Frage an Norbert Brackmann bezüglich Finanzen

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Norbert Brackmann
CDU
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Frage von holger t. •

Frage an Norbert Brackmann von holger t. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Brackmann,

lt. Information der Bundesbank belief sich der Target II - Saldo
(Forderungen)im April 2017 auf 843 000 000 000 EURO - Ein ZAHLENvergleich:
Der Bundeshaushalt für 2017 sieht Ausgaben von nur 3 3 0 Mrd. EURO vor.

Mich beunruhigt dieser extrem hohe Target II - Wert aus folgenden Gründen:

> per 31.12.2007 beliefen sich die TARGET II-Forderungen auf nur 70 Mrd. EURO.

> vor 2007 war der Target II-Saldo jahrelang auf einem sehr niedrigem Niveau.
Meine Vermutung: Regelmäßige Rückzahlungen.

> Lt. Bundesbank betrugen die Target II-VERBINDLICHKEITEN von Italien, Spanien
Portugal und Griechenland im März 2017 9 4 5 Mrd. EURO. Ich vermute, daß
Deutschland bei einem Zahlungsausfall in Höhe seines Anteils am eingezahlten
Kapital der EZB haften muß.
Lt meiner Rechnung mit ca. 265 000 000 000 EURO.
Nochmals der ZAHLENvergleich:
Der Bundeshaushalt für 2017 sieht Ausgaben von nur 3 3 0 Mrd. EURO vor.

Meine Fragen bitte:

> Welche Gründe gibt es für den gigantischen Forderungs-Saldo von 844 Mrd €?

> Wann erfolgt der Saldenausgleich oder aber wenigstens eine erhebliche
Saldenreduzierung?

> Warum werden die Konten nicht jeweils regelmäßig zum Jahresende ausgeglichen
wie z.B. in den USA?

> Mit welchen Instrumenten und in welcher Höhe sind diese Forderungen
- 844 Mrd. EURO - besichert worden?

> In welcher Höhe wurden im Haushalt 2018 Rückstellungen für eventuell
undeckte Forderungen berücksichtigt?

> Ist die von mir dargestellte Haftungshöhe - 2 6 5 Mrd € - bei Zahlungs-
ausfall der vorgenannten 4 EU-Länder korrekt?

Besten Dank im voraus für eine zeitnahe Beantwortung meiner Fragen.

Mit freundlichem Gruß
Holger Tretau
30 05 2017

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Tretau,

viele Dank für Ihre Fragen.

Bevor ich auf jede Frage einzeln antworte, erlauben Sie mir eine Vorbemerkung. Mit der Schaffung eines einheitlichen Währungsraums wurde zwar die Europäische Zentralbank (EZB) als eigentliche Zentralbank des Euroraums gegründet, die Zentralbanken der Staaten blieben jedoch bestehen, einschließlich ihrer Aufgabe. Folglich wird Zentralbankgeld nicht über die EZB, sondern über die nationalen Zentral-banken bereitgestellt. Die Target 2- Salden sind Folge dieser dezentralen Konstruktion, in dem grenzüberschreitender Kapitalverkehr in den Bilanzen der nationalen Zentralbanken geführt werden müssen.

Die nationalen Zentralbanken der am Euro beteiligten Länder haben ihre nationalen Zahlungsverkehrs- und Abrechnungssysteme über das Target-System miteinander verzahnt, um ihre Bilanzen auszugleichen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen Kredit oder eine reale Verschuldung der GIIPS-Länder gegenüber Deutschland. Die Target 2-Salden dokumentieren lediglich den Geldfluss aus den GIIPS-Ländern nach Deutschland. Zudem bestehen die Verbindlichkeiten nicht zwischen den nationalen Zentralbanken, sondern gegenüber der EZB, die als eine Art Clearingstelle fungiert. In einem zentralen System, in dem ausschließlich die EZB Zentralbankgeld zur Verfügung stellt und Geldpolitik macht, gäbe es insofern auch keine Target 2-Salden. Würde man die Target 2-Salden unterbinden, schränkt man den freien Kapitalverkehr als eine der Grundfreiheiten Währungsraums ein.

1. Die hohen Target 2-Salden sind Folge der Finanzkrise und eines "gestörten" Interbankenmarkts, in dem sich die Geschäftsbanken untereinander weniger trauen. Geschäftsbanken in den Krisenländern können sich schwieriger bei ausländischen Geschäftsbanken Geld leihen, das sie bspw. für die finanzielle Abwicklung der Importe benötigten. Sie greifen deshalb auf Zentralbankgeld zurück. Zu Hochzeiten der Krise haben sich die Banken in den Krisenländern bis zu 100 Prozent bei der Zentralbank finanziert.

2. Die Geldpolitik bzw. Liquiditätspolitik ist ausschließliche Aufgabe der Zentralbanken. Deshalb ist auch der Saldenausgleich alleinige Aufgabe der EZB und der nationalen Zentralbanken. Bundesbankpräsident Dr. Weidmann hat öffentlich mehrfach erklärt, dass die hohen Target 2-Salden Folge der Finanzkrise sind und mit einer Besserung der Lage am Interbankenmarkt auch zurückgeführt werden. Dazu muss das Vertrauen innerhalb des europäischen Bankensektors wieder hergestellt werden.

3. Eine Verpflichtung die Target-Salden jährlich auszugleichen, wie Sie es am Beispiel der USA festmachen, stellt keinen gangbaren Weg dar. In den USA müssen die regionalen Notenbanken mit einem negativen Target-Saldo einmal im Jahr US-Staatsanleihen an die mit positiven Target-Salden übertragen. Auf Europa übertragen würde dies bedeuten, dass die griechische Notenbank ihre Target-Schulden mit Wertpapieren ihrer Regierung tilgt. Somit würde die Bundesbank über die EZB für den Ausgleich ihrer Target-Forderungen griechische Staatsanleihen erhalten.

4. Die positiven Target 2-Salden der Bundesbank sind laut öffentlicher Aussage von Bundesbankpräsident Dr. Weidmann nicht besichert. Die Bundesbank lehnt es ab, dass sie für die Target-Positionen eine Risikovorsorge betreibt. Denn die Bundesbank und auch die EZB gehen davon, dass die Währungsunion fortbesteht. In diesem Szenario sind die Target2-Salden nicht verlustträchtig. Dieser Sichtweise der Bundesbank schließe ich mich an.

5. Der Bundeshaushalt hat aufgrund der Eigenständigkeit der Bundesbank und aus den o.g. Gründen keine Rückstellungen gebildet.

Mit freundlichen Grüßen
Norbert Brackmann