Frage an Monika Griefahn bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Monika Griefahn
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Frage von Uwe S. •

Frage an Monika Griefahn von Uwe S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Griefhan,

mich würde mal grundsätzlich interessieren wie Sie und die SPD in Niedersachsen zu der von der Regierung geplanten Vorratsdatenspeicherung stehen.

Die im Februar von der EU beschlossene Vorratsdatenspeicherung beinhaltet die Speicherung aller Verbindungsdaten, die durch moderne Kommunikationssysteme anfallen. Dies schließt in erster Linie den Zugriff auf das Internet und die Kommunikation via e-Mail, Telefon und Handy ein. Hierbei soll vorrangig gespeichert werden, wer wann mit wem über welches Medium in Verbindung stand und wer wann auf welche Informationen aus dem Internet zugegriffen hat. Bei den Nutzungsdaten von Mobiltelefonen (und SMS) stehen zusätzlich auch Standortinformationen zur Verfügung. Zumindest in letzterem Fall lassen sich aus diesen Daten Bewegungsprofile rekonstruieren. Die Daten sollen nach dem EU-Beschluss sechs bis 24 Monate lang aufbewahrt werden.

Bislang war es den Unternehmen in Deutschland lediglich gestattet, die zur Abrechnung notwendigen Informationen zu speichern. Also beispielsweise die Dauer der Nutzung einer Telefon- oder Internetverbindung, aber nicht von wo aus man telefoniert, an wen man eine e-Mail gesendet hat oder welche Webseiten man besuchte.

Die geplante Vorratsdatenspeicherung führt zu einer Einschränkung unserer informationellen Selbstbestimmung und beinhaltet ein großes soziales und politisches Gefahrenpotential, da das Kommunikationsverhalten aller 82 Millionen Bundesbürgern gespeichert werden sollen. Vor allem weil es derzeit weder sinnvolle noch praktikable gesetzliche Regelungen bezüglich der Verwendung dieser Daten gibt; also wer wann aus welchem Grund auf welchen Teil der Daten zugreifen darf.

Das ist nicht im Sinne einer Demokratie und ist ein absolut gefährlicher Eingriff in die Privatsphäre eines jeden Bürgers.

Mit freundlichen Grüßen
Uwe Schulze

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schulze,

vielen Dank für Ihre Email, in der Sie sich zum Thema Vorratsdatenspeicherung äußern. Ich teile Ihre große Skepsis gegenüber den vorgeschlagenen Überwachungsmaßnahmen. Glücklicherweise sind Herr Schäuble und die CDU/CSU nicht allein in dieser Koalition, weswegen sein vorgeschlagenes Gesetzespaket, die Vorratsdatenspeicherung eingeschlossen, in dieser Form keinesfalls Zustimmung durch die SPD erhalten wird.

Ich sehe die Verpflichtung der Telekommunikationsanbieter zur Vorratsdatenspeicherung nach wie vor kritisch. Ebenso wie meine Kolleginnen und Kollegen der SPD-Bundestagsfraktion nehme ich sowohl die Verantwortung für eine wirksame Kriminalitätsbekämpfung als auch die Verpflichtung für Bürgerrechte ernst. Ich habe meine Vorbehalte gegen die EU-Regelung zur „Vorratsdatenspeicherung“ erst aufgegeben, nachdem die Bundesregierung in Brüssel einen tragbaren Kompromiss erzielt hat, dem letztlich auch das Europäische Parlament zustimmte. Der deutschen Regierung ist es auf europäischer Ebene gelungen, die „Vorratsdatenspeicherung“ auf das zu reduzieren, was zur Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität tatsächlich erforderlich und angemessen ist.

Beim Internet wird schließlich lediglich gespeichert, dass sich der Nutzer online befindet. Es werden ebenfalls Daten zur Internettelefonie und bezüglich der E-Mail-Dienste gespeichert. Inhalte, wie immer behauptet wird, also auch Informationen, welche Websites benutzt werden, werden auch hier nicht gespeichert. Denn Daten, die Aufschluss über den Inhalt einer Kommunikation (z.B. E-Mail oder Telefongespräch oder Seiten, die ein Nutzer aufgerufen hat) geben, dürfen nach der Richtlinie nicht gespeichert werden.

Dennoch ist und bleibt es unbestritten, dass die Einführung gesetzlicher Speicherungspflichten für Telekommunikationsverkehrsdaten in die Grundrechte sowohl der Nutzer als auch der Anbieter von Telekommunikationsdiensten eingreift; konkret betroffen hiervon sind das Fernmeldegeheimnis nach Artikel 10 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und die Freiheit der Berufsausübung nach Artikel 12 Abs. 1 GG. Die Abfrage der gespeicherten Daten kann zudem weitere Grundrechte, wie etwa die Presse- und Rundfunkfreiheit nach Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG berühren. Betroffen sein können zudem das Zeugnisverweigerungsrecht bestimmter Berufsgruppen, beispielsweise von Anwälten und Seelsorgern. Die Grundrechte und auch die Zeugnisverweigerungsrechte sind in einem freiheitlichen demokratischen Gemeinwesen von besonders großer Bedeutung. Eingriffe in diese Grundrechte, von denen zahlreiche Personen betroffen werden, die in keiner Beziehung zu einem konkreten Tatvorwurf stehen und den Eingriff durch ihr Verhalten nicht veranlasst haben, sind besonders schwerwiegend und bedürfen deshalb einer besonderen Rechtfertigung. Das gilt erst recht für das Vorhaben einer solch weitreichenden verdachtsunabhängigen Speicherung von Kommunikationsdaten auf Vorrat.

Ich werde mich im parlamentarischen Verfahren dafür einsetzen, dass die Umsetzung und Anwendung der Vorratsdatenspeicherung tatsächlich nur auf das reduziert wird, was zur Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität tatsächlich erforderlich und angemessen ist. Die sensiblen Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger, insbesondere auch das Berufgeheimnis (beispielsweise von Journalisten) dürfen dabei nicht an zentralen Stellen eingeschränkt werden.

Mit freundlichen Grüßen
Monika Griefahn