunft, die neue Beschäftigungsmöglichkeiten bieten? Hier geht es um viel mehr als um reine Verteilungspolitik und es geht auch um andere Ansätze als den Weg in den Schuldenstaat. Als Grundwert haben wir das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung bereits im Grundsatzprogramm. Jetzt müssen wir es in unseren Politikansätzen auch beherzigen.

4. Wir müssen Teilhabe und Demokratie zu unseren Handlungsfeldern machen. Wie gewinnen wir Vertrauen der Menschen? Politik muss wieder Primat des Handelns werden. Wie reagieren wir auf neue Medien? Wie öffnen wir den Dialog zu gesellschaftlich relevanten Gruppen? Und auch für die Demokratie in der Partei muss gelten, dass Alltagspolitik trotz notwendiger Kompromisse unantastbare Grundsätze stets beachten muss. Eine Missachtung eines Parteitagsbeschlusses, wie bei der Bahnprivatisierung geschehen, darf es in der SPD nie wieder geben. Das Zusammenspiel zwischen Partei/Fraktion/Regierung/Verwaltung muss in unserer Arbeit ein besonderes Gewicht haben. Dabei müssen wir auch klären, wie wir mit Konflikten umgehen und mit unterschiedlichen Ansichten, die natürlich sind - in der Vergangenheit aber häufig das Bild von Zerrissenheit geprägt haben.

Das alles sind erste Überlegungen für den Blick in die Zukunft. Hierüber werden wir auf allen Ebenen in den kommenden Wochen diskutieren. Ich lade auch Sie ein, diesen Prozess aktiv zu begleiten.

Für mich als Abgeordneter gilt weiterhin, dass ich mit unterschiedlichen Aktionen die Bundespolitik in den Wahlkreis bringen werde. Ich freue mich in diesem Rahmen auch auf Gespräche mit Ihnen.

Mit freundlichen Grüßen

Matthias Miersch

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