Frage an Norbert Glante bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Portrait von Norbert Glante
Norbert Glante
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Norbert Glante zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Falk G. •

Frage an Norbert Glante von Falk G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Glante,

mit Besorgnis habe ich heute über die das Telekom Paket gelesen was unter anderem in Ihrem Ausschuss "Industrie Forschung und Energie" Morgen (7. Juli 08) zur Abstimmung steht. Vor allem die Änderungs"kompromisse" 2, 3, 4, 5, 7 stellen eine Gefärdung der individuellen Freiheiten und demokratischen Grundrechte dar. Ich wäre hoch erfreut wenn sie mir Ihre Sichtweise auf das Telekom Paket im Ganzen und vor allem auf die oben genannten Änderungskompromisse ("Three Strikes out rule", "Verbot von bestimmter Software", "Zusammenarbeit und Verbreitung von Nutzerkenndaten an die private Industrie") mitteilen damit ich im nächsten Jahr die richtige Entscheidung an der Wahlurne treffen kann.

Hochachtungsvoll,
Falk Gärtner

Portrait von Norbert Glante
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Gärtner,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 6. Juli. Darin bringen Sie Ihre Sorge darüber zum Ausdruck, dass die Beratungen im Europäischen Parlament zur Reform der Telekommunikations-Gesetzgebung zu Eingriffen in die Netzneutralität und zur Überwachung bestimmter Inhalte im Internet führen könnten. Mit Ihren Bedenken folgen sie vielen Organisationen, die davor warnen, dass der EU-Gesetzgeber eine systematische Kontrolle durch die Zusammenarbeit von Unternehmen und nationalen Regulierungsbehörden beschließen könnte.

Im Rahmen der Beratungen zur Reform der Telekommunikationspolitik wurden in den Fachausschüssen viele Anträge eingereicht, mit denen die Internet-Provider ermutigt werden sollen, "gesetzeskonforme Inhalte" (lawful content) "zu fördern und zu schützen". Darüber hinaus wurde gefordert, dass Internetprovider mit den nationalen Regulierungsbehörden zusammenarbeiten sollten, um einen entsprechenden Schutz auch technisch zu gewährleisten.

Wir Sozialdemokraten im Europäischen Parlament teilen Ihre Sorge, dass diese Vorstellungen in vielfacher Hinsicht sehr problematische Auswirkungen haben könnten und haben uns deshalb für eine Entschärfung der Problematik eingesetzt. Wir haben angeregt, dass die entsprechenden Anträge nur noch einen Hinweis auf die Förderung und nicht mehr auf den Schutz von entsprechenden Maßnahmen enthalten. Dies hat dazu geführt, dass sowohl im federführenden Industrieausschuss, wie auch im Binnenmarkt/Verbraucherschutzausschuss in den Abstimmungen am 7. Juli 2008 entsprechende Änderungen vorgenommen und verabschiedet wurden.

Der verabschiedete Kompromiss sieht vor, dass Nutzer Zugang zu "rechtmäßigen" Inhalten haben und diese auch verbreiten dürfen. Darüber hinaus wurde in der bisherigen Formulierung des Paragraphen das Wort "Schutz" gestrichen, so dass Internet-Provider nicht mehr auch für den Schutz "gesetzeskonformer Inhalte" zuständig sein sollen. Dies hätte bedeuten können, dass auch eine verdachtsunabhängige systematische Überwachung von Inhalten möglich gewesen wäre.

Des Weiteren wurde eine Verbindung zu Artikel 33 der Universaldienstrichtlinie hergestellt, in dem eine Beratung mit den entsprechenden Interessenvertretern vorgesehen ist.

Die Abstimmung im Plenum zu den betreffenden Gesetzen ist für September 2008 vorgesehen; entsprechende Passagen werden vor der Abstimmung im Plenum noch einmal geprüft. Nach der Abstimmung in den beiden federführenden Ausschüssen ist aber davon auszugehen, dass eine Mehrheit im Europäischen Parlament Regelungen, die ein automatisches Filtern erlauben würden, nicht annehmen wird.

Mit dem gefundenen Kompromiss wird eine europaweit verbindliche Regelung verhindert. Nationale Regulierer können jedoch gemeinsam mit der Unterhaltungsindustrie auf freiwilliger Basis Regelungen und Standards hinsichtlich des Schutzes "gesetzeskonformer Inhalte" erarbeiten. Dazu könnten auch "Graduated Response"- bzw. "Three Strikes"- Regelungen gehören.

In Frankreich etwa ist das "Graduated Response" bzw. "Three Strikes"-Konzept bekannt und wird insbesondere von der Unterhaltungs- und Medienindustrie gefordert. "Graduated Response" erlaubt es Internet-Providern bei wiederholten Verstößen gegen das Urheberrecht den Internetzugang des Kunden zu unterbinden. Um die jeweiligen Verstöße zu entdecken, sollten die Provider den Internetverkehr mit Hilfe einer staatlich autorisierten Software filtern können. Die nationalen Regulierungsbehörde wiederum sollten durchsetzen, dass der jeweilige Kunde den Provider nicht einfach wechseln kann. Diese sehr weitgehenden Pläne hatte das Europäische Parlament allerdings bereits in einer früheren Abstimmung abgelehnt.

Ich selber spreche mich gegen eine gesetzliche Regelung auf europäischer Ebene aus, die eine Kooperation zwischen Unternehmen und nationalen Regulierungsbehörden hinsichtlich "rechtmäßiger" Inhalte beinhaltet.

Im Vorfeld der Abstimmung im Plenum im September wird noch eine Debatte im Parlament stattfinden. Diese können Sie ohne weiteres online live mitverfolgen. Den Zugang hierzu finden Sie unter folgendem Link:

http://www.europarl.ep.ec/sce/server/intranet/home_page/sce_home_page_01.jsp

Mit freundlichen Grüßen

Norbert Glante