Frage an Matthias Miersch

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Matthias Miersch
SPD
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Frage von Yannick F. •

Frage an Matthias Miersch von Yannick F.

Guten Abend Herr Miersch,

ich würde gerne iche persönliche Meinung Begründung wissen warum sie gegen ein Frackingverbot abgestimmt haben. Ich habe Sie noch gut in Erinnerung, als Sie damals anlässlich von Rio +20 unter dem Motto Global denken lokal handeln an dem Georg-Büchner-Gymnasium in Letter die Jutebeutelaktion unterstützt haben. Ich selber war Teil dieser Gruppe. Sie wirkten auf mich sehr gut informiert und symphatisch. Doch als ich auf Abgeordnetenwatch Ihr Abstimmungsverhalten gesehen habe bezüglich des Frackingverbots und der Neuzulassung für Glyphosat bin ich irritiert.
2017 wird meine erste Bundestagswahlsein, an der meine Freunde aus Letter und Seelze und ich teilnehmen dürfen. Für meinen Freundeskreis und mich ist die SPD grundsätzlich wählbar, vor dem Hintergrund wie Sie und Ihre Parteimitglieder auf Bundesebene bei den oben gennanten Themen abgestimmt haben, muss ich meine Meinung eventuell überdenken. Auf jeden Fall werde ich Ihr Abstimmverhalten weiter verfolgen.
Schließlich möchte ich an dieser Stelle aber auch noch ein großes und ernstgemeintes Lob aussprechen (denn meist werden Sie wohl nur Beschwerden und Kritik ernten): Vielen Dank an Sie und alle anderen Abgeordneten, die für einen flächendeckenden Mindestlohn gestimmt haben. Dieser war m.E. längst überfällig.

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Antwort von
SPD

Lieber Herr Fischer,

haben Sie vielen Dank für Ihre E-Mail vom 3. Januar 2017 bezüglich meines Abstimmungsverhaltens im Deutschen Bundestag zu den Themen Fracking und Glyphosat.

Bitte lassen Sie mich zu Beginn festhalten, dass ich mich weder für den Einsatz der Frackingtechnologie noch für den Einsatz von Glyphosat ausgesprochen habe.

So handelte es sich bei den von Ihnen angesprochen beiden Abstimmungen um Anträge bzw. Gesetzentwürfe der Oppositionsfraktionen. Es ist ein übliches Verfahren, dass Grüne und Linke beispielsweise Passagen aus Parteiprogrammen oder Wahlprogrammen übernehmen und diese im Parlament zur Abstimmung stellen, um damit die Abgeordneten der Regierungsparteien unter Druck zu setzen. Manche sprechen hier auch vom „Vorführen“. Dort, wo Grüne und Linke in Regierungsverantwortung sind, wissen auch diese Parteien ganz genau, dass man im Rahmen einer Koalition ein gemeinsames Abstimmungsverhalten im Koalitionsvertrag vereinbart hat. In der Sache wäre es daher auch wenig hilfreich, wenn ich den Anträgen der Opposition in diesen Fällen zugestimmt hätte. Mein Recht auf Gewissensfreiheit habe ich in den letzten Jahren demgegenüber mehrmals in Anspruch genommen und auch gegen die Mehrheit der Fraktion gestimmt, wenn es um konkrete Gesetzesvorhaben ging. Einem Gesetz, welches die kommerzielle Förderung von Schiefer- und Kohleflözgas mittels der Frackingtechnologie ermöglichen würde, würde ich demzufolge niemals zustimmen. Dieses gilt beispielsweise auch für eine Beschlussfassung der Koalitionsfraktionen, die z.B. unsere Minister ermächtigt hätte, der Verlängerung von Glyphosat zuzustimmen.

In einigen meiner persönlichen Erklärungen aus dem Jahr 2016 habe ich immer wieder auf die schwierige Diskussion mit der CDU/CSU in Sachen Fracking hingewiesen (siehe hierzu: http://matthias-miersch.de/ueber-mich/persoenliche-erklaerungen/).

Besonders kontrovers wurde über die Frage des sogenannten Frackings von unkonventionellem Gas gestritten, welches in den USA praktiziert – und in Deutschland durch Firmen wie Exxon geplant – wird. Gegenstand vieler Demonstrationen und Veranstaltungen war die Rolle einer Expertenkommission, die nach dem Regierungsentwurf aufgrund von Probebohrungen über den Übergang zur kommerziellen Förderung hätte entscheiden können. Bereits in der ersten Lesung habe ich für die SPD- Bundestagsfraktion erklärt, dass eine solche Entscheidung beim Bundestag liegen müsse und nicht von einer Expertenkommission getroffen werden könne. Problematisch war, dass weite Teile von CDU/CSU eine völlig andere Auffassung hatten, gleichzeitig aber das bestehende Recht völlig veraltet gewesen ist, so dass eine gesetzliche Neuregelung dringend angezeigt war. Nachdem die Industrie in Niedersachsen mit weiteren Anträgen aufgrund der alten Rechtslage gedroht hat, konnte am 24. Juni vergangenen Jahres ein wichtiger Durchbruch erzielt werden, der klar die Handschrift der SPD-Bundestagsfraktion trägt:

• Erstmals wird in Deutschland das unkonventionelle Fracking verboten. Das Verbot gilt bundesweit und ist unbefristet.

• Max. vier Probebohrungen zu wissenschaftlichen Zwecken können in Deutschland zugelassen werden, allerdings nur mit Zustimmung der jeweiligen Landesregierung.

• Die Expertenkommission übermittelt dem Deutschen Bundestag lediglich einen Bericht, der dann prüft, ob das Verbot noch angemessen ist. Solange der Bundestag nicht ausdrücklich das Verbot aufhebt, bleibt es bestehen.

• Für das in Niedersachsen seit den 60er Jahren praktizierte Fracking von konventionellem Gas gelten zukünftig hohe Umweltstandards. So muss z.B. künftig ein Einvernehmen mit den Wasserbehörden erzielt werden. Im Bereich des Bergschadensrechts findet zugunsten der Bürger eine Beweislastumkehr statt. Der Niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel hat bereits angekündigt, dass er mit längeren Genehmigungsverfahren rechne, die auch vor Gericht landen könnten, wenn die Abwägung nicht sorgfältig erfolge. Die Unternehmen werden somit Gelegenheit bekommen, gerade in einigen Gebieten Niedersachsens zu beweisen, dass sie die Zeichen der Zeit erkannt haben.

Ich weiß, dass die Opposition und auch bestimmte Verbände den Beschluss kritisiert hatten. Damit ich nicht nur eine Bewertung vornehme, gebe ich drei Links zu zwei Kommentaren von Journalisten der TAZ und der Süddeutschen Zeitung, die nun nicht gerade dafür bekannt sind, blind die Große Koalition in ihrer Umweltpolitik zu loben:

http://taz.de/Kommentar-Geplantes-Fracking-Gesetz/!5315884/
http://www.sueddeutsche.de/politik/fracking-bohren-verboten-1.3044606
http://www.sueddeutsche.de/politik/fracking-geht-doch-1.3045850

In Sachen Glyphosat haben Sie sicher verfolgt, dass die SPD-MinisterInnen einer weiteren Zulassung nicht zustimmt haben. Dieses resultiert gerade auch aus der eindeutigen Haltung der SPD-Bundestagsfraktion. Sie können sicher sein, dass ich daran nicht unbeteiligt gewesen bin. Leider ist und war die Position der CDU/CSU eine andere, sodass sich Deutschland bei der Abstimmung auf EU-Ebene enthalten musste.

Lieber Herr Fischer,
mir ist bewusst, dass diese parlamentarischen „Spielregeln“ immer erklärungsbedürftig sind. Deshalb nutzen Oppositionsparteien regelmäßig den Weg über solche Abstimmungen. Möchte ich in der Sache allerdings etwas bewegen, so muss ich als Angehöriger der Regierungskoalition jedoch anders vorgehen. Unabhängig davon bin ich durchaus ein Verfechter dafür, dem Parlament mehr Spielraum einzuräumen. All das ist aber nicht immer so einfach.

Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich für Ihr großes und ernstgemeintes Lob. Es tut gut und bestärkt mich in meiner Arbeit.

Sein Sie herzlich gegrüßt
Ihr Matthias Miersch

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