Frage an Maximilian Brym bezüglich Umwelt

Maximilian Brym
DIE LINKE
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Frage von Sylvia S. •

Frage an Maximilian Brym von Sylvia S. bezüglich Umwelt

Geehrter Herr Brym,

ihre Positionen gefallen mir bisher ausgesprochen gut. Knackig, kämpferisch und - ich hoffe- glaubhaft.

Nur die Umweltpolitik kommt doch etwas zu kurz.
Mich interessieren ihre Vorschläge zum Schutz unserer bayerischen Landschaften. Wie sollte die Landwirtschaft sich umstellen um weniger die Natur zu schädigen?
Wie sollte der Verkehr organisiert werden?

Servus,
ihre Sylvia Stein

Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Stein,
die Welt ist wärmer geworden. Rund um den Globus werden Dürren, Überschwemmungen und Stürme immer verheerender, besonders Afrika und Asien sind betroffen. Zum ersten Mal ist die Nordwest-Passage durch Kanadas Arktischen Archipel zur Beringstraße frei geschmolzen, der Meeresspiegel steht zehn Zentimeter höher als vor zwölf Jahren.
Was der Weltumweltbericht GEO-4 der UNEP im Oktober 2007 feststellte, ist noch harmlos gegenüber den Zukunftsszenarien, die er und die anderen Untersuchungen letztes Jahr für den Klimawandel entworfen haben. Nicht irgendwann, sondern heute noch muss sich die Energieversorgung der Menschheit komplett ändern! Von den etablierten Parteien wird zur dieser Frage nur heiße Luft abgesondert. Zwar ist das Umweltthema in Mode aber wirklich radikale Maßnahmen, die angesichts der ökologischen Probleme notwendig sind werden nicht in Aussicht gestellt. Dies liegt daran, dass die gängigen Parteien eng mit den Kapitalverwertungsinteressen der Industrie, speziell der Automobilindustrie und den Großproduzenten für landwirtschaftliche Düngemittel und Technik verbunden sind.

Wie soll die Landwirtschaft geschützt und die Natur erhalten werden ?

Vielfältig gegliederte Äcker, Weiden und Wiesen, Hecken und Brachen müssen zur Artenvielfalt beitragen, der Düngemittel- und Pestizideinsatz muss minimiert werden. Zudem vermindert ein der Fläche angemessener Viehbesatz die Gewässerbelastung und vermeidet unnötigen Verkehr.

Das alles lässt sich in Kleinbetrieben wenn ihnen entsprechend geholfen wird verwirklichen. Sinnvoller ließe sich dies jedoch in freiwillig gebildeten Genossenschaften durchführen. Die größeren Unternehmen können besser die Arbeitsteilung verwirklichen und kleinteilig wirtschaften. Der ökologische Landbau muss zum Muster zukunftsfähiger Landwirtschaft werden. Er trägt zum Gewässerschutz bei, erzeugt weniger Treibhausgase, erhält die Artenvielfalt und bewahrt die kleinteilige, reich strukturierte Kulturlandschaft. Dagegen ist die Agro-Gentechnik eine Risikotechnologie, die ganz bestimmt nicht gebraucht wird und deren Anwendung unbedingt verhindert werden muss. Der behauptete Nutzen steht in keinem vertretbaren Verhältnis zu den ökologischen und gesundheitlichen Risiken gentechnisch veränderter Organismen.

Die Kleinbauern leiden aber zugleich am stärksten unter den miesen Preisen von Großabnehmern, vor allem unter den erpresserischen Dumpingpreisen der großen Handelsketten. So ist es nicht mehr hinnehmbar , wie Rewe, Aldi oder LIDL mit Menschen umgehen, die 365 Tage im Jahr zweimal täglich ihre Tiere melken. Darum hat sich auch Die Linke in Bayern im Milchstreik um höhere Erzeugerpreise hinter die Erzeuger gestellt.

Die ländlichen Gebiete umfassen über 80 Prozent der bayerischen Landesfläche. Hier wohnen mehr als die Hälfte der rund zwölf Millionen Bürger des Freistaates. Leider fallen Postkartenidylle und Lebenswirklichkeit von Jahr zu Jahr weiter auseinander. Geschlossen werden Postämter , der DSL-Ausbau hat sich auf die Ballungsräume konzentriert. Mit der auch von der bayerischen Landesregierung angestrebten Privatisierung der Bahn droht weiten Teilen Bayerns die Abkoppelung vom öffentlichen Personennahverkehr. Die Hauptschulen und Kindergärten werden zentralisiert, Verwaltungsaufgaben vom Land in die Städte verlagert, Krankenhäuser und Arztpraxen geschlossen. Dies steht im scharfen Kontrast zum Grundgesetz und der bayerischen Verfassung. Die beiden Texte garantieren den Menschen gleiche Lebensverhältnisse in Stadt und Land. Der größer werdende Unterschied zwischen dem Leben auf dem Land und dem Leben in der Stadt ist ein wesentliches Merkmal des Kapitalismus. Schon Marx und Engels wussten darüber ausgiebig zu berichten. Es muss der Anspruch linker Politik sein, die Unterschiede zu minimieren. Dazu gehören Tagesforderungen, aber auch die grundsätzliche Erkenntnis, dass im Kapitalismus das Problem elementar nicht gelöst werden kann.

Erholungsraum Land
Nicht zuletzt erholen sich die Menschen im ländlichen Raum. Viele Menschen aus den Städten frequentieren speziell am Wochenende die bayerische Landschaft. Auch deshalb sollten landschaftspflegerische Aktivitäten nach den örtlichen Gegebenheiten gestärkt und ausgebaut werden. Beispielsweise die Almwirtschaft, grüne Fluss-Auen, der Bannwald.

Grundsätzliches zu Ökologie und Verkehr
In den letzten 150 Jahren ist es dem real existierendem Kapitalismus nicht gelungen, die Energieversorgung auf erneuerbare Energieträger umzustellen. Im Gegensatz dazu kann man ohne Übertreibung sagen: Die Sozialistinnen und Sozialisten waren schon früh die weitsichtigsten Umweltschützer. Bereits 1879 schrieb August Bebel in seinem Buch „Die Frau und der Sozialismus“: „Die Elektrizität zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie in der Natur im Überfluss vorhanden ist. Unsere Wasserläufe, Ebbe und Flut des Meeres, der Wind, das Sonnenlicht liefern ungezählte Pferdekräfte, sobald wir erst ihre volle und zweckmäßige Ausnützung verstehen.“ Er wusste allerdings auch, dass erst eine andere eine wirklich sozialistische Gesellschaft diese Kräfte im vollen Umfang nutzen kann.
Schlussendlich verbietet den Reichen und Mächtigen die eigene Profitlogik, die Energieversorgung wirklich komplett umzustellen, denn mit Sonnen-, Wind- und Wasserenergie lassen sich weit weniger Gewinne erzielen. Ein wesentlicher Grund liegt darin, dass die erneuerbaren Energiequellen ihrer Natur nach schwer monopolisierbar sind. Im Gegensatz dazu haben ein paar Dutzend Konzerne und Staaten praktisch die gesamten bekannten Öl-, Gas- und Kohlevorkommen der Erde unter ihrer alleinigen Kontrolle und fahren damit gigantische Profite ein.
Sonnenkollektor schon 1891.
Die grundlegenden Techniken, um die Energie aus Sonne, Wind, Wasser, Biomasse zu erzeugen, sind seit Jahrzehnten – zum Teil seit Jahrhunderten – bekannt. Das erste Patent für einen Sonnenkollektor zur Erzeugung von Warmwasser wurde 1891 vergeben, die erste Silizium-Solarzelle wurde 1954 gebaut.
Die Energie der Sonnenstrahlen, die innerhalb einer Stunde auf die Erde treffen, reicht theoretisch aus, um den derzeitigen Energiebedarf der Menschheit eines ganzen Jahres zu befriedigen. Um den gesamten Stromverbrauch der Erde direkt aus Sonnenenergie zu erzeugen, würde nur ein Bruchteil der Wüstenflächen benötigt. (Umgerechnet auf die Sahara wäre das ein Quadrat mit einer Kantenlänge von etwa 250 Kilometern)
Andererseits ist seit über hundert Jahren der Zusammenhang zwischen steigender Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre und Erderwärmung bekannt. Im Jahr 1896 rechnete der schwedische Nobelpreisträger Svante Arrhenius erstmals vor, dass eine Verdoppelung des CO2-Gehalts der Atmosphäre zu einer Temperaturerhöhung um vier bis sechs Grad Celsius führen würde.
Solarenergie erst 0,04 Prozent
Trotzdem liegt der Anteil an erneuerbaren Energien am Weltenergieverbrauch heute immer noch bei nur 13 Prozent. Der Anteil der Solarenergie am gesamten Weltenergieverbrauch liegt derzeit bei nur 0,04 Prozent. Das heißt: Über hundert Jahre nach Entwicklung des Sonnen-Kollektors, über fünfzig Jahre nach dem Bau der ersten Solarzelle, wird weniger als ein Tausendstel des weltweiten Energieverbrauchs aus Solarenergie gewonnen. In den westlichen Industrieländern (OECD) ging der prozentuale Anteil erneuerbarer Energien sogar von 5,8 Prozent im Jahr 1990 auf 5,7 Prozent im Jahr 2004 zurück (Umwelt-Bundesministerium, „Erneuerbare Energien in Zahlen“, Juni 2007).
Ähnlich sieht die Diskrepanz zwischen Potenzial und Nutzung bei anderen erneuerbaren Energien aus. Beispiel Erdwärme: Mit den Erdwärmevorräten aus den oberen drei Kilometern der Erdkruste könnte theoretisch der derzeitige weltweite Energiebedarf für über 100.000 Jahre gedeckt werden. Der Anteil der Erdwärmenutzung am Weltenergieverbrauch liegt aber bei gerade mal 0,4 Prozent.

Kooperation statt Konkurrenz
Wenn Wissenschaftler miteinander diese Energieformen weiter erforschen und deren Nutzung verbessern würden, statt im Auftrag konkurrierender Privatunternehmen gegeneinander zu arbeiten, könnten schon bald die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas komplett überflüssig gemacht werden. Es wird in Zukunft eine Kombination aus vielen unterschiedlichen Energieträgern sein, welche uns mit Strom und Wärme versorgen – abhängig vom geografischen Standort und seinen Möglichkeiten, der Jahreszeit, dem Klima, der Besiedelung und so weiter.
Hohe Anfangsinvestitionen und großer Bedarf an Arbeitskräften wären in einer demokratisch sozialistischen Planwirtschaft kein Problem. Allein der Wegfall der Rüstungsausgaben von 1.000 Milliarden US-Dollar jährlich würden einen erheblichen Teil der erforderlichen Mittel freimachen.
Den Großteil der Energie verbraucht die Industrie. Dort könnten in einer demokratisch geplanten Wirtschaft alle Beschäftigten gemeinsam energiesparende Produktionsweisen entwickeln und umsetzen. Im Interesse aller würden Güter nicht mehr auf Verschleiß produziert, sondern in guter Qualität. Verpackungen würden auf das Notwendige reduziert und bestünden aus wieder verwendbarem Material.

Überflüssiger Verkehr
Wenn dann die Komponenten der Produkte nicht mehr unter Ausnutzung der Billiglöhne verschiedener Länder um den halben Erdball gekarrt werden, würden auch viele sinnlose Transporte wegfallen. Notwendiger Güterverkehr käme auf die Schiene, das Bahnnetz würde wieder ausgebaut. Die rückverstaatlichten Bahn- und Nahverkehrsunternehmen würden nicht mehr zum Luxuspreis, sondern zum Nulltarif fahren. Der alltägliche Pendelstress könnte durch wohnortnahe Arbeitsplätze erheblich reduziert werden.
Umweltschäden – sind Reparaturen möglich?
Zweifellos hätte eine sozialistische Gesellschaft auch die schwierige Aufgabe, die Umweltschäden zu reparieren, die bereits vorhanden sind. Denn selbst wenn von heute auf morgen kaum noch Kohlendioxid in die Luft gepustet würde, ist das Klima auf Jahrzehnte belastet, Prozesse wie zum Beispiel Gletscher- und Poleisschmelze oder Wetterextreme wurden bereits langfristig in Gang gesetzt. Trotzdem ist es möglich, den Kohlendioxidgehalt der Luft wieder zu verringern.
Die Brandrodung und Abholzung der Wälder tragen heute 22 Prozent zum Kohlendioxidausstoß bei. Sofortiger Stopp von Waldrodungen und sinnvolle Wiederaufforstungs-Maßnahmen würden die Erderwärmung stoppen helfen.
In Deutschland züchten mehrere Forschungsinstitute und Unternehmen Mikroalgen, die mittels Photosynthese bis zu 80 Prozent des Kohlendioxid aus Kraftwerken aufnehmen und in Biomasse umsetzen können. Dabei sind sie zehnmal effektiver als selbst die ertragsreichsten Landpflanzen. Damit das gebundene Kohlendioxid nicht doch in die Atmosphäre gerät, arbeiten Wissenschaftler in den USA unter anderem an Baustoffen aus Algen.

Vision
Im Jahr 2040, Planet Erde: Mit dem geballten Wissen und den Fähigkeiten der Menschheit war es möglich, die Kohlendioxidemissionen um 80 Prozent zu senken. Die Erderwärmung ist gestoppt. Biologische Filter reinigen die Atmosphäre. Katastrophenschutzprogramme auch für die abgelegendsten Orte der Erde konnten die Weltbevölkerung vor den schlimmsten Auswirkungen der kapitalistischen Vergangenheit schützen. Ehemalige Rüstungsbeschäftigte haben ihre Produktionsmittel in neue Technologien zur Wiederaufforstung und Dürrebekämpfung umgewandelt. Da die Ressourcen der Erde demokratisch geplant und verteilt werden, sind Hunger und Wassermangel unbekannt. Tausende Forschungsprojekte der Umweltuniversitäten arbeiten daran, die angegriffenen Ökosysteme wieder zu stabilisieren...
Warum sollte solch eine Zukunftsvision nicht realisierbar sein? Zugegeben diese Visionen können in Bayern alleine nicht durchgesetzt werden, aber es wäre gut in Bayern eine politische Kraft im Parlament zu haben, die sich gegen die weitere Zerstörung der Natur und den rückständigen individuellen Automobilverkehr wendet. Wir sollten gegen die Privatisierung der Bahn aufstehen. Die Privatisierung bringt nur höhere Preise- Musterrennstrecken- bei gleichzeitiger Streckenstillegung in den ländlichen Gebieten. .

Viele Grüße

Max Brym