Frage an Matthias Wissmann von Dieter S. bezüglich Wirtschaft
Frankreich, Spanien, Italien, Portugal, Griechenland und Irland erleiden Jahr für Jahr Defizite in ihrem Außenhandel. Sie strengen sich nicht genug an, um im Wettbewerb der Globalisierung zu bestehen. Nach normalen ökonomischen Spielregeln müssten sie für die Finanzierung dieser Defizite verzinsliche und rückzahlbare Kredite im Ausland aufnehmen. Das tun sie aber nicht. Vielmehr lassen sie sich von ihren Brüdern im Eurosystem aushalten: Deutschland, die Benelux-Länder, Österreich, Finnland. Denn diese erzielen Jahr für Jahr Überschüsse, die sie den Defizitbrüdern zur Verfügung stellen (müssen). Dadurch wird verhindert, dass die Überschussländer ihre Terms of Trade verbessern, was aber für eine Steigerung der Massenkaufkraft, vor allem in Deutschland, unerlässlich ist. Finden Sie das richtig, und falls ja: Wo ist die Rechtsgrundlage für dieses Vorgehen, das dem Art 103 des EG-Vertrages widerspricht?
Sehr geehrter Herr Spethmann,
für Ihre Email zu der Frage, ob die Haftung von Mitgliedstaaten der Europäischen Union für die Defizite im Außenhandel anderer Mitgliedstaaten rechtmäßig ist, danke ich Ihnen.
Ihre Aussage, dass Frankreich, Spanien, Italien, Portugal, Griechenland und Irland Defizite in ihrem Außenhandel aufgrund mangelnder Anstrengung im Wettbewerb der Globalisierung erleiden, um sich von Deutschland, den Benelux-Ländern, Österreich und Finnland „aushalten“ zu lassen, halte ich für fragwürdig.
Um eine solide Fiskalpolitik zu gewährleisten, wurde in Art. 103 Abs. I EGV festgeschrieben, dass die Gemeinschaft ebenso wenig wie die einzelnen Mitgliedstaaten für die Verbindlichkeiten eines Mitgliedstaates haften. Vielmehr sind die Mitgliedstaaten nach Art. 99 Abs. I, 104 Abs. I EGV dazu angehalten, die eigene Wirtschaftspolitik als eine Angelegenheit von gemeinsamem Interesse zu betrachten und übermäßige öffentliche Defizite zu vermeiden.
Die Beurteilung der „Übermäßigkeit“ der Defizite sowie die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Aufnahme von Krediten obliegt dabei der Europäischen Kommission. Sie überwacht die Entwicklung der Haushaltslage und der Höhe des öffentlichen Schuldenstands in den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Feststellung schwerwiegender Fehler. Erfüllt ein Mitgliedstaat die erforderlichen Kriterien nicht, so erstellt die Kommission einen Bericht. In diesem Bericht wird berücksichtigt, ob das öffentliche Defizit die öffentlichen Ausgaben für Investitionen übertrifft. Dabei werden alle einschlägigen Faktoren, einschließlich der mittelfristigen Wirtschafts- und Haushaltslage des Mitgliedstaats berücksichtigt. Ist die Kommission der Auffassung, dass in einem Mitgliedstaat ein übermäßiges Defizit besteht oder sich ergeben könnte, so legt sie dem Rat eine Stellungnahme vor. Der Rat entscheidet mit qualifizierter Mehrheit auf Empfehlung der Kommission nach Prüfung der Gesamtlage, ob ein übermäßiges Defizit besteht und richtet dann eine entsprechende Empfehlung an den betroffenen Mitgliedstaat.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Wissmann