Frage an Matthias Zimmer bezüglich Soziale Sicherung

Portrait von Matthias Zimmer
Matthias Zimmer
CDU
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Matthias Zimmer zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Walter S. •

Frage an Matthias Zimmer von Walter S. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Dr. Zimmer,

die CDU hatte eine Bürgergeld-Kommission ins Leben gerufen. Seit Dieter Althaus als Ministerpräsident zurückgetreten ist, hört man davon gar nichts mehr.

Da Sie in Arbeit und Soziales tätig sind meine Frage: was tut sich in dieser Angelegenheit und befürworten oder lehnen Sie persönlich das Bürgergeld ab?

Mit freundlichen Grüßen
Walter Schmidt, Ffm

Portrait von Matthias Zimmer
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Schmidt,

ich halte die Idee von Herrn Althaus für einen Irrweg, und zwar aus folgenden Gründen:

Erstens gehen die Berechnungen davon aus, dass eine ausreichende Anzahl von Erwerbstätigen zur Finanzierung eines Grundeinkommens bereit steht. Das ist eine vernünftige Annahme, weil man ja nicht vorhersagen kann, wie sich die Zukunft entwickelt; allerdings wissen wir, dass der demographische Wandel die Erwerbsbevölkerung eher vermindern wird. Was wir aber nicht wissen: Ist es denn so abwegig zu vermuten, dass viele Menschen, abgesichert durch ein solidarisches Bürgergeld, entweder gar nicht arbeiten oder ihre Arbeitszeit reduzieren? Und wie sieht es mit der Motivation derjenigen aus, die arbeiten? Werden die sich noch ins Zeug legen, unternehmerische Risiken eingehen, neue Wege gehen, wenn es doch auch einfacher geht? Die Konsequenzen einer Verhaltensänderung durch ein solidarisches Bürgergeld können nicht beziffert werden Aber sie können die schöne Modellrechnung in ihrer Substanz in Frage stellen.

Zweitens muss man die Frage stellen ob durch die Einführung eines solidarischen Bürgergeldes nicht diejenigen erhebliche Vorteile haben, die ohnehin schon eine eigene Grundsicherung durch eine mietfreie Immobilie oder Kapitaleinkünfte haben. Hier wären die Mitnahmeeffekte hoch, der Anreiz, eine Arbeit aufzunehmen, gering. Für den, der nichts hat, reicht das Grundeinkommen zum Leben kaum aus, für den, der genügend hat, ist es eine willkommene, aber unnötige zusätzliche Geldquelle.

Drittens würde ein Bürgergeld dazu führen, dass Sicherungsstrukturen wie das Arbeitslosengeld wegfallen. Damit ist für jeden, der arbeitslos wird, unmittelbar der Einkommensabsturz auf das Niveau des Bürgergelds vorprogrammiert - es sei denn, er sichert sich mit einer Privatversicherung ab. In der Rente würde das Äquivalenzprinzip durch eine staatliche Einheitsrente ersetzt - wiederum: Es sei denn, man sichert sich mit einer Privatversicherung zusätzlich ab. Das solidarische Bürgergeld ist damit eine Gewinnmaschine für Privatversicherungen.

Viertens: Gerade die Union betont immer wieder das Prinzip der Subsidiarität. Das solidarische Bürgergeld ist das genaue Gegenteil davon. Transferleistungen werden ohne Ansehen der Person und der individuellen Lage verteilt. Mit Gerechtigkeit hat dies nichts zu tun, mit Subsidiarität schon gar nichts. Mit einem solchen Bürgergeld wäre die Union drauf und dran, zentrale Grundprinzipien ihres Selbstverständnisses über Bord zu werfen.

Fünftens: Das solidarische Bürgergeld ist ein staatlicher Mindestlohn. Für Betriebe schafft dies einen Anreiz, Löhne weiter abzusenken. Anständiger Lohn für anständige Arbeit: diese Grundforderung des Arbeitslebens könnte dann getrost zu den Akten gelegt werden. Der Staat zahlt ja zu.

Norbert Blüm hat Recht: Das Bürgergeld ist eine Dampfwalze, die den Sozialstaat platt macht. Es entspricht nicht dem Wertebild der Union.
Bürgergeld, Grundeinkommen oder wie immer man die Modelle nennen will: Es sind merkwürdige Kreuzungen von marxistischer Gleichheitsideologie und neoliberalen Marktphantastereien. Der Mensch wird zum Versuchsobjekt radikaler Ideologen. Gegenüber solchen Ideologen ist Vorsicht geboten, denn auch sie können nicht alle Konsequenzen übersehen, die ein solcher Systemwandel mit sich bringt. Auch wenn es mühsam ist: Die schrittweise Reform von Sozialsystemen ist besser. Aus den Träumen des radikalen Wandels spricht eine verhängnisvolle Neigung zum Unbedingten, zur umfassenden Neuerfindung von Institutionen und Systemen, die den Menschen beglücken sollen und in der Geschichte regelmäßig das Gegenteil bewirkt haben. Und deshalb sollte auch die Union die Finger davon lassen.

Mit freundlichen Grüßen

Matthias Zimmer