Frage an Norbert Brackmann bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Norbert Brackmann
CDU
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Frage von Olaf K. •

Frage an Norbert Brackmann von Olaf K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Brackmann!

Wie ich lese, sind Sie Jurist. Als solcher beantworten Sie doch bitte, wie Sie zu den permanenten Rechtsbrüchen in der Eurofrage stehen.

Im Maastricht-Vertrag steht klipp und klar, dass kein Land für die Schulden eines anderen Landes haften darf. Dies wurde durch den EFSF und den ESM ausgehebelt. Nun steuern wir auf die Bankenunion zu – ein weiterer Meilenstein zur Aufgabe der Souveränität.

Werden Sie als Mitglied des 18. Deutschen Bundestages weiteren Banken- und Staatenrettungen zustimmen und dadurch mithelfen, dafür Steuergelder der Deutschen Bürger auszugeben?

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Kriewald,

vielen Dank für Ihr Schreiben.

Der Artikel 125 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) regelt in der Tat die Grenzen einer Haftungsübernahme zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Dort heißt es im Wortlaut:

„(1) Die Union haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen von Mitgliedstaaten und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein; dies gilt unbeschadet der gegenseitigen finanziellen Garantien für die gemeinsame Durchführung eines bestimmten Vorhabens. Ein Mitgliedstaat haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderen öffentlich-rechtlichen Körper-schaften, sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein; dies gilt unbeschadet der gegenseitigen finanziellen Garantien für die gemeinsame Durchführung eines bestimmten Vorhabens.

(2) Der Rat kann erforderlichenfalls auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments die Definitionen für die Anwendung der in den Artikeln 123 und 124 sowie in diesem Artikel vorgesehenen Verbote näher bestimmen.“

Im Jahr 2011 habe ich den Bundesminister der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble, in einem persönlichen Brief auf meine rechtlichen Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit sowohl des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) mit dem deutschen Grundgesetz als auch der Finanzhilfen im Allgemeinen mit Art. 125 AEUV hingewiesen. Mit der direkten Beteiligung des deutschen Bundestages haben wir den ESM rechtlich auf grundsolide Füße gestellt. So ist der deutsche Vertreter im ESM-Gouverneursrat, d.h. der deutsche Finanzminister, zwingend an die Zustimmung des Parlaments gebunden. Ohne positives Votum des Bundestages kann der deutsche Finanzminister also bei sämtlichen Haftungsfragen und Hilfsmaßnahmen nicht zustimmen. Diese Regelung hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Ihnen sicherlich bekannten Urteil vom 12. September 2012 höchstrichterlich bestätigt und festgehalten, dass der ESM-Vertrag insgesamt verfassungsgemäß ist.

Ebenfalls im Jahr 2012 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Zulässigkeit von Finanzhilfen im Allgemeinen bestätigt. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 27. November 2012 festgestellt, dass die Finanzhilfen des ESM nicht gegen Art. 125 AEUV verstoßen (Rechtssache C 370/12). Zur Auslegung des „Bail-Out-Verbots“ zieht der EuGH sowohl Wortlaut als auch Sinn und Zweck der Norm heran (siehe Randnummern 130 bis 137 des Urteils).

Da der Wortlaut des Art. 125 AEUV nur bestimmte Arten der Hilfeleistung verbiete, werde deutlich, dass Finanzhilfen nicht grundsätzlich verboten seien. Eine genaue Auslegung der Norm müsse auch anhand des mit ihr verfolgten Zwecks erfolgen. Die Entstehungsgeschichte des Vertrags von Maastricht zeige dem EuGH zufolge, dass Art. 125 AEUV sicherstellen soll, dass die Mitgliedstaaten auf eine solide Haushaltspolitik achten. Das Verbot in Art. 125 AEUV gewährleiste, dass die Mitgliedstaaten bei ihrer Verschuldung der Marktlogik unterworfen blieben, was ihnen einen Anreiz geben solle, Haushaltsdisziplin zu wahren (Randnummer 135). Daher verbietet Art. 125 AEUV nach Ansicht des EuGH keine Hilfen, bei denen der Empfängerstaat selbst gegenüber seinen Gläubigern haftbar bleibe, sofern sie mit Auflagen für eine solide Haushaltspolitik verbunden werden (Randnummer 137).

Mit freundlichen Grüßen

Norbert Brackmann