Wie kann es sein, dass die Polarstern auf einer Strecke von 5.600 km in der Antarktis mit lauten Luftpulsern den Meeresgrund erforschen darf, wo doch die Schäden solcher Luftpulser bekannt sind?

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Nina Stahr
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Frage von Dirk M. •

Wie kann es sein, dass die Polarstern auf einer Strecke von 5.600 km in der Antarktis mit lauten Luftpulsern den Meeresgrund erforschen darf, wo doch die Schäden solcher Luftpulser bekannt sind?

Sehr geehrte Frau Stahr,
ich wende mich an Sie als Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung.
Im Spiegel v. 7.1.2023 wird auf S. 92 berichtet, dass die Polarstern des AWI in der sensiblen Antarktis den Meeresgrund auf einer Strecke von 5.600 km mit lauten Luftpulsern erforschen will, um aus den Spuren alter Gletscher neue Erkenntnisse zu gewinnen (Titel d, Berichts: "Rätsel des Endzeitgletschers").
Dabei warnen Wissenschaftler schon seit Jahrzehnten vor den akustischen Auswirkungen, die Schiffsgeräusche und Sonar sowohl auf Meeressäuger wie Wale und Delfine als auch auf Fische, Krustentiere und Zooplankton haben. Die Zeitschrift "spektrum" berichtete darüber:
https://www.spektrum.de/news/wie-drastisch-sind-die-auswirkungen-der-wachsenden-laermverschmutzung-der-meere-fuer-die-dort-lebend/1646110
Seismische Untersuchungen des Meeresbodens mit Hilfe der Luftpulser werden als besonders problematisch angesehen. Gibt es hierfür Umweltverträglichkeitsprüfungen?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr M.,

Jede beabsichtigte Tätigkeit (Forschung, Logistik, Medien, Tourismus etc.) in der Antarktis (Land- und Meeresgebiete südlich 60° südlicher Breite) bedarf nach dem Umweltschutzprotokollausführungsgesetz zum Antarktis-Vertrag (AUG) einer Genehmigung und einer Vorabprüfung ihrer Auswirkungen auf die antarktische Umwelt sowie auf die abhängigen und verbundenen Ökosysteme (§ 3 AUG). Eine Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn die Tätigkeit keine erheblichen nachteiligen Wirkungen auf die belebte und unbelebte Umwelt einschließlich Tier- und Pflanzenarten oder deren Populationen besorgen lässt (§ 3 Abs. 4). Des Weiteren ist es u.a. grundsätzlich verboten, in der Antarktis heimische Säugetiere zu töten, zu verletzen oder erheblich zu stören (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 AUG). Im Einzelfall kann das Umweltbundesamt als deutsche Genehmigungsbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Naturschutz jedoch Ausnahmegenehmigungen erteilen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 AUG), z.B. wenn die Störung und Verletzung der heimischen Säugetiere unvermeidliche Folge wissenschaftlicher Tätigkeiten sind (§ 17 Abs. 2 Satz 2 AUG).

Neben ihrem Beitrag zur generellen Verlärmung der Meere, die sich negativ auf das Verhalten und die biologische Fitness einzelner Tiere und gesamter Populationen auswirken kann, können Airguns dazu führen, dass insbesondere Meeressäuger eine Schädigung ihrer Hörsysteme (akustisches Trauma) erleiden und kurzfristig oder dauerhaft einen Teil ihrer Hörfähigkeit verlieren. Daher erfordert der Einsatz von Airguns, der nur zu wissenschaftlichen Zwecken in der Antarktis erlaubt ist, in der Regel eine Umwelterheblichkeitsprüfung gemäß § 7 AUG, wobei eine Genehmigung nur unter Auflagen erteilt werden kann, um das Risiko einer Störung oder Verletzung für die Meeressäuger zu minimieren. So muss beispielsweise durch ausgebildete Walbeobachter, Infrarotkameras und/oder passiv-akustisches Monitoring sichergestellt werden, dass sich während des Einsatzes keine Meeressäuger in unmittelbarer Nähe des Forschungsschiffes aufhalten. Blasenschleier eignen sich nicht für fahrende Schiffe, sondern werden derzeit nur zur Lärmminderung bei unterseeischen Rammarbeiten (z.B. bei der Konstruktion von Windkraftanlagen) oder Sprengungen von Munitionsaltlasten eingesetzt, was beides in der Antarktis nicht vorkommt.

Ich hoffe, Ihnen mit meinen Ausführungen weitergeholfen zu haben. Ausführlichere Informationen zu Unterwasserlärm und zum Genehmigungsverfahren erhalten Sie auf den entsprechenden Internetseiten des UBA unter www.umweltbundesamt.de/unterwasserlaerm  und www.umweltbundesamt.de/antarktis.

Freundliche Grüße

Nina Stahr