Frage an Norbert Geis bezüglich Jugend

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Norbert Geis
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Frage von Reinhard N. •

Frage an Norbert Geis von Reinhard N. bezüglich Jugend

Sehr geehrter Herr Geis,

sie führen in einem Interview mit der F.A.S. betreffend der Gesetzesvorlage zur Beschneidung von Jungen aus, dass es "ein nicht so schwerer" Eingriff sei und deshalb gesetzlich erlaubt sein müsse. Mich würde interessieren, wie sie nicht so schwer - schwer usw. definieren.

In anderen Beiträgen (Antwort an Herrn Niederberger v. 20.08.) zu diesem Thema haben sie damit argumentiert, dass es in anderen Ländern z. B. "USA vollkommen normal und ganz alltäglich" ist. In England ist eine Beschneidung erst ab 18 Jahren möglich, damit wäre das Argument dann wohl nichtig. Und sie sprechen dann expliziert das Thema Mädchen an, dass das ganz was anderes ist. Wo liegt der Unterschied in der Beschneidung von einem Mädchen und von einem Jungen? Ich sehe hier keinen Unterschied es ist bei beiden barbarisch und unnötig.
Leider gehen sie in ihrer Antwort nicht auf die Frage von Herrn Niederberger ein, was sie einem beschnittenen Jungen sagen, wenn er im entscheidungsreifen Alter auf seine Religionsfreiheit besteht, er diese aber gar nicht mehr bekommen kann, da er ja unwiederruflich gezeichnet ist. Ist Religionsfreiheit aber nicht gerade, dass man selber entscheiden kann, an wen oder was man glaubt. Sogar der römisch-kathlische Glauben ist mittlerweile dazu übergegangen, dass die Firmung erst mit 17 stattfindet und nicht mehr vorher, sodass jeder selber entscheiden kann, ob er in diese Glaubensrichtung eintritt oder nicht.

Sie argumentieren dann noch damit, wenn es nicht in Deutschland gemacht wird dann halt irgendwo anders. Die Beschneidung von Mädchen ist hier (Gottseidank) verboten, aber das gleiche Problem stellt sich dann dort doch auch.
Steht nicht der Schutz am unmündigen Kind über allem auch über der Recht der Eltern auf Erziehung und der Religionsfreiheit. Eine Backpfeife darf ich meinem Kind nicht geben aber eine gesundheitlich irreparable Operation ist erlaubt. Verlangen sie wirklich, dass man das verstehen soll.

Mit freundlichen Grüssen

Reinhard Niederländer

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CSU

Sehr geehrter Herr Niederländer,

zunächst muss ich Ihre falsche Behauptung hinsichtlich der gesetzlichen Bestimmungen zur Zirkumzision in Großbritannien korrigieren. Ich weiß nicht, woher Sie diese Information haben, sie ist in jedem Fall nicht zutreffend. Im britischen Recht gibt es keinerlei konkrete Regelungen hinsichtlich der männlichen Beschneidung aus religiösen Motiven. Es gibt allerdings ein Urteil von 1999 in dem ein britisches Gericht diese Praxis explizit zugelassen hat. http://www.cirp.org/library/legal/Re_J/

Das einzige europäische Land, das bisher eine konkrete gesetzliche Regelung zur Zirkumzision eingeführt hat, ist Schweden. Auch dort ist die Beschneidung weiterhin im Rahmen medizinischer Auflagen erlaubt.

Selbstverständlich ist die Beschneidung von männlichen Neugeborenen ein weit weniger gravierender Eingriff als die weibliche Genitalverstümmelung. Die Beschneidung von Jungen ist als Eingriff in die körperliche Integrität irreversibel und natürlich keine Bagatelle. Mit der Verstümmelung der Genitalien von Mädchen und Frauen, die zweifellos strafbar ist und mit strengen Sanktionen geahndet werden muss, ist die teilweise oder ganze Entfernung der Vorhaut bei Jungen aber nicht vergleichbar. Sicherlich ist Ihnen bekannt, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Eingriff bei Männern zumindest regional als eine medizinisch und hygienisch sinnvolle Vorsorgemaßnahme sogar empfiehlt, z.B. um die HIV-Infektionsrate zu senken. Schätzungen zufolge ist etwa ein Drittel der männlichen Weltbevölkerung beschnitten. Die Beschneidung von Jungen gilt als der weltweit am häufigsten durchgeführte kinderchirurgische Eingriff; insbesondere in den USA wird er zur Förderung der Gesundheit häufig vorgenommen.

Unabhängig von der relativen Schwere des Eingriffs besteht jedoch ein weiterer nicht weniger wichtiger Unterschied zwischen der Zirkumzision von Jungen und Mädchen. Denn im Gegensatz zur weiblichen Genitalverstümmelung ist die Beschneidung von Jungen ein konstitutives Element des jüdischen und auch des muslimischen Glaubens. Durch das Ritual der Beschneidung wird nach dem jüdischen Glauben der Bund mit Gott geschlossen. Damit sind sehr wohl die Art. 4 und Art. 6 GG tangiert. Lesen Sie dazu auch http://www.zentralratdjuden.de/de/topic/205.html

Ich bin daher der Auffassung, dass Eltern dies berücksichtigen dürfen, wenn sie entscheiden, ob eine Beschneidung dem Wohl ihres Sohnes dient. Denn es sind die Eltern, die – in den Grenzen unserer Rechtsordnung – den Inhalt des Kindeswohls festlegen. Sie dürfen sich bei Entscheidungen zur Gesundheit ihres Kindes auch von religiösen Motiven leiten lassen, solange die Behandlung bzw. der Eingriff nach allgemeinen Maßstäben medizinisch vertretbar ist. Das Recht von Eltern, ihre Kinder religiös zu erziehen, ist grundgesetzlich geschützt. Und die Beschneidung von Jungen ist, gerade auch mit Blick auf die Situation über Deutschland hinaus, medizinisch vertretbar, wenn sie fachgerecht und ohne unnötige Schmerzen für das Kind durchgeführt wird.

Die Beschneidung von Jungen mit Einwilligung ihrer Eltern soll daher auch künftig zulässig sein, wenn gewährleistet ist, dass dabei alle modernen medizinischen Standards eingehalten werden. Jüdisches und muslimisches religiöses Leben muss weiterhin in Deutschland möglich sein. Jüdische und muslimische Eltern sollen nicht gezwungen sein, ihre Söhne bei unseren Nachbarn im europäischen Ausland oder in Hinterzimmern von Laien beschneiden zu lassen. Ich setze mich daher dafür ein, die Beschneidung minderjähriger Jungen verfassungskonform zu regeln und die drei betroffenen Artikel des GG in dieser in Frage in Einklang miteinander zu bringen.

Eine vertretbare Regelung kann nur zusammen mit den betroffenen Glaubensgemeinschaften gefunden werden. Es wäre ein fatales Signal, wenn Deutschland über die Köpfe der gläubigen Minderheiten hinweg fundamentale und uralte Traditionen verbieten würde, die weltweit akzeptiert sind. Denn man darf nicht vergessen, dass es die Gläubigen selbst sind, die in dieser Frage letztendlich entscheiden können müssen.

Mit freundlichen Grüßen

Norbert Geis MdB