Frage an Norbert Barthle bezüglich Finanzen

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Norbert Barthle
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Frage von Peter H. •

Frage an Norbert Barthle von Peter H. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Barthle,

in dem aktuellen Vertragsenwurf zum ESM find ich folgendes im Artikel 9 abs.3

3. Der Geschäftsführende Direktor ruft genehmigtes nicht eingezahltes Kapital rechtzeitig ab, falls dies notwendig ist, damit der ESM bei planmäßigen oder sonstigen fälligen Zahlungsverpflichtungen gegenüber Gläubigern des ESM nicht in Verzug gerät. Der Geschäftsführende Direktor setzt das Direktorium und den Gouverneursrat über jeden derartigen Abruf in Kenntnis. Wird ein potenzieller Fehlbetrag in den Mitteln des ESM entdeckt, so führt der Geschäftsführende Direktor (einen) entsprechende(n) Abruf(e) baldmöglichst durch, um sicherzustellen, dass der ESM über ausreichende Mittel verfügt, um fällige Zahlungen an Gläubiger fristgerecht und in voller Höhe leisten zu können. Die ESM-Mitglieder verpflichten sich unwiderruflich und uneingeschränkt, Kapital, das der Geschäftsführende Direktor gemäß diesem Absatz von ihnen abruft, innerhalb von sieben Tagen ab Erhalt der Aufforderung einzuzahlen.

Hierzu hätte ich folgende Fragen.

1. Wie kann sich ein ESM Mitglied wie Deutschland, zu Kapitalabrufen verpflichten, zudem noch unwiderruflich und uneingeschränkt und innerhalb von 7 Tagen ?

2. Wie vereinbart sich obengenannter Sachverhalt, mit dem Hoheitsrecht des Bundestages über den Haushalt, wenn der ESM uneingeschränkt Kapital abrufen kann?

3. Sollten über den jetzt bekannten 22 Mrd. Anteil, deutlich höhere Transferleistungen anfallen, wo werden die Kosten kompensiert.

4. Wie stehen Sie, als gewählte Abgeordnete, zu einem Vertrag der Augenscheinlich gegen unsere Verfassung verstösst?

Mfg
Peter Hauschildt

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Sehr geehrter Herr Hauschildt,

vielen Dank für Ihre Frage vom 31. Januar 2012.

Die Möglichkeit des Kapitalabrufs ist notwendig, damit der ESM auch ggü. seinen Gläubigern immer zahlungsfähig ist. Ohne diese Konstruktion würde der ESM am Kapitalmarkt kaum Mittel bekommen, da seine Zahlfähigkeit nicht hundertprozentig glaubwürdig wäre. Wichtig ist: Nur das bereits genehmigte abrufbare Stammkapital kann entsprechend der Vorgaben des ESM-Vertrags abgerufen werden. In Artikel 10 Absatz 1 ESM-Vertrag ist vorgesehen, dass das maximale Darlehensvolumen und die Angemessenheit des genehmigten Stammkapitals regelmäßig überprüft werden. Änderungen erfordern einen einstimmigen Beschluss des Gouverneursrats, in dem die Mitgliedstaaten durch ihre Finanzminister, welche die gewählten Regierungen der Eurostaaten repräsentieren, vertreten sind. Deutschland verfügt auf Grund des Einstimmigkeitserfordernisses jederzeit über ein Vetorecht; ein Beschluss gegen die Stimme Deutschlands ist also nicht möglich. Für eine Erhöhung des genehmigten Stammkapitals wäre in Deutschland eine erneute gesetzliche Regelung erforderlich. Artikel 10 Absatz 1 ESM-Vertrag sieht hierzu ausdrücklich vor, dass ein Beschluss des Gouverneursrats zur Änderung des Kapitals erst in Kraft tritt, nachdem die jeweils erforderlichen nationalen Verfahren zur Umsetzung des Beschlusses abgeschlossen sind.

Und gerade diese nationalen Verfahren werden sicherstellen, dass wir mit dem ESM unsere Verpflichtung für einen verantwortungsvollen Umgang mit deutschen Steuergeldern nicht aus der Hand geben. Der Deutsche Bundestag wird seine Haushaltsverantwortung im Zusammenhang mit dem ESM in vollem Umfang wahrnehmen. Etwas anderes würde auch das Bundesverfassungsgericht nicht zulassen. Der Deutsche Bundestag muss nicht nur den ESM-Vertrag durch ein Zustimmungsgesetz ratifizieren und den deutschen Beitrag zum Stammkapital des ESM genehmigen. Der Deutsche Bundestag oder seine Gremien werden auch danach bei allen Entscheidungen einbezogen, wenn dies die Haushaltsverantwortung des Deutschen Bundestages erfordert. Dies gilt insbesondere für die Entscheidungen, einem in Not geratenen Euro-Mitgliedstaat eine Finanzhilfe zu gewähren. Die konkreten Beteiligungsrechte werden in einem Gesetz zur Umsetzung des ESM-Vertrags geregelt, das derzeit vorbereitet wird. Darüber, wie möglicherweise anfallende Kapitalzahlungen an den ESM im Haushalt finanziert werden, kann derzeit nichts gesagt werden, sondern das müsste ggf. zu dem Zeitpunkt im Lichte der jeweils aktuellen Haushaltssituation politisch entschieden werden.

Insgesamt bin ich von der Notwendigkeit des ESM als Teil einer verbesserten Stabilitätsarchitektur in Europa fest überzeugt und setze mich daher ausdrücklich für die Zustimmung zum ESM im Deutschen Bundestag ein.

Mit freundlichen Grüßen nach Hamburg

Ihr Norbert Barthle