Wie möchten Sie die Ambitionslücke im Klimaschutzgesetz schließen (zwischen erlaubtem THG Ausstoß bis 2045 und Überschreitung der 1,5-Grad-Grenze des Pariser Abkommens bis 2030)?

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Matthias Miersch
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Frage von Alexander K. •

Wie möchten Sie die Ambitionslücke im Klimaschutzgesetz schließen (zwischen erlaubtem THG Ausstoß bis 2045 und Überschreitung der 1,5-Grad-Grenze des Pariser Abkommens bis 2030)?

Sehr geehrter Herr Miersch,

nach der Sommerpause soll der Bundestag noch über die Entkernung des Klimaschutzgesetzes abstimmen. In der neuen Vorlage geht es u.a. um die Aufhebung der jährlichen Sektorenziele.
Wie soll Ihrer Meinung nach das 1,5 Grad Limit von Paris, dem Ihre Partei ja auch zugestimmt hat, eingehalten werden, wenn

a) das künftige KSG noch weicher formuliert wird als das aktuelle KSG
und
b) das aktuelle KSG schon nicht ausreicht, weil es noch bis 2045 erlaubt Treibhausgase auszustoßen, während wir die maximalen 1,5 Grad wahrscheinlich bis 2030 überschreiten werden?

https://www.mcc-berlin.net/forschung/co2-budget.

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SPD

Sehr geehrter Herr K.,

vielen Dank für Ihr Schreiben, auf das ich nachfolgend gerne eingehe.

Lassen Sie mich zunächst betonen, dass mir als langjähriger Klima- und Umweltpolitiker insbesondere auch das Klimaschutzgesetz (KSG) sehr am Herzen liegt. Bereits vor etwa 13 Jahren habe ich mit Kolleginnen und Kollegen ein Klimaschutzgesetz in den Deutschen Bundestag eingebracht. Damals gab es keine Mehrheit für diesen Weg. An der Arbeit am neun Jahre später im Jahr 2019 verabschiedet KSG war ich maßgeblich beteiligt und habe es in der letzten Legislatur zusammen mit der SPD-Fraktion gegen massiven Widerstand der CSU/CSU-Fraktion erkämpft und damit einen Meilenstein im Bereich Klimaschutz erreicht. Erstmals wurde mit diesem Gesetz verbindlich geregelt, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral wird. Darauf sind wir sehr stolz.

Im Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP sich darauf geeinigt, dass wir das KSG weiterentwickeln wollen. Denn auch das bisherige KSG hat nicht immer dafür gesorgt, dass die Ministerien bei Zielverfehlung ein wirksames Programm vorgelegt haben, obwohl sie nach dem KSG dazu verpflichtet waren. Daher brauchen wir mehr Verbindlichkeit. Wichtig bei der Weiterentwicklung ist jedoch, dass durch die Änderungen nicht eine Tonne mehr CO2 ausgestoßen wird, als durch das bisherige Gesetz bestimmt ist.

Der vom Bundeskabinett eingebrachte Änderungsentwurf zum KSG sieht vor, dass die Einhaltung der Klimaschutzziele und der damit erlaubten Emissionsmenge zukünftig anhand einer mehrjährigen und Sektor übergreifenden Gesamtrechnung überprüft werden soll. Dabei bleibt die Betrachtung der einzelnen Sektoren natürlich erhalten. Ein Aufweichen der Klimaziele wird es mit der SPD-Fraktion nicht geben.

Im Rahmen der Novelle des KSG muss im jetzt heute begonnen parlamentarischen Verfahren auch der Aspekt diskutiert werden, wie das Parlament mehr Verbindlichkeit gegenüber der Bundesregierung erreichen kann. Der aktuelle Bericht des Expertenrates für Klimafragen hat gezeigt, dass es im Klimaschutz weiterer Anstrengungen bedarf, obwohl die Bundesregierung bereits umfangreiche Maßnahmen zum Schutz des Klimas auf den Weg gebracht hat. Daher werde ich mich auch weiterhin mit Hochdruck für engagierten Klimaschutz einsetzen. Übrigens habe ich dazu heute im Deutschen Bundestag gesprochen. Meine Rede können Sie hier abrufen: https://www.bundestag.de/mediathek?videoid=7580582#url=L21lZGlhdGhla292ZXJsYXk/dmlkZW9pZD03NTgwNTgy&mod=mediathek

Sehr geehrter Herr K., ich möchte noch einmal betonen: Das Einhalten des Abkommen von Paris ist mir ein eminent wichtiges Anliegen, für das ich auch in Zukunft weiterhin mit allen Mitteln eintreten werde. Wichtig ist, dass wir weiterhin entschieden auf nationaler und internationaler Ebene handeln. Deutschland muss ein Vorreiter der Klimadiplomatie bleiben. Gleichzeitig müssen wir die Interessen und Bedarfe des Globalen Südens ernst nehmen. Gerade die vulnerabelsten und ärmsten Länder dieser Erde müssen im Umgang mit den erlittenen klimabedingten Schäden und Verlusten sowie bei den Anpassungsmaßnahmen unterstützt werden. Dazu haben wir auf unserer Fraktionsklausur einen Beschluss gefasst, den sie hier finden: https://www.spdfraktion.de/system/files/documents/position-internationale-klimapolitik.pdf

Ein Industrieland wie Deutschland hin zur Klimaneutralität umzubauen ist die größte Transformation unserer Industrie und Ökonomie seit mindestens 100 Jahren. Deutschland bis zum Jahr 2030, also innerhalb von sieben Jahren, treibhausgasneutral zu machen, dürfte weder technisch noch ökonomisch machbar sein und würde zu einer Überforderung aller führen. Sie konnten an der Diskussion zum sogenannten Heizungsgesetz erkennen, welche gesellschaftspolitischen Debatten ausgelöst wurden, wenn Klimaschutz konkret wird. Es ist einfach, Ziele zu proklamieren. Ziele alleine, werden diesen Planeten jedoch nicht retten. Wird der Aspekt des gesellschaftlichen Zusammenhalts außer Acht gelassen, drohen politische Verhältnisse, die den Klimaschutz in keiner Weise in den Mittelpunkt stellen werden. Es gibt dafür bereits Beispiele in anderen Ländern. Diesen Aspekt bitte ich sehr ernsthaft zu berücksichtigen. Damit wäre dem Klimaschutz nicht geholfen. Dem Klimaschutz dient es am meisten, wenn wir in Deutschland zeigen, wie man Klimaschutz und Industrieentwicklung erfolgreich miteinander verbinden kann. Dies kann anderen Ländern als Vorbild dienen.

Deutschland hat sich jedoch 2045 als Ziel gesetzt, um Treibhausgasneutral zu werden. An diesem Ziel halten wir auch weiter fest und werden nach wie vor mit Hochdruck für den Klimaschutz kämpfen.

Sehr geehrter Herr K., ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesem Schreiben meine Sicht zur Überarbeitung des KSG näherbringen.

Mit freundlichen Grüßen

Matthias Miersch

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