Frage an Monika Grütters bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Portrait von Monika Grütters
Monika Grütters
CDU
83 %
19 / 23 Fragen beantwortet
Frage von Anika R. •

Frage an Monika Grütters von Anika R. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrte Frau Prof. Grütters,

die Probleme im deutschen Bildungssystem sind hinlänglich bekannt: Die Zahl der Akademiker steigt zu langsam, es fehlen Ingenieure, für Bildung steht zu wenig Geld bereit und die Durchlässigkeit des Systems ist gering. Kurzum: Das Bildungssystem in Deutschland begünstigt wenige und benachteiligt viele.

Meine Fragen an Sie lauten daher:

1) Was möchten Sie in Deutschland – speziell bei der Akademiker-Ausbildung – ändern, damit die Zeichen auf Innovation statt auf Stillstand stehen? (Bitte lassen Sie Ihre parteipolitische Brille im Etui!)

2) Wann und in welcher Form hatten Sie in der Vergangenheit bereits Gelegenheit, diese Ziele voran zu bringen?

Für die Beantwortung meiner Fragen möchte ich mich vorab bedanken und verbleibe

Mit freundlichen Grüßen
Anika Rekers

Portrait von Monika Grütters
Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Rekers,

zwar teile ich die forsche und polemische These vor Ihren energischen Fragen nicht, beantworte diese aber gleichwohl gerne wie folgt:

Die vielfältigen Reformen im Bildungsbereich zeigen Wirkung. Immer mehr junge Menschen erhalten die Chance zum Studium. Im Studienjahr 2008 nahmen rund 385 500 junge Menschen in Deutschland ein Studium auf. Das sind über 39 Prozent des Jahrgangs und mehr als je zuvor. 1998 waren es erst 29 Prozent. Unser 2005 im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD vereinbartes Ziel, 40 Prozent eines Altersjahrganges ein Studium zu ermöglichen, ist damit nahezu erreicht. Nun gilt es, die Studienbedingungen weiterhin so zu gestalten, dass möglichst viele der heutigen Studienanfänger ihr Studium zu einem guten Abschluss bringen können. Die Zahlen belegen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Die Konturen der Bildungsrepublik Deutschland werden immer deutlicher.

Auch das Bemühen, Interesse junger Menschen für natur- und ingenieurwissenschaftliche Fächer zu wecken, war zuletzt erfolgreich. Bei den naturwissenschaftlichen Abschlüssen gab es 2006 ein Plus von neun Prozent, im Bereich Informatik sogar von 13 Prozent und bei den Ingenieurwissenschaften immerhin noch plus vier Prozent. Damit sind wir auf einem guten Weg, aber keineswegs am Ziel. Bund, Länder und Unternehmen müssen ihren Beitrag leisten, um den Stellenwert der Naturwissenschaften in Deutschland zu erhöhen.

Wie der neueste OECD-Bericht "Bildung auf einen Blick" zeigt, liegen wir mit unseren natur- und ingenieurwissenschaftlichen Abschlüssen bei den Beschäftigten zwischen 25 und 34 Jahren im internationalen Vergleich noch weit hinten. Bei den weiblichen Absolventen befinden wir uns noch in der Schlussgruppe. Aber auch die Ergebnisse der männlichen Absolventen zeigen, dass wir in Deutschland viel stärker als bisher für die natur -und ingenieurwissenschaftlichen Fächer werben müssen. Wir müssen daher alles daransetzen, junge Menschen für die technischen und naturwissenschaftlichen Fächer, wie Mathematik, Physik und Chemie zu begeistern und sie zu ermutigen, sich bei ihrer Studienwahl für ein solches Fach zu entscheiden. Gleichzeitig gilt es, schon im Kindergarten die Begeisterung, die Neugier der Kinder für die Naturwissenschaften zu wecken. Nur so können wir im weltweiten Wettbewerb weiter bestehen und unseren Wohlstand sichern.

Ohne Zuzug hochqualifizierter Fachkräfte werden wir unsere Wirtschaftskraft und unseren Wohlstand nicht erhalten können. Allein im Juni 2008 waren 96.200 Ingenieurstellen unbesetzt. Auch wenn die Zahl der deutschen Absolventen steigt, können wir die Lücke mittelfristig nicht annähernd aus eigener Kraft schließen. Dies bedeutet aber nicht, dass wir in unseren Anstrengungen nachlassen dürfen, das Potenzial an Fachkräften im eigenen Land durch Qualifizierung zu heben.

Während die Bundesregierung die Haushaltsmittel für Stipendien seit 2005 um 40 Prozent erhöht hat, investieren viele Unternehmen lieber noch in Headhunter als in Ingenieurstudenten. Wer öffentlich immer wieder einen Ingenieurmangel beklagt, muss sich auch fragen lassen, was er selber bereit ist, dagegen zu tun. Offenbar reichen die durch den Mangel verursachten Ausfälle für die betroffenen Unternehmen immer noch nicht, um endlich einmal im wahrnehmbaren Umfang mit Stipendien gute Schulabgänger zu einem Ingenieurstudium zu motivieren und sie dadurch für eine spätere Tätigkeit an sich zu binden. Dies ist umso erstaunlicher, als dieselben Unternehmen bei der Facharbeiterausbildung erheblich mehr leisten. Die Kosten hierfür tragen sie traditionell fast alleine. Wenn aber schon eine Facharbeiterausbildung für ein Unternehmen eine gute Investition ist (wissenschaftliche Studien belegen dies), dann muss dies auch für eine Ingenieurausbildung gelten. Die Unternehmen müssen sich nicht zuletzt vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung Gedanken über ihre mittelfristige Personalplanung machen. Die Vergabe von Stipendien etwa an Ingenieurstudenten dürfte dabei deutlich günstiger kommen, als die spätere Personalsuche mit Ausfall-, Personalgewinnungs- und Fehlbesetzungskosten. Ein erster Schritt: Stipendien der Wirtschaft für mindestens fünf Prozent der Studenten.

Im Herbst fand der Qualifizierungs- bzw. Bildungsgipfel mit Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten statt.

Bekräftigt wurde das Vorhaben, künftig verstärkt in Bildung zu investieren. Ziel ist es nun, mittelfristig 10 Prozent des Bruttoinlandproduktes für Bildung und Forschung aufzuwenden.

Insgesamt werden für nahezu alle Bildungsbereiche sehr ehrgeizige, aber vor allem auch messbare Ziele angestrebt:

- Halbierung der Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss durch intensive Förderung der gefährdeten Schüler,
- gemeinsame Bildungsstandards in den Schulen,
- Halbierung der Zahl der Ausbildungsabbrecher durch frühzeitige Berufsorientierung in der Schule und Berufseinstiegsbegleitung im Bedarfsfalle,
- Erleichterung des Hochschulzugangs für beruflich Qualifizierte durch länderübergreifende Regelungen ,
- Schaffung eines Studienplatzangebots für 40 Prozent eines Jahrganges,
- Erhöhung der Weiterbildungsquote auf 50 Prozent der Erwerbsbevölkerung bis 2015.

Ich möchte noch auf einen weiteren, mir sehr wichtigen Punkt hinweisen:

Der Zweite Nationale Bildungsbericht belegt: Migrationshintergrund ist kein Bildungshemmnis. Jugendliche aus Vietnam, Süd- und Ostasien, Amerika und den EU-Staaten erreichen sogar signifikant häufiger die Hochschulreife als deutsche Jugendliche. Entscheidend ist vielmehr die Bildungsnähe der Eltern. Verfügt ein Elternteil über einen (Fach-) Hochschulabschluss, ist die rechnerische Chance für das Kind, Abitur zu machen, etwa dreimal höher als wenn kein Elternteil über einen entsprechenden Bildungsabschluss verfügt. Noch höher ist die Wahrscheinlichkeit, wenn beide Eltern über ein hohes Bildungsniveau verfügen. Dies gilt unabhängig von der nationalen Herkunft. Unter Berücksichtigung des sozioökonomischen Hintergrundes haben sogar Jugendliche aus der Türkei, Marokko und dem Nahen Osten bessere Bildungschancen als deutsche Jugendliche. Mithin gilt es, Kinder aus bildungsfernen Familien verstärkt zu fördern, je früher, desto besser. Dazu gehören Sprachstandserhebungen, bei Bedarf verpflichtende Fördermaßnahmen und musisch-kulturelle Angebote für Kleinkinder. Das Betreuungspersonal in den Kindertagesstätten benötigt die bestmögliche Ausbildung. Außerdem brauchen wir in vielen Einrichtungen mehr Personal. Hierzu sind noch erhebliche Anstrengungen erforderlich.

Als Mitglied des Bundestagsausschussses für Bildung und Forschung bin ich die Berichterstatterin für Hochschulpolitik sowie Geistes-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und habe in diesem Zusammenhang an zahlreichen Initiativen und Gesetzentwürfen mitgewirkt. Dasselbe gilt für meine 10jährige Arbeit als wissenschaftspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin.

Bei fast 2 Millionen Studierenden und einer Quote von 40 % Studierenden eines Jahrgangs kann man nach wie vor viele Einzelprobleme beklagen. Es stimmt aber sicher nicht, dass wie Sie meinen, "wenige begünstigt und viele benachteiligt werden".

In diesem Sinne,
mit freundlichen Grüßen,
Monika Grütters, MdB

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Monika Grütters
Monika Grütters
CDU